Lange Zeit verbrachte Larissa mit ihren Gedanken, als sie so alleine da stand und Wache hielt. Wieder einmal nagten die Selbstzweifel an ihr. Wieder einmal stieg Unsicherheit in ihr auf. Wieder einmal musste sie sich überlegen, ob sie ihren Gefährten, ihren Freunden nicht schon ein Klotz am Bein geworden war.
"Sie brauchen mich eigentlich nicht.", wurde ihr klar, "Sie haben mich nie wirklich gebraucht und mich nur aus Mitleid bei sich geduldet. Wie dumm von mir, zu denken sie hätten einen Grund, meine Anwesenheit zu wünschen." Larissa ohrfeigte sich selbst in Gedanken. Wer brauchte schon jemanden, der alles verloren hatte? Um sie zu beschützen brauchten sie sie nun wirklich nicht. Vor allem nicht, da sie Vargar hatten, dessen bloße Anwesenheit schon die meisten Gegner verjagen würde. Wer brauchte schon eine Mutter, die nicht einmal in der Lage war, ihr eigenes Kind zu beschützen? Der Gedanke trieb ihr Tränen in die Augen.
"Ich sollte ihnen nicht weiter zur Last fallen.", entschied sie sich, "Ich sollte..."
Ein gewaltiges Krachen zerriss die Stille und unterbrach im letzten Moment ihre Gedanken. Ohne nach zu denken packte sie ihren Speer, schwang sich auf Tlalocs Rücken und ritt mit ihm den Gang entlang, den zuvor ihre Freund gegangen waren. "Gaerdin, Lundal, Talvra, Vargar, Armarya, bitte seid wohlauf! Bitte, bitte seid wohlauf.", schoss es ihr durch den Kopf.
Am Ort des Geschehens angekommen springt sie noch im Ritt ab und schaut sich wie besessen mit vor Furcht und Besorgnis geweiteten Augen nach Feinden um, kann aber keine entdecken. Die Zerstörung und die Verwundungen ihrer Freunde sprechen jedoch Bände. "Es tut mir Leid.", murmelt sie mit schuldbewusstem Gesicht, "Es tut mir so Leid. Es hätte mich treffen müssen."
Erst als sie die Worte spricht, wird ihr klar, welche Wahrheit in ihnen liegt. Ihre Aufgabe war es nicht, die Gruppe zu verlassen. Ihre Aufgabe war es, bei ihnen zu bleiben und sie mit ihrem Leben zu beschützen. Vielleicht hatte sie alles verloren, aber wer alles verloren hat, hat auch nichts mehr zu verlieren und ist nicht gerade das die beste Voraussetzung wieder ein guter Krieger zu werden? Wie Schuppen fällt es ihr von den Augen: Diese Leute geben ihrem Leben einen neuen Sinn.
Nur wenige der Gefährten sind gerade jetzt in der Lage, den eigentümlichen Ausdruck von Dankbarkeit auf Larissas Gesicht zu deuten.