Milan hatte die Tage unterwegs als sehr angenehm empfunden, auch wenn das, was hinter ihnen lag, und noch viel weniger das, was vor ihnen liegen mochte, sonderlich angenehm gewesen war und werden würde, dessen war er sich sicher, aber mit dem Elan seiner Mutter schien auch der seine wieder gekehrt zu sein und so war er zum Teil regelrecht übermütigt. Manchmal war er der Karawane leichtfüßig ein paar Meter voran geeilt, hatte sich hingehockt und irgendetwas auf dem Boden angestarrt. Auf die meisten in der Karawane, nicht zuletzt auch auf seine Gefährten, hatte dieses Verhalten vermutlich überdreht gewirkt - und genau das war Milan auch, aber seine Aktionen hatten dennoch Sinn gehabt. Er hatte versucht, Spuren zu identifizieren. Er wusste zwar nicht welche Spuren, aber er hatte versucht, sich beispielsweise die Abdrücke seiner Gefährten zu merken, Spuren, die Pferde und Räder von Wagen hinterließen. Es gelang ihm aber nicht immer, zweifelsohne sagen zu können, wer oder was vor kurzem ihren Weg entlang gelaufen war. Nur in einem wurde er immer besser: Er konnte das Wetter zunehmend sicherer vorhersehen, wie Waldemar es ihm erklärt hatte, und er achtete besser auf seine Umgebung.
Es war keineswegs so, dass Milan es als Notwendigkeit ansah, dass einer von ihnen diese Rolle übernahm oder er wusste, Waldemar irgendwie zu ersetzen, es war vielmehr so, als hätte der junge Mann, der vorher immer ziellos durch die Welt gelaufen war, die Welt endlich entdeckt. Und nicht nur die Welt. Eretria konnte spüren, dass Milan sich seit ihrer Abreise enorm verändert hatte. Nicht nur, dass er wieder fröhlicher wirkte, nein, er sah sie manchmal so durchdringend an, dass sie das Gefühl haben konnte, er könne alles in ihr deutlich erkennen. Natürlich konnte er das nicht und noch immer stellte er sich manchmal ziemlich umständlich an, besonders wenn sich die beiden näher kamen, aber er war an sich selbst gewachsen. Auch seine Dispute mit Mika schienen völlig in den Hintergrund gerückt, vielmehr machte er deutlich, dass er sie besser verstehen wollte, so dass er, wenn sie es denn zuließ, sogar ab und an ein paar Gespräche von sich aus mit ihr begann.
Mit Arue und Moandor, die ihm noch vergleichsweise fremd waren, versuchte er ebenso ins Gespräch zu kommen. Besonders versuchte er, mehr über Arues Fluch herauszufinden, über ihre Träume. Moandor schien ihm dagegen beinahe wie ein zweiter Beldin, wenngleich Moandor wesentlich zugänglicher war, als der Elf es gewesen war, und Milan keine Vergleiche anstellen wollte. Alles in allem schien Milan mit vielem zufrieden und doch beschäftigte ihn der Gedanke, was mit Marushan geschehen war. Bis man selbst der Böse wurde... ging es ihm permanent durch den Kopf. Er fragte sich, ob das eines Tages mit ihm auch geschehen würde und manchmal, wenn er Maruiko rief, wollte er dem Schildgeist diese Frage stellen, aber Maruiko war auch kein Gott, kein Hellseher und seine Ratschläge waren zwar meistens praktisch, aber oft auch missverständlich. Trotzdem genoss Milan die Gespräche mit dem Schild, die er meistens nachts und in den frühen Morgenstunden führte, wenn Eretria nicht dabei war und oftmals auch keiner der anderen. Andererseits tat Milan Maruiko oft den Gefallen, blieb etwas abseits der Karawane und rief den Schildgeist, damit er sich umsehen konnte, denn auch wenn Maruiko ein magisch erschaffenes Wesen war, das vielleicht keine Seele und keine Gefühle besaß, glaubte Milan manchmal, dass der Schildgeist einsam sei.
In den Stunden, in denen sie die Karawane "bewachten" und er sich nicht mit der Spurensuche oder dem Wetter auseinander setzte, trainierte Milan. In beinahe choreographischen Bewegungen sprang er mit Rapier bewaffnet durch die Gegend, vollführte die eigenartigsten Bewegungen, die ihm gerade in den Sinn kam und erinnerte sich dann wieder an die Stunden mit dem Schwertmeister, wobei es ihm nicht zu liegen schien, einfach nur zu fechten.
Als sie schließlich Handelsfest erreichten, war Milan schier überwältigt von dem Anblick. Er konnte kaum glauben, dass es sich bei Handelsfest wirklich um eine richtige Stadt handeln sollte. Zu sehr noch war sein Denken von dem bisher Erlebten bestimmt und es fiel ihm schwer, Dinge zu akzeptieren, die anders waren, als er es gewohnt war. In Himmelstor und in der Großen Feste gab es auch genügend unterschiedliche Menschen, aber hier kamen anscheinend sehr viel mehr verschiedene Völker zusammen, um so dicht beieinander zu leben und zu arbeiten. "Ich schlage vor, wir suchen uns hier erst einmal eine Unterkunft. Ob es hier so etwas wie ein Gast...zelt...haus...ähm...gibt?" Milan wusste gar nicht, wie er es ausdrücken sollte und sah sich daher etwas irritiert um.