Nachdem Gamael zusammengebrochen war, kümmerte sich Aimerelle zunächst nur um ihren Freund, und nicht um die weiteren Fragen. Nach dem Donnerbeben sah sie Elvaril mit offener Besorgnis an. „Wir sprechen später darüber. Kümmere du dich um ihn, ja? Ich habe Angst, dass er zu weit gegangen ist.“
Elvaril nickte, und verschwand im hinteren Bereich des Zeltes.
Dann erst wandte er sich an Mika. „Ich fürchte, wir haben hier einfach andere Perspektiven. Es geht euch immer wieder darum, dass wir einzelnen Personen die Erweckung verweigern sollen. Nein, das werden wir nicht tun. Erstens, weil sie früher oder später ohnehin erweckt werden. Zweitens, weil wir uns nicht anmaßen, jemandem vorzuenthalten, was ihm gehört. Und drittens, und ich weiß nicht, ob ihr eine solche Erklärung überhaupt annehmen könnt, weil es ein Teil unseres Seins, unseres Schicksal ist, genau dies zu tun. Es gehört zu genau den Dingen, für die Thaikaris uns gerufen hat, und wir vertrauen auf den Willen der Welt.“
Sie wollte sich schon Djarissa zuwenden, setzte dann aber noch einmal an. „Und davon abgesehen ist dies nur eines der vielen Dinge, die wir tun. Es ist, was Gazriel tut, seine besondere Fähigkeit. Wir sind fünf, und jeder von uns zeichnet sich durch eigene Fähigkeiten aus. Würdest du unsere jüngste Schwester kennenlernen, glaube ich, würde sie dir sehr zusagen. Aber wir sind nicht hier, um irgendjemandem zu gefallen. Wir sind hier, weil Thaikaris uns braucht, und weil wir eine Aufgabe zu erledigen haben.“
Nach diesen Worten sprach sie schließlich zu Djarissa. „Unser ältester Bruder, Gazriel, ist gerade nicht bei uns. Er ist unterwegs, um unsere jüngste Schwester unter uns willkommen zu heißen. Er ist derjenige, der erkennt, ob eure Seele schon einmal in einem anderen Körper gelebt hat, und ob es an der Zeit ist, euch zu erwecken. Leider kann keiner von uns anderen Narashi diese Frage für euch beantworten. Einen Rat aber kann ich euch durchaus geben.“
Sie legte ihre Hand auf Djarissas Oberkörper, etwa dort, wo ihr Herz schlug. „Achtet auf das, was euer Herz sagt. Das heißt nicht, dass ihr immer darauf hören sollt, denn ihr habt auch einen Verstand, den es zu gebrauchen gilt. Aber wenn ihr verwirrt seid, wenn euch die Dinge zu viel werden, Intrigen und Lügen und Konflikte überhand zu nehmen scheinen, dann schiebt all diese Dinge beiseite, und besinnt euch auf das, was wichtig ist. Genau das werdet ihr stets in eurem Herzen finden.“
Dann wandte sie sich an die ganze Gruppe. „Der Feind, der diese Welt ins Unheil stürzen will, ist nur bekannt als der Große Jäger. Wer oder was er genau ist, wissen wir nicht. Aber er befehligt eine Heerschar von Geisterwesen, dunkler Kreaturen, die Meister der Manipulation sind. Vor langer Zeit kam der Große Jäger schon einmal auf diese Welt. Es ist nicht bekannt, was genau geschehen ist. Aber die Welt, wie man sie kannte, ging unter. Wie alt sind die ältesten Städte, die ältesten Aufzeichnungen in irgendeiner Kultur? Nur einige hundert Jahre. Für manche Rassen ist das nicht einmal eine Generation. Was war davor?“
„Davor war Krieg“, erklärte sie nach einer kurzen Pause. „All das, was einst war, ist untergegangen, in Vergessenheit geraten, als hätte es nie existiert. Und nun ist der Große Jäger zurückgekommen, um diese Welt erneut ins Unheil zu stürzen. Was er genau will? Wir wissen es nicht. Aber der Weg zu diesem Ziel wird uns alle, die wir auf dieser Welt leben, in eine schreckliche Zeit führen. Deshalb muss er aufgehalten werden.“
Sie drehte sich um, und einige Sekunden sah sie auf die Felle, die als Abtrennung aufgehängt worden waren. Dorthin, wo sich Elvaril um Gamael kümmerte. „Und offenbar ist unser Feind noch schlimmer, als wir bisher vermutet haben. Er manipuliert die Sterblichen und die Wesen der Geisterwelt nicht nur durch seine Diener, die Jäger. Er ist in der Lage, die Fäden ihres Schicksals zu greifen und neu zu verweben. Das macht ihn zu einem Gegner, wie er gefährlicher kaum sein könnte.“
Plötzlich drehte sie sich wieder um, und sah zu Dok’Hae. „Die Jäger, die einst zum Untergang beigetragen haben, sie haben ihre Opfer nicht nur begleitet. Einige von ihnen sind eine Seelenverbindung mit ihnen eingegangen. Man könnte es als eine Art… Besessenheit sehen. Als das geschah, was auch immer die letzte Ära dieser Welt beendet hat, verließen sie jedoch die Körper ihrer Opfer, und kehrten zu ihrem Herrn zurück. Nur eine Handvoll schaffte es nicht rechtzeitig. Ihre Seelen wurden auseinander gerissen. Fetzen dieser Seelen sind in ihren Opfern zurückgeblieben, sind mit ihnen verschmolzen, eins geworden. Auf Thaikaris gibt es vielleicht ganze fünf oder zehn Personen, auf die das zutrifft. Eine war Arue, die Frau, die Mika und Eretria begleitet hat, bevor sie von euren Feinden dazu gebracht wurde, sich von euch zu trennen. Eine weitere solche Person steht hier vor uns. Dok’Hae. Ich bezweifle, dass es Zufall ist, dass noch jemand mit diesem Schicksal zu dieser Gruppe gestoßen ist. Thaikaris möchte euch etwas zeigen, und im Moment stößt Thaikaris euch sozusagen mit der Nase darauf.“