11. Tag des Monats Shinjo 1158Die Sonne steht tief am Horizont und taucht den Wall an herbstlich rot und gelb behangenen Laubbäumen in gleißendes orangenes Licht. Zu ihrer Rechten ruhen die Berge ihren jahrtausende alten Schlaf und zu ihrer Linken schweift der Blick über die Weite des Skorpion Landes.
Lange waren die drei Reisenden nun schon auf den Beinen, Takumi fing bereits etwas an zu schwächeln denn seine alten Knochen steckten solche Märsche nicht mehr einfach so weg und hin zu kam noch dass sein Schneeleoparden Junges immer mal wieder von seinem Arm gesprungen war um die neue Umgebung zu erkunden und bis Takumi den kleinen Kater dann wieder eingefangen hatte waren die anderen beiden meist schon einige hundert Schritte voraus.
Fushou, der immer wieder ein Stück voraus geeilt war um den weiteren bestmöglichen Weg zu erkunden, hält für einen Moment inne. Lang gezogene dunklelblaue Wolken haben sich vor die untergehende Sonne geschoben und von einem großen Bambus einige Meter neben ihm erklingt der noch schläfrige Gesang einer Eule, welche die Nacht herbei ruft.
[1]Sie würden den Pfad, der sie so sicher von Shimomura hier her geführt hatte, verlassen müssen und weiter hinab in die Ebene steigen, wo sich aus Erfahrung des noch jungen Tsuruchi, die Gefahr häufte von Räuberbanden überfallen zu werden. Es stellt sich sowieso die Frage wie lange sie noch durch halten würden ehe sie sich gezwungen sahen direkt in der freien Wildnis ihr Nachtlager auf zu schlagen. Um den Bayushi machte sich Fushou keine Sorgen der war ein Großteil des Weges auf dem Rücken seines Pferdes gesessen aber Takumi schien deutlich zu schwächeln und seine noch tiefer über den Schamanen Wanderstab gebäugte Haltung lies nichts Gutes für die nächste Stunde Marsch erahnen.
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..um die Verpflegung müsst ihr euch keine Sorgen machen da euch bei der hiesigen Landbevölkerung Tür und Tor offen stehen.' Takumi lächelt gequält als er sich Meis Worte in Erinnerung ruft. Er hatte sich schnell an die Annehmlichkeiten der Zivilisation gewöhnt, eine warme Küche, ein heißes Bad und jemanden der einem den Rücken schrubbt, dafür würde es sich fast wieder lohnen einen neuen Stamm zu gründen."Wie lange brauchen wir noch bis wir unser Nachtlager aufschlagen Bayushisan?" ruft er halb keuchend nach vorn. Isamu hoch zu Ross greift zur Kartenrolle, welche er in den Gürtel seines Gewands geklemmt hatte und nun mit einer vollendeten Handbewegung aus der Halterung zieht und zeitgleich entrollt. Er betrachtet die Karte eingehend und studiert dann die Umgebung. Nach einem Moment des Überlegens spricht er gelassen: "Es sind noch ungefähr sechs bis sieben Tage bis zum See und es liegt nur ein einziges eingetragenes Dorf auf dieser Strecke, allerdings kenne ich die Gegend aus Berichten relativ grob und von daher weiss ich dass sich durchaus noch vereinzelte Bauernhöfe entlang unserer Route befinden müssten, Takanarasan." Leicht aufgemuntert von den Worten Isamus, sind Takumis Beine nur noch halb so schwer und er macht keinen ganz so geschundenen Eindruck mehr.
Als die beiden zu Fushou aufschliessen, welcher einen kleinen Felsvorsprung erklommen hatte um den Weg besser überblicken zu können, neigt sich die Dämmerung bereits dem Ende und der Mond steht in seiner ganzen Fülle aber noch fahlem Glanz am Firmament; vereinzelt funkeln die Sterne am leicht bewölkten Himmel.
Plötzlich horch Fushou auf, aus der Ferne vernimmt er ein Wirrwarr an Kreischen und Krächzen welches sich in einiger Entfernung parallel zu ihrem Pfad durch den Wald zu bewegen scheint.
Mit einem unmissverständlichen Wink der rechten Hand mahnt er die beiden Begleiter zu höchster Achtsamkeit.
Er lässt sich mit einer gleitenden Bewegung vom Vorsprung herabfallen und dämpft den Fall in dem er in die Hocke geht.
Auch der sonst so entspannte Takumi wirkt nun wie verwandelt, seine Sinne geschärft und im Einklang mit seiner Umgebung, scheint er den Wald wie ein Medium förmlich auf zu saugen.
Isamu hingegen lässt sich seine Neugierde hinter der Maske nicht anmerken, eine Hand am Zügel des Pferds die andre entspannt aber in griffnähedes Katanas, ist er bereit dem Feind gegenüber zu treten so lange er sich denn endlich zeigen mag. '
Yu. Heldenhafter Mut: Ein Samurai fürchtet sich nie zu Handeln sondern lebt sein Leben in vollen Zügen. Angst ersetzt er mit Respekt und Vorsicht.'
Der Geräuschpegel scheint sich kontinuierlich weiter zu bewegen, ohne noch weitere Absprache zu halten da sich anscheinend alle drei einig sind nehmen sie die Verfolgung auf. Fushou der ebenso wie Takumi keinerlei Berührungsängste mit dem herbstlichen Wald hat, eilt vorweg muss sich aber immer wieder neu nach dem Geräusch orientieren. Ihm auf den Fersen folgen Takumi und Isamu, der seinen Platz hoch zu Ross nutzt um einen gewissen Überblick über ihr Vorgehen zu wahren.
Nachdem einige Minuten des Umherirrens vergangen sind entdeckt Fushou die erste konkrete Spur: Am Boden im Laub neben ein umgefallenen Ahornbaum findet er frische Blutspuren und schwarzen Federflaum zwischen den Blättern verteilt. Am abgebrochenen Stumpf des Ahornbaums, ungefähr drei Ellen über dem Boden zieht sich eine Blutspur bis zu den Wurzeln.
Fushou kniet sich nieder und untersucht das Laub am Fuß des Baumstumpfs genauer, als er das Laub leicht zur Seite schiebt offenbart sich ihm der Ursprung der Blutspur.
Zwischen dem Laub liegt eine tote Krähe, ihr Körper ist vom Aufprall gegen den Baumstumpf aufs Unschönste deformiert und aus dem zerborstenen Brustkorb quillen die noch warmen Innereien.
[2]Der herbei geeilte Takumi blickt über Fushous Schulter und kann es sich nicht verkneifen den bereits offensichtlichen Tod der Krähe nochmals zu kommentieren: "Die ist mausetot!" Isamu mahnt seine Begleiter zur Eile: "Es wird schnell dunkel, wenn wir noch etwas ausrichten wollen müssen wir uns beeilen. Tsuruchisan: Ihr scheint die Spur aufgenommen zu haben, führt uns an!"
In der zwischen Zeit an einer anderen Stelle des Waldes setzt Isuwaru einen Fuss vor den anderen. Tief in Gedanken versunken summt er zwei der großen Koans die ihm sein Meister mit auf den Weg gegeben hatte '
Wann beginnt ein Weg und wann endet er? Welche Bedeutung hat eine Karte in der ich nur meinen eigenen Weg einzeichne? Wann beginnt ein Weg und wann endet er? Welche Bedeutung hat eine Karte in der ich nur meinen eigenen Weg einzeichne?' Isuwarus Gedanken kreisten um diese beiden Koans.
[3]Isuwaru war in eine einfache grau orangene Mönchskutte gekleidet und trug eine kleine, warmes Licht ausstrahlende Bambus Laterne in der rechten Hand und mit der linken hielt er seinen über die Schultern geworfenen Reisebeutel.
Der Mond war mittlerweile schon einige Zeit aufgegangen und Isuwarus Vorhaben einen Schlafplatz bei Bauern in der Umgebung zu finden, schien für heute nicht mehr umsetzbar. So stellte er sich bereits darauf ein die Nacht unter dem Dach der Sterne verbringen zu können. Gerade als es sich mit dem Gedanken abgefunden hatte und seinen Bettfrolle vor einer alten Esche aus zu breiteten wird er abrupt und ohne den Hauch einer Vorwarnug aus seiner Gedankenwelt gerissen.
Aus einer Böschung einige Meter vor ihm sprang eine geduckt laufende,haarige, dunkle Gestalt. Ihre Umrisse scheinen aufgrund der schnellen Bewegung zu flimmern. Die Gestalt bückt sich nach vorn und scheint mit dem Kopf den Boden ab zu suchen als ob sie einer Spur folgen würde.
Der zweite Blick offenbart das wahre Wesen: Ein Nezumi. Die schwarzen Augen sind aus Furcht geweitet und die Ohren nach hinten angelegt. Seine Nase, mit den langen Barthaaren, bewegt sich schnell in verschiedene Richtungen und nimmt Witterung auf. Sein Fell ist gräulich braun und übersät mit vielen Wunden, welche teilweise bereits getrocknet sind. Um die Hüfte trägt der Ratling einen blutigen Fetzen weißen Stoffs, der durch eine Spange aus Bambus zusammengehalten wird. An dieser Art Gürtel klemmt ein altertümlich anmutendes Paar Tonfa.
[4]Als der Nezumi den wandernden Mönch mit seiner Laterne entdeckt ruft er ihm entsetz wispernd zu: "Schnell, schnell Mönchmensch ausmachen ausmachen Licht! Tchiieek!"
Doch die Warnung kommt zu spät, der schwarze Schwarm hat sein Ziel wieder entdeckt und stößt aus der Höhe hinab auf den Ratling. Von unglaublicher Zielstrebigkeit getrieben scheinen diese Kreaturen sich doch auf seltsame Weise zu bewegen halb fallend halb fliegen prasseln sie unter tösendem Gekreische auf den Ratling darnieder. Im Burchteil einer Sekunde hat der Nezumi seine Tonfas gezückt und den ersten drei Krähen in der Luft sämtliche Knochen zerschmettert, dann taucht er in Deckung während immer mehr dieser abartigen Vögel im Sturzflug mit den Krallen nach ihm packen. Viele der Vögel fliegen ins Leere und landen unsanft und teilweise mit bleibenden Schäden auf dem Boden. Schwarze und graue Federn wirbeln auf und Isuwaru meint mehr als drei Dutzend dieser schwarzen Feder Viecher im Schein seiner kleinen Laterne ausgemacht zu haben.
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