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Und damit ernenne ich mich zu König Haze I.", verkündete der Soldat mit hochrotem Gesicht. Er trug eine Augenklappe über eine leere Augenhöhle und seine Nase war offenbar mindestens einmal gebrochen worden. "
Wisset, dass ich von nun an in diesen Reichen, die ich vollen profanen Heidentums wähne, der Herrscher bin und mit unbeschränkter Gewalt hier des Herrschens willens bin.Schallendes Gelächter ertönte. Der selbsternannte König musste mehrmals ein
silentium ausrufen und mit seinem Zinnhumpen auf den Tisch klopfen, bevor er wieder das Wort erhielt. Dann wies er mit wichtiger Geste auf den dümmlich grinsenden Jüngling zu seiner Linken.
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Zu meiner Rechten sehet Ihr Field Marshal Perish, denn verdientesten meiner Ergebenen. Zu meiner Linken erblicket Ihr seine Emminenz Bischof Carpenter, dessen hochwohllöbliche Person den spirituellen Geist dieser Versammlung in sich vereint.", damit deutete er auf einen mittelalten Mann, der in einer Pfütze Bier auf der Tischplatte schlief. "
Gemeinsam sind wir Euer Herz, Eure Faust und Euer Geist. Wisset, dass wir (zu keinen anderen als unseren privaten Interessen) keine Anstrengungen und Mühen gescheut haben, Euch zu großem Verdienst und Siegen zu führen." Einige der Männer schnaubten verächtlich aus. "
Nun fordern wir Euren Tribut; eine halbe Gallone des verschnittenen Weines oder zwei Humpen des Ales sollen es sein; gesoffen in einem Zug und aus den Knien und ohne des Absetzens, sonst muss Field Marshal Perish Euch in peinlicher Bestrafung eine Zweite Gallone aufzwingen. Und noch ein Wort der Warnung: Verweigert Ihr diese Ehrerbietung, so sollt Ihr sofort diese Versammlung verlassen und Euch einen schändlichen Landesverräter schimpfen." Dabei schwenkte er immer wieder seinen Humpen, dass das gelbe Ale in alle Richtung schwappte.
Tyrome war im Türrahmen stehen geblieben, die Augenbrauen missmutig zusammengezogen. Er zögerte, ob er die Trunkenbolde zur Räson bringen - oder zumindest kräftig vermöbeln - sollte. Doch es waren zu viele und nur allzu leicht konnte die Stimmung kippen. Obgleich die Soldaten schwer versehrt und kriegsmüde waren, war er doch erstaunt über ihre Kühnheit, in der einzigen Taverne der Hauptstadt ihren König in den Schmutz zu ziehen. Es empörte ihn, dass niemand eingriff und viele der Männer unverhohlen lachten und gröllten und einander zuprosteten. Doch obgleich, da war eine merkwürdige Stimmung unter ihnen, die er nicht recht fassen konnte.
Flugs überblickte er den Schankraum und fand, wenn er suchte. General Lachdanan saß zusammengesunken etwas abseits der Meute über sein Ale gebeugt. Er schien gar nicht mitzubekommen, was die Soldaten veranstalteten.
Und sie lassen ihn, Gott sei dank, in Ruhe, dachte Tyrome.
Lachdanan nickte nur knapp, als Tyrome sich zu ihm an den Tisch setzte. Tyrome war unsicher, wie er nun vorgehen sollte. Er konnte ihn natürlich nicht offen nach dem Schwert fragen. Darum versuchte er zunächst etwas Gemeinsamkeit zu erzeugen, indem er über das Militär sprach, doch Lachdanan war nicht interessiert. Als Tyrome anfing, über die Zakarumnisierung des Reichs zu sprechen, entschuldigte sich Lachdanan und stand auf. Immerhin konnte Tyrome einen Blick auf dessen Schwert werfen. Es war unscheinbar, gar schmucklos. Tyrome war verwirrt. Das konnte es wohl kaum sein und er hielt es auch kaum für wahrscheinlich, dass Lachdanan es auf seinem Zimmer gelassen hatte. So etwas wertvolles ließ man nicht auf seinem Zimmer zurück.
Was soll das bedeuten?Eine zweite Gelegenheit, mit Lachdanan zu sprechen, bot sich Tyrome nicht. Am nächsten Tag wurde in die Kathedrale von König Leoric gerufen -doch kehrte nicht zurück. Die Bauern munkelten, dass der irrsinnige Leoric Lachdanan für sein Versagen umgebracht hätte. Tyrome wusste nicht, was er denken sollte.
Damit hatte Tyrome jede weitere Spur verloren. Er ließ seine Rüstung bei Grisworld, dem örtlichen Schmied, ausbessern, doch ansonsten blieb im vorerst nichts anderes als Müßiggang. Er versuchte etwas über die schwarzen Reiter in Erfahrung zu bringen und erfuhr, dass die Bauern die Agenten des Königs so nannten, da diese einzelne Bauern aufsuchten und bestraften, hatten diese schlecht über den König gesprochen oder sich sonstwie verdächtig gemacht. Das war schrecklich genug, doch mit den wahrhaftig Schrecklichen hatte dies nichts zu tun. Gerne wäre Tyrome zum König vorgelassen worden, doch die Wachen wiesen ihn ab.
Dann verbreitete sich eine Nachricht im Dorf, dass der Sohn des Königs, Prinz Albrecht verschwunden war. Alle Bauern hatten unverzüglich alle Arbeit niederzulegen und nach dem verschwundenen Prinzen zu suchen. Immer wieder erschienen schwarze Reiter im Dorf und verhörten die Anwohner, oft unter Folter. Der König schien außer sich vor Zorn und Verzweiflung, denn die schwarzen Reiter gingen immer aggressiver vor. Am nächsten Morgen wurde bekannt, dass zwei der Bauern im Verhör umgekommen waren. Tyrome schloß sich den Suchtrupps an - ohne Erfolg. Nach den zwei Tagen erschien dann unerwartet der Bischof Lazarus im Dorf. Er verkündete, dass man Spuren des Prinzen gefunden hatte. Sie führten in das Labyrinth unterhalb der Kathedrale. Offenbar wurde er von dunklen Gestalten dort bedroht und gefangen gehalten. Alle Bauern hatten sich unverzüglich zu bewaffnen und sich einem Suchtrupp anzuschließen.
Innerhalb einer halben Stunde hatte sich ein Zug von Bauern versammelt. Es hatte schon begonnen zu dämmern, darum wurden Fackeln entzündet. Die Bauern schauderten und sie tuschelten. Sie wussten, dass der König außer sich sein würde, würde dem Prinzen etwas geschehen. Einige waren misstrauisch, warum sich die Räuber im Verließ unterhalb der Kathedrale versteckten. Die meisten waren jedoch nur ängstlich. Langsam setzte sich der Zug in Bewegung, angeführt vom Erzbischof.
Sie betraten das Gewölbe. Der Fackelschein vermochte kaum die klebrige Schwärze zurückzuhalten. Tyrome schien, dass das Gemäuer noch wesentlich älter war, als die Kathedrale. Unter dem Schmutz und dem Staub erkannte er Fresken, die heilige Motive der Kathedrale des Lichts darstellten. Lazarus führte sie in eine Kammer und befahl, dass sie hier warten sollten, bis er zurückkehren würde. Dann verließ er sie für etwa zehn Minuten.
Er kam mit schnellem Schritt zurück und sagte den Bauern, dass sie ihre Waffen bereitmachen sollten. Tyrome vernahm seltsame Geräusche, als würde etwas schweres mit donnerndem Schritt auf sie zukommen. Dann, mit einem Mal, stand ein bulliges Scheußal in der nördlichen Tür. In den Händen ein Kette und ein riesiges Beil. Erzbischof Lazarus sprach einige fremdartige Worte und eine schimmernde Barriere tauchte vor der Tür auf. Dann war er plötzlich verschwunden, als hätte ihn die Dunkelheit verschluckt. Das Monstrum gab unartikulierte Geräusche von sich und bewegte sich schwerfällig auf die Bauern zu, die vor dem Monstrum zurückwichen. Die Barriere ließ keinen Menschen aus der Kammerentkommen. Sie saßen in der Falle. Auch konnte keine Pike, kein Messer den schuppigen Körper des Dämons verletzen. Doch sein Beil durchfuhr das Bauernpack, wie eine Sense, die Korn mäht
[1].
Tyrome zwang sich, einen kühlen Kopf zu bewahren, um nicht die Kontrolle zu verlieren. Er wusste sofort, dass sie keine Chance gegen das Scheußal hatten und blickte sich hektisch nach einem Ausweg um. Es waren zwei weitere Ausgänge aus der Kammer. Einer nach Westen und einer nach Osten. Aufs Geratewohl entschied er sich für den Ausgang nach Osten und schloß schnell die schwere Tür hinter sich. Er wusste wohl, dass sie kein Hinderniss für den Dämon war und doch stemmte er sich dagegen. Panisches Schreien ertönte von der anderen Seite der Tür. Ein Bauer flehte Tyrome an, die Tür doch zu öffnen, doch Tyrome vermutete, dass dies den Tod von ihnen beiden bedeuten würde. Dann ein weiterer Schrei, der jäh verstummte.
Tyrome tastete sich in den Raum vorwärts, fand eine Treppe und stieg das Labyrinth weiter hinab. Er lauschte in die Dunkelheit. Das Schreien der Bauern war mittlerweile gänzlich verstummt. Es musste ein Ende gefunden haben. Noch etwa eine Stunde wartete Tyrome mit gezogenem Hammer in der Dunkelheit, dann wagte er es, eine Fackel zu entzünden.