05.01.1042 - Tag des Pandas - Früher Morgen
Der Kaisersohn war sichtlich amüsiert über die Reaktion von Sūn Ai. Mit solch einer Reaktion schien er nicht gerechnet zu haben, weshalb die junge Psionikerin dem Militär ein ehrliches Lachen abtrotzte. Er hatte ein angenehmes Strahlen, wenn er die Mundwinkel verzog. Hinter den ernsten Worten und den Schmerzen durch die wunden Beinen, schob sich der augenscheinliche Charakter des Mannes durch, wie die Sonne durch die Wolken nach einem Regenguss.
"Ich gebe euren Worten grundsätzlich Recht, Xiao Sūn." Der Lächeln wollte trotz des ernsten Themas nicht weichen. "Es wird mit Sicherheit niemals eine perfekte Kultur geben, weil es immer Humanoide geben wird, welche sich nicht mit der Kultur identifizieren oder sich absichtlich gegen diese Kultur stellen[1], mit allen damit zusammenhängenden Folgen. Dabei spielt nicht immer nur die Befriedigung der Grundbedürfnisse eine Rolle, obgleich dies für die große Masse gelten dürfte, gerade für jene, welche mit der Erfüllung dieser Bedürfnisse Hilfe brauchen oder sich nur mit Mühe über Wasser halten." Jetzt schwand das Lächeln doch wieder, als er an Leid und das Platzen von persönlichen Träumen dachte. "Es kann sicherlich die Möglichkeit geben, einen gemeinsamen Nenner der Grundbedürfnisse zu finden. Und da ist etwas, wo ich einharken würde. Xū Dǎnshí hat davon gesprochen, dass er tätig werden würde. Das ist mir in dem Sinne nicht bekannt. Sein Einsatz für Cui Bao ja, aber seine Worte umfassen mehr als Dissidententum. Dort wird mehr als die Sorge um Cui Bao verborgen sein."
Er blickte jetzt direkt wieder den alten Mann an. "Eure Worten legen vor allem nahe, dass eine Volksgruppe gegenüber einem Reich immer wieder seine Bedürfnisse kommunizieren muss, dass ein Dorf sich immer wieder seine Bedürfnisse betreffend seiner Volksgruppe gegenüber kommunizieren muss, das Haus dem Dorf und die Kinder den Eltern, vielleicht sogar jeder seinem Nächsten, der ihm ernsthaft dabei behilflich sein kann. Wir haben festgestellt, dass die Lehrer dafür zuständig sind, aber sie nicht alleine, sondern jeder hat auch eine Eigenverantwortung. Dennoch müssen sie, die Lehrer, das auf den Weg bringen. Das wird sicherlich so sein.
Nun, ihr sprecht immer von praktischen Gründen, jedoch fehlt mir noch immer einen Ansatz, wie ich praktisch daraus handeln lernen kann." Trotz aller Freundlichkeit setzte Chuang Diyan zu einer Kritik an. Er ging inzwischen fast kontinuierlich umher. Entweder hielt er die Schmerzen nicht mehr aus, wenn er an einem Ort stand oder er hatte einen Laufrhythmus gefunden, welcher ihm das Laufen angenehmer machte.
"Überbevölkerung? Was sollen wir dagegen tun? Sollen wir die Bemühungen der Derwydd Cymdeithas einfach so verwerfen oder die unglaubliche Macht des Gartens, des immergrünen Herzens dieses Kontinentes aufgeben, damit wir wirklich alle natürlichen Ressourcen vertilgen können? Sollen wir wieder die Magie zulassen, um mit der Hilfe der Derwydd Cymdeithas die Länder wieder zu begrünen? Sollen wir durch Zucht und magische Manipulation die Tiere auf härtere Klimate anpassen, sodass wir auch Vieh in den Halbwüsten halten können? Oder sollen wir allen verbieten, dass sie sich lieben und vermehren? Sollen wir Cui Bao in Ruhe lassen, damit der Rest verreckt und Cui Bao in Frieden leben kann? Eure Kritik an der Landverteilung ist berechtigt, deswegen ist Cui Bao so wichtig, deswegen sind andere grüne Stellen dieses Landes so wichtig. Und dann sind da noch die Probleme, die wir mit anderen Reichen haben und die Probleme, welche jene mit sich bringen, welche in der Unterwerfung Fremder den Segen für das eigene Land finden."
Der Mann blieb doch wieder stehen und atmete tief durch, Schweiß rann noch immer leicht von seiner Stirn, aber er schien seine Schmerzen für einen Moment vergessen zu haben. "Versteht mich nicht falsch, ich teile viel eurer Meinung und ihr viel meiner, so wie ich das sehe. Aber ich erkenne daraus nicht, wie man ändern kann. Wir tauschen wie die Gelehrten Weisheiten aus und verständigen uns auf sie. Das haben wir gemacht und ich habe es bereits genannt, insofern sind wir noch wie jene, die wir kritisieren. Aber ihr könnt, ebenso wenig wie ich es kann, bisher keine Handlungsweisen aufdecken, wie wir das ändern können. Wir haben beide den mahnenden Zeigefinger des Verständnisses und der Kritik gehoben, doch sitzen wir hoch oben in unserem Elfenbeinturm oder tief unten in unserer Marmorzelle. Wir müssen wissen, wie wir Dinge ändern können, nicht, wie wir Dinge nur benennen. Denn aus dem Benennen alleine ergibt sich keine Handlung. Unsere Worte sind nicht performativ[2]. Dadurch, dass wir uns austauschen, verändern wir noch nicht die soziale Wirklichkeit um uns herum, weil uns der Rahmen dafür fehlt. Und fehlt die Rezeption durch die anderen, durch den Ritus, durch unsere Stellung, durch unsere Möglichkeiten. Ich sehe, dass ihr einen wachen Geist habt, Xū Dǎnshí. Aber aus theoretischer Weisheit, vermag ich, für meinen Teil, nicht praktisch edel und weise zu handeln. Wenn ihr also wollt, dass eure Worte eine gewisse Performanz erreichen, dann müsst ihr mir dabei helfen.", erklärte der Kaisersohn gestenreich und lächelte dann wieder[3].
Sein Blick fiel wieder auf Sūn Ai. "Eure Worte sollten performativ werden, wenn ihr selbst keinen Weg in die Freiheit finden wollt, weil ihr es für unehrenhaft haltet und an die Gerechtigkeit unter Ungerechten hofft. Oder ihr solltet auf die performativen Worte anderer hoffen." Er lachte wieder, als er über die Worte Sūn Ais nachdachte. Er fand sie und ihre Ernsthaftigkeit in dieser Frage urkomisch und vielleicht beneidete er sie auch um ihre Standhaftigkeit. Er hatte die Theorie, dass die Denunzianten vielleicht Toren waren und deswegen nicht flohen, langsam verworfen. Stattdessen schien er wirklich Menschen in der Zelle zu sehen, die mehr als prinzipientreu waren. Das schien ihn zu verblüffen, aber auch zu gefallen.
Der Kaisersohn war sichtlich amüsiert über die Reaktion von Sūn Ai. Mit solch einer Reaktion schien er nicht gerechnet zu haben, weshalb die junge Psionikerin dem Militär ein ehrliches Lachen abtrotzte. Er hatte ein angenehmes Strahlen, wenn er die Mundwinkel verzog. Hinter den ernsten Worten und den Schmerzen durch die wunden Beinen, schob sich der augenscheinliche Charakter des Mannes durch, wie die Sonne durch die Wolken nach einem Regenguss.
"Ich gebe euren Worten grundsätzlich Recht, Xiao Sūn." Der Lächeln wollte trotz des ernsten Themas nicht weichen. "Es wird mit Sicherheit niemals eine perfekte Kultur geben, weil es immer Humanoide geben wird, welche sich nicht mit der Kultur identifizieren oder sich absichtlich gegen diese Kultur stellen[1], mit allen damit zusammenhängenden Folgen. Dabei spielt nicht immer nur die Befriedigung der Grundbedürfnisse eine Rolle, obgleich dies für die große Masse gelten dürfte, gerade für jene, welche mit der Erfüllung dieser Bedürfnisse Hilfe brauchen oder sich nur mit Mühe über Wasser halten." Jetzt schwand das Lächeln doch wieder, als er an Leid und das Platzen von persönlichen Träumen dachte. "Es kann sicherlich die Möglichkeit geben, einen gemeinsamen Nenner der Grundbedürfnisse zu finden. Und da ist etwas, wo ich einharken würde. Xū Dǎnshí hat davon gesprochen, dass er tätig werden würde. Das ist mir in dem Sinne nicht bekannt. Sein Einsatz für Cui Bao ja, aber seine Worte umfassen mehr als Dissidententum. Dort wird mehr als die Sorge um Cui Bao verborgen sein."
Er blickte jetzt direkt wieder den alten Mann an. "Eure Worten legen vor allem nahe, dass eine Volksgruppe gegenüber einem Reich immer wieder seine Bedürfnisse kommunizieren muss, dass ein Dorf sich immer wieder seine Bedürfnisse betreffend seiner Volksgruppe gegenüber kommunizieren muss, das Haus dem Dorf und die Kinder den Eltern, vielleicht sogar jeder seinem Nächsten, der ihm ernsthaft dabei behilflich sein kann. Wir haben festgestellt, dass die Lehrer dafür zuständig sind, aber sie nicht alleine, sondern jeder hat auch eine Eigenverantwortung. Dennoch müssen sie, die Lehrer, das auf den Weg bringen. Das wird sicherlich so sein.
Nun, ihr sprecht immer von praktischen Gründen, jedoch fehlt mir noch immer einen Ansatz, wie ich praktisch daraus handeln lernen kann." Trotz aller Freundlichkeit setzte Chuang Diyan zu einer Kritik an. Er ging inzwischen fast kontinuierlich umher. Entweder hielt er die Schmerzen nicht mehr aus, wenn er an einem Ort stand oder er hatte einen Laufrhythmus gefunden, welcher ihm das Laufen angenehmer machte.
"Überbevölkerung? Was sollen wir dagegen tun? Sollen wir die Bemühungen der Derwydd Cymdeithas einfach so verwerfen oder die unglaubliche Macht des Gartens, des immergrünen Herzens dieses Kontinentes aufgeben, damit wir wirklich alle natürlichen Ressourcen vertilgen können? Sollen wir wieder die Magie zulassen, um mit der Hilfe der Derwydd Cymdeithas die Länder wieder zu begrünen? Sollen wir durch Zucht und magische Manipulation die Tiere auf härtere Klimate anpassen, sodass wir auch Vieh in den Halbwüsten halten können? Oder sollen wir allen verbieten, dass sie sich lieben und vermehren? Sollen wir Cui Bao in Ruhe lassen, damit der Rest verreckt und Cui Bao in Frieden leben kann? Eure Kritik an der Landverteilung ist berechtigt, deswegen ist Cui Bao so wichtig, deswegen sind andere grüne Stellen dieses Landes so wichtig. Und dann sind da noch die Probleme, die wir mit anderen Reichen haben und die Probleme, welche jene mit sich bringen, welche in der Unterwerfung Fremder den Segen für das eigene Land finden."
Der Mann blieb doch wieder stehen und atmete tief durch, Schweiß rann noch immer leicht von seiner Stirn, aber er schien seine Schmerzen für einen Moment vergessen zu haben. "Versteht mich nicht falsch, ich teile viel eurer Meinung und ihr viel meiner, so wie ich das sehe. Aber ich erkenne daraus nicht, wie man ändern kann. Wir tauschen wie die Gelehrten Weisheiten aus und verständigen uns auf sie. Das haben wir gemacht und ich habe es bereits genannt, insofern sind wir noch wie jene, die wir kritisieren. Aber ihr könnt, ebenso wenig wie ich es kann, bisher keine Handlungsweisen aufdecken, wie wir das ändern können. Wir haben beide den mahnenden Zeigefinger des Verständnisses und der Kritik gehoben, doch sitzen wir hoch oben in unserem Elfenbeinturm oder tief unten in unserer Marmorzelle. Wir müssen wissen, wie wir Dinge ändern können, nicht, wie wir Dinge nur benennen. Denn aus dem Benennen alleine ergibt sich keine Handlung. Unsere Worte sind nicht performativ[2]. Dadurch, dass wir uns austauschen, verändern wir noch nicht die soziale Wirklichkeit um uns herum, weil uns der Rahmen dafür fehlt. Und fehlt die Rezeption durch die anderen, durch den Ritus, durch unsere Stellung, durch unsere Möglichkeiten. Ich sehe, dass ihr einen wachen Geist habt, Xū Dǎnshí. Aber aus theoretischer Weisheit, vermag ich, für meinen Teil, nicht praktisch edel und weise zu handeln. Wenn ihr also wollt, dass eure Worte eine gewisse Performanz erreichen, dann müsst ihr mir dabei helfen.", erklärte der Kaisersohn gestenreich und lächelte dann wieder[3].
Sein Blick fiel wieder auf Sūn Ai. "Eure Worte sollten performativ werden, wenn ihr selbst keinen Weg in die Freiheit finden wollt, weil ihr es für unehrenhaft haltet und an die Gerechtigkeit unter Ungerechten hofft. Oder ihr solltet auf die performativen Worte anderer hoffen." Er lachte wieder, als er über die Worte Sūn Ais nachdachte. Er fand sie und ihre Ernsthaftigkeit in dieser Frage urkomisch und vielleicht beneidete er sie auch um ihre Standhaftigkeit. Er hatte die Theorie, dass die Denunzianten vielleicht Toren waren und deswegen nicht flohen, langsam verworfen. Stattdessen schien er wirklich Menschen in der Zelle zu sehen, die mehr als prinzipientreu waren. Das schien ihn zu verblüffen, aber auch zu gefallen.
1. | Vgl. soziales Handeln bei Max Weber bspw. oder härter und deutlicher die Anomietheorie Durkheims, welche auch die von Xū Dǎnshí und Chuang Diyan aufgeworfene Problematik der Ressourcenallokation beachtet, wenn auch mit anderen, weil industriellen, Vorzeichen. |
2. | Performanz - Da auch Männer sich manchmal mit feministischer Forschung befassen, noch der Zusammenhang, woher ich jenes kenne: Judith Butler und ihre politische Theorie |
3. |