Esquel sah Rogav nachdenklich an und legte den Kopf dabei etwas schräg
"Einige Stunden Fußmarsch in nördlicher Richtung." Der Navigator wies in die ungefähre Richtung.
"Eigentlich sollten die Männer dort auch alleine klarkommen, aber wenn Ihr wirklich dort hin wollt, dann nur zu. Aber Ihr werdet nicht alleine aufbrechen, auch wenn Ihr ein Botschafter der Zwerge seid. Mit Ausnahme des Vulkans sind wir zwar bisher auf keine ernsthaften Gefahren gestoßen, aber dennoch haben wir keine Veranlassung jetzt leichtsinnig zu werden."Esquel sprach gelassen, aber dennoch lag ein unausgesprochener Befehl in seiner Stimme. Mit einem Mal schien es gar nicht mehr so abwegig, dass die stärkeren und größeren Matrosen zuvor so bereitwillig gespurt hatten, als der marandische Navigator sie zur Arbeit angetrieben hatte.
Deutlich jovialer fügte er hinzu
"Ich verlasse mich dabei auf Eure Ehrhaftigkeit. Wenn nichts weiter ist,... Ich habe hier noch einiges um das sich sonst niemand kümmert. Gebt Bescheid, wenn Ihr übersetzen wollt." Esquel wandte sich zum gehen.
Als Rogav sich um blickte bemerkte er, dass nur noch Miriel bei ihm stand. Gelirion bewegte sich in Richtung eines Bootes auf welches Ravok gerade aufstieg und Asha ging mit Assadra und Araki den Strand in nördlicher Richtung entlang, wo sich eine kleine Steilküste zu erheben begann.
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Der Matrose den Ravok angesprochen hatte zuckte nur mit den Schultern und drückte Ravok ein Ruder in die Hand. Ein anderer Matrose machte Ravok und Akayo platz und blieb dafür am Land. Als neben dem Waldläufer ein weiterer Matrose aufstand bemerkte er, dass auch Gelirion mit ihm übersetzen wollte. Als alle an Bord waren und noch einmal überprüft wurde, ob die Ladung auch wirklich festgezurrt war schoben zwei Matrosen das Boot vom Strand in etwas tieferes Wasser.
"Alles klar, dann wollen wir mal." Ein Matrose der im Bug des Schiffes saß gab den insgesamt vier Ruderern das Kommando zu rudern. Sie brauchten eine Weile bis sie die Weltenschmied erreicht hatten. Es war ein leichter aber beständiger auflandiger Wind aufgekommen, der das Übersetzen noch zusätzlich erschwerte. Aber Gelirion und Ravok konnte mit dem Rudertakt gut mithalten und schließlich machten sie längsseits der Weltenschmied fest und konnten über ein aus Seilen geknüpftes Netz auf das Schiff klettern. Auch wenn das Rudern leicht gemeistert war, waren doch beide Abenteurer froh, dass sie nicht noch beim Entladen des Bootes helfen mussten.
Auf dem Deck der Weltenschmied herrschte eine Rege Betriebsamkeit, Kommandos wurden gerufen, es wurde geflucht und geschrien. Überall liefen Männer mit Seilen, Kisten oder anderen Dingen bepackt herum. Das alles erinnerte ein wenig an die Abreise aus Hravar vor wenigen Wochen und brachte ein merkwürdiges zwiespältiges Gefühl mit sich. Vom Kapitän oder der Magistra war auf dem Deck allerdings auch keine Spur zu entdecken.
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Assadra blickte sich noch eine Weile um, während Asha und Araki gespannt warteten. Die Existenz eines Wesens wie Assadra hätten beide Frauen - weder Asha mit ihrer lebhaften Phantasie, noch Araki die auf den Wegen des Kriegers wandelte - nicht für Möglich gehalten. Und nun sollten sie noch einen weiteren Elementargeist zu Gesicht bekommen? Assadra hatte von ihrem
Bruder gesprochen, würde der Geist dann eher wie ein Mann erscheinen?
Der Berggeist schien weniger aufgeregt zu sein und blickte beinahe geschäftsmäßig umher bis sie etwas entdeckt zu haben schien und sich ein sanftes Lächeln in ihr Gesicht stahl.
"Kommt wir gehen nach Norden. Dort hinten beginnt eine Steilküste und das Wasser ist dort tief genug, dass Istil zu uns kommen kann und wir nicht zu ihm hinaus gehen müssen."Sie schritt den beiden Abenteurerinnen voraus, bei jedem Schritt ihren Stab aufsetzend, ziel gerichtet auf einen Punkt zu den Asha und Araki noch nicht entdecken konnten. Nach einigen hundert Schritten hielt Assadra an. Sie standen nun an einer Klippe, die während ihres Marsches stetig angestiegen war und an diesem Punkt ihren Höhepunkt von etwa vier Metern erreichte. An ihrem Fuße brandete das Wasser mit zunehmender Intensität gegen den Felsen, der schon ein wenig ausgehölt war. Eine stramme Brise kam von der See her und zog an Kleidern und Haaren.
Der Berggeist sah zu ihren Begleiterinnen und sprach mit erhobener Stimme gegen den Wind an
"Bleibt hinter mir und verhaltet Euch ruhig. Auch Istil ist euch Sterblichen nicht böse gesonnen, aber pflegte er nie den Umgang mit Euresgleichen. Ihr braucht also keine Angst zu haben, aber er wird wohl nicht so aufgeschlossen Euch gegenüber sein wie ich zum Beispiel." Assadras Ton war durchaus als ernst zu bezeichnen und als sie sich vergewissert hatte dass Asha und Araki sie verstanden hatten wandte sie sich der aufgewühlten See zu und trat bis an den Rand der Klippe heran.
"Ich bin es Bruder. Bitte komm zu mir." Araki und Asha vernahmen die Stimme des Geistes wieder gleichsam in ihren Ohren als auch in ihrem Kopf. Eine ganze Zeit lang geschah gar nichts, doch Assadra verharrte regungslos an ihrem Platz, also warteten auch die beiden Frauen. Einige Augenblicke später registrierten sie, dass die Wellen stärker gegen die Felskante schlugen und immer wieder Gischt auf sie hernieder prasseln ließen. Von der Neugier getrieben wagten sie die beiden näher an die Kante heran und sahen mit Erstaunen, wie das Wasser in rascher Geschwindigkeit anstieg, als wolle es die Steilküste und mit ihr die ganze Insel verschlingen. Doch eine handbreit unterhalb pendelte sich der Wasserstand ein und nach einer Weile war ein dunkler Schatten in dem Wasser auszumachen, er schwoll stetig an und mit einem Mal erhob sich etwas monströses aus den Fluten.
Sowohl Araki als auch Asha hatten schon Geschichten über Seeschlangen gehört, doch dieses Wesen war noch viel beeindruckender als sie es sich je hätten ausmalen können. Es hatte einen mächtigen grünen Schädel in dem mindestens zwei der Landungsboote der Weltenschmied gepasst hätten. Lange schwarze Zähne drängten sich dicht an dicht in seinem Maul und eine lange Reihe aus grünen Zacken wand sich von der Stirn entlang des Rückgrates der Seeschlange hinab. Der Kopf der Seeschlange schwebte wenige handbreit von Assadra entfernt und große gelbe Augen wie zwei Scheiterhaufen blickten den Berggeist an.
"Was begehrst du Schwester? Und warum habe ich schon so lange nicht mehr von dir gehört." Wenn es das Seemonster war, dass da sprach dann geschah dies auf eine Weise, die die beiden Frauen nicht verstanden. sie hörten eine Stimme, aber die Schlange bewegte sich kaum und ihre Kiefer bewegten sich - glücklicher Weise - gar nicht.
"Ich bitte dich um Passage, ich möchte das Schiff der Sterblichen besuchen dass dort vor der Insel ankert. Du hast nichts von mir gehört, weil ich für eine lange Zeit gefangen war, aber ich -" Assadra verschlug es die Sprache, denn die Schlange hatte nun tatsächlich ihr Maul geöffnet und ein grausames Grollen ging davon aus, so dass es die drei Bittsteller beinahe zu Boden geworfen hatte. Dabeischwappte Meereswasser über die Klippe und umspülte die Knöchel von Araki und Asha. Es war eisigkalt und machte die beiden fröstelnd.
"Beruhige dich, Istil. Ich erkläre es dir später, vorerst sei versichert, dass ich wohlauf bin." Assadra musste förmlich brüllen um die wütende Seeschlange zu übertönen. Doch das Monstrum beruhigte sich wieder und schloss auch wieder sein Maul. Sie blickte nun zum ersten Mal an Assadra vorbei und fokussierte nacheinander Araki und dann Asha. Es war als streifte das Wesen ihnen Kleidung, Haut und Fleisch Schicht für Schicht ab, bis nur noch ein kläglicher nicht mehr reduzierbarer Rest verblieben war und dieser wurde genaustens geprüft. Nach einer gefühlten Unendlichkeit lies das Wesen wieder ab und sah Assadra eine ganze Weile lang stumm an. Der Berggeist sah ebenso ausdruckslos zurück und es schien ein wenig absurd wie sie hier alle so waren stumm und in Stein gemeißelt.
"Du bist wie immer in meinem Reich willkommen, Schwester und als Gegenleistung für meinen Rat fordere ich ein Gespräch sobald du mit den Sterblichen fertig bist." ohne ein weiteres Wort tauchte das grüne Ungetüm unter und schien verschwunden, auch das Wasser senkte sich nach einigen Augenblicken wieder ab und neben dem ständig präsenten Geräusch des Windes kehrte abermals Stille ein
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Roekia befand sich auf dem Rückweg. Esquel hatte ihn unter vielen Flüchen mit einigen anderen Männern ausgesandt um zwei Kundschafter zu bergen, die in eine Erdspalte gefallen waren. Es hatte einige Zeit gedauert bis sie endlich an diesem morgen gefunden werden konnten. Beide waren verletzt, so dass sie nicht gehen oder klettern konnten. Der Rettungstrupp hatte angefangen eine Liege zu bauen, mit der die Verletzten geborgen werden könnten, als Arnulf, das war der Soldat dem Esquel das Kommando über die Rettungsgruppe erteilt hatte, Roekia zurück zum Basislager geschickt hatte, um Bericht zu erstatten. Nach Arnulfs Einschätzung würden der Trupp mit den Verletzten spätestens abends am Strand eintreffen.
Um das Lager nicht zu verfehlen hatte sich Roekia schnell an die Küstenlinie bewegt, um von dort nach Süden zum Lager zu gelangen. Eine ganze Stunde war er nun schon mindestens unterwegs und allmählich begann er sich zu langweilen. Gemächlich lies er Gautstafr vor sich hin traben und hing einigen Gedanken nach während er sich in der Gegend um blickte.
Beinahe wäre er vom Sattel gefallen, als er etwas sah, das so unglaublich war, dass mehrmals hinsehen musste um sicher zu gehen, dass seine Augen ihm keinen Streich spielten. Dort an der Klippe war eine leibhaftige Seeschlange, sie streckte ihren Kopf aus dem Wasser und vor ihr standen drei Menschen, soweit Roekia das von hier aus erkennen konnte. Die Schlange verharrte seelenruhig vor den drei Personen und letztere blieben in der Gegenwart des grünen Schreckens ebenfalls eher gelassen.
Roekia stieg von seinem Pferd und pirschte etwas näher heran. Er fand eine Ansammlung von Büschen die ihn und Gautstafr vor Blicken schützen und begab sich in deren Deckung. Von hier aus konnte er auch mehr erkennen. Zwei der Menschen kannte er. Das hieß vielmehr dass der eine Mensch tatsächlich eine Orkin war. Er hatte sie schon mehrmals an Deck gesehen, aber noch nie mit ihr zu schaffen gehabt. Auch mit der anderen Person hatte Roekia noch keinen Kontakt gehabt, allerdings hatte er genug über sie gehört um zu wissen, dass die blonde Kriegerin die dort stand Prinzessin Asha war. Tochter des Herzogs Catari, der ein großes Lehen unweit von Roekias Heimat besaß.
Aber die dritte Person kannte er nicht und hatte sie auch noch nie an Bord der Weltenschmied gesehen.
[2]Mit einem Mal verschwand die Seeschlange - Roekia konnte immer noch nicht glauben was er da sah - wieder in den Fluten und es schien als sei nichts gewesen. Erschrocken fuhr er zusammen als er das Zupfgeräusch neben sich wahrnahm, dass schon seit einer geraumen Weile präsent war, aber bis gerade eben noch nicht bis zu seinem Bewusstsein vorgedrungen war. Sein Pferd fraß die Früchte des Strauches hinter den Roekia es geführt hatte gemächlich aber dennoch voller Wonne. Dabei zupfte es die gelben etwa faustgroßen Leckereien einzeln von der Pflanze ab, welche dadurch immer wieder erbebte.