"Was bleibt uns über? Was außer das Kloster zu betreten, bleibt uns über? Jetzt schon einen Kampf riskieren, ohne zu wissen, was uns erwartet? Ins Innere gehen und in die Arme einer Übermacht laufen? Was zu tun ist, das hängt nicht von rationaler Überlegung ab, denn dazu haben wir zu wenig Informationen. Wir wussten, dass wir Wahnsinniges taten, als wir uns auf einen Höllenritt einließen und das einzige, was noch wahnsinniger ist, besteht darin, jetzt aufzugeben, wegzulaufen und einzeln zu sterben. Wir müssen es wagen, zu hoffen und unser Glück herausfordern.", dachte der ehemalige Ritter erschöpft, während er sich weiter dem Zugang näherte. Aufgrund ihres schnellen Aufbruches hatten sie nur wenige Informationen über das Kloster und selbst die geflohenen Jägerinnen wussten wohl kaum, was wirklich hinter diesem Tor warten mochte. Tyromes Wahnsinn lag nicht darin, am Rande des Abgrundes namens Tod zu kämpfen, denn das tat er seit über zwei Dekaden. Sein Wahnsinn bestand darin, dies unverbereitet gegen einen an sich unbekannten Gegner tun zu wollen, der so viel Vorsprung hatte, dass ihnen nichts anderes übrigblieb als diesen Funken Hoffnung und Wahnsinn mit der Inbrunst eines blinden Zeloten zu jagen, nur die Wärme spürend, aber keinen Weg sehend.
"Lasst uns gehen.", sagte Tyrome lakonisch zu seinen Gefährten und zeigte mit der Hand an, dass sie das Kloster betreten würden. Es gab keinen Weg mehr zurück, selbst eine erfolgreiche Flucht war keine Alternative. Es mochte das individuelle Leben mancher Gefährten verlängern, aber nur auf Kosten der anderen und der vielen Unbekannten, welche unter den Heerscharen des Feindes zertreten und entweiht würden. Und dass würde schlussendlich auch sie entweihen und sie würden zertreten werden. Tyrome hatte sich damit abgefunden, dass es an diesem Ort passieren mochte. Dass sein Weg trotz des Versprechens an den Hauptmann an diesem Tag enden könnte. Mit diesem Wissen war er in viele Schlachten gezogen, auch wenn dieser Kampf ein anderer, ein aussichtsloserer war. Kein Geplänkel unter machtgeilen Menschen, sondern ein Kampf, der für die Gesamtheit deutlich existenzieller war. Es war Balsam für die Seele des ehemaligen Ritters, zu wissen, dass er nicht für ein paar Ar Land sein Leben wegwarf, sondern für eine ehrliche, wenn auch vielleicht törrichte Hoffnung. Und so mochte Tyromes Tod kommen, der Ritter hatte schwarzes Tuch über seiner Rüstung. Der Bestatter trug die Zeichen seiner Profession bei sich, in seinem Leben war der Tod immer allgegenwärtig. Jetzt würde er widerwärtiger und auch unheilige Weise nicht mehr endgültig sein, dessen war sich der Landadelige bewusst. Aber machte dass ihre Aufgabe weniger ehrenvoll? Es nahm dem Tod die Verlockung des Auswegs, aber war das nicht erst ein Ansporn nicht aufzugeben, wenn man von Feinden umzingelt war?
Sein Tod mochte an diesem Tag kommen, aber er musste dem Zweck dienlich sein. Es war keine Akzeptanz des nahenden Todes, aber die Akzeptanz des Wissens, dass die Gefahr allgegenwärtig war und sein Sterben nicht immer zu verhindern sein würde. Eine Sache, die Tyrome sich immer wieder vergegenwärtigen musste, vor jedem Kampf. Sterben wollen, das tat er nicht, nicht bevor Bischof Lazarus an seinem Streithammer zugrunde gegangen und Tyrome seine Schuld bei Hauptmann Reaves erfüllt hatte.
Entschlossen betrat er das Kloster.