Runde 1
Nachdem Oblivio die Tür aufgestoßen hatte, schallte ihnen erneut das krächzende Quietschen der Bronzetür entgegen - und dann: Das Klappern von Knochen, das Schaben von rostigen Krummsäbeln und das hämische, zischelnde Lachen einer alten Bekannten: Sie hatten ihr Ziel erreicht - sie hatten die varisische Gelehrte Ieana und ihre dunkle Gefolgschaft gefunden! Ihre Vermutungen bestätigten sich, und sie waren schlimmer als erwartet! Ieana schien in Wahrheit eine Schlangenvolkfrau zu sein, die sich geschickt und magisch verkleidet hatte! Nun allerdings trat sie in ihrer ursprünglichen Gestalt auf - sie hatte jegliche Deckung fallen gelassen - und ihr Gelächter verriet sie sofort...
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TÖRICHTE NARREN! IHR HABT ES GEWAGT MIR IN DEN TEMPEL DES BLUTES ZU FOLGEN?! Ich verfluche euch!..."Sie donnerte plötzlich los, als sie die Gefährten endlich erblickte - der Lärm, den die Falle gemacht hatte, hatte sie bereits über das Eintreffen von Fremdlingen informiert, und wer konnte das schon anderes sein - die alten Gefährten von der
Jenivere! Noch bevor Yarzoth weitere Worte verlieren konnte schlugen plötzlich unerwartet die Skelette vor den Gefährten im Türrahmen los - nicht besonders gezielt: Aber trotzdem zog sich Halas Martain eine tiefe Schnittwunde von einem der rostigen Säbel zu!
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HALTET EIN MEINE TREUEN - SIE SOLLEN SICH ERKLÄREN!"
Sofort hörten die Skelette auf zu kämpfen und starrten ihr Gegenüber mit glühend roten Funken in den leeren Aughöhlen an. Im Hintergrund des Tempelraumes konnten die Gefährten noch weitere Feindseligkeit spüren - und fürwahr, dort sahen sie mehrere Schlagen, rote und grüne Vipern, die sich durch den Raum auf die Türen zuschlängelten und gefährlich zischelten. Sie krochen an den Säulen empor, welche den Raum trugen und wanden sich durch den Blutfluss, welcher auch diese Kammer durchzog!
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Gestatten, Yarzoth mein Name - ihr kennt mich wahrscheinlich besser als 'Ieana, die Gelehrte' - was macht ihr hier! Ihr wagt es meine Arbeit erneut zu stören, immer noch?! Ihr solltet tot sein, längst, solltet den Niedergang der Jenivere nie überleben! Erklärt euch, sofort!"
Die Schlangenvolkdame blickte grausam-befehlend zu den Gefährten hinüber und fixierte die Vordersten mit ihrem stechenden Blick. Ihre zischelnde Stimme säuselte durch die Kathedralenhalle und verursachte ein unangenehmes Ziepen im Gehörgang eines Jeden: Dies hier war also die wahre Gefahr - sie hatten es so lange geahnt - hier waren sie nun!
Der Ausstaffierung dieser kathedralenartigen Höhle nach, musste sie einst der bedeutsamste Tempel eines abscheulichen Gottes gewesen sein. Im Westen führten einige Stufen hinauf zu einem Schrein, auf dem die übermannsgroße Statue einer wunderschönen Frau mit Fangzähnen steht - vor ihr mit ausgebreiteten Armen einer Herrscherin: Yarzoth! Das einzig Verstörende an der Statue war, dass sie anstatt der Arme zwei aufgerichtete Fledermausschwingen besaß und statt Füßen endeten ihre Beine in scharfen Klauen! Sie ragte drohend über einen glänzenden Altar aus blutrotem Stein auf. Der Altar schien Blut in einen tiefer gelegenen Kanal zu weinen - in dem sich die Schlangen nur so suhlten. Dieser Kanal verlief entlang der gesamten Länge des Raumes, bevor er schließlich zwischen zwei Bronzegittern in der Westwand verschwand. Die weite Öffnung hinter der Barriere führte in finsterste Schwärze hinein. Steinerne Säulen stützten die hohe Decke und zwei trockene Brunnen blickten sich von den gegenüberliegenden Wänden des Raumes an. Drei große Alkoven - einer im Süden und zwei im Norden - enthielten allen Anscheins nach weitere komplexe Wandreliefs. Die Luft in der gesamten Kammer war unnatürlich kalt und gelegentlich geisterte ein seltsames, körperloses Wispern durch den Raum...
Yarzoth, gekleidet in ihr schuppiges Kleid, gewandet mit einem langen Umhang, der einer Art Mönchskutte zu gleichen schien. Reich verziert mit giftgrünen Bordüren und roten Stickereien. Unbekannte Symbole und Schmuck an ihrem Hals. Eine langgezogene Schnauze, die einer Schlange, und leuchtend blaue Augen. Krallige Hände, ein hin und her peitschender Schwanz, und doch stand sie auf ihren Füßen! Um ihren Körper waren mehrere Lederbehälter geschwungen, wie man sie für Schriftrollen verwendete - ihre Hände zuckten verräterisch unruhig umher...
Es mochte gut sein, dass niemand seine Beweggründe richtig verstand, aber Halas hatte einen höheren Pfad des Guten eingelegt.
Und in diesem stand zwischen ihm und dem ultimativen Bösen eben nichts - auch keine verletzten und verstümmelten Gefährten, aber auch nicht die Befreiung von einer gefangenen Gefährtin.
Was sollte Halas auch groß beim Halbork machen, wenn selbst der Nethyspriester Jask dem Abadarinquisitor Tolkwy nicht mehr helfen konnte, denn auch er konnte kein Bein wieder herbeizaubern.
Was wäre dies für ein Leben, zumal der Inquisitor wahrscheinlich just in diesem Moment seinen Glauben gezeigt hätte und im Namen seines Gottes einen hohen Preis verlangt hätte.
Ebenso sollte der Nethyspriester genau überlegen, über wen er gerade urteilte, denn Halas brachte wenigstens keine Zerstörung mit sich wie der zweigesichtige Gott der Magie.
Halas dagegen sah die Sache sehr klar:
Das Opfer und den Tribut für den Kampf gegen die Vernichtung der Menschheit konnte halt nicht jeder verstehen - und das es Opfer geben würde, war wohl nur ihm klar.
Große Opfer würde es geben.
Vielleicht wäre auch der Mystiker eines der Opfer, denn da kassierte er schon den ersten Treffer.
Dennoch war er entschlossen - das hatte nichts mehr Kaltschnäuzigkeit oder fehlender Menschlichkeit zu tun.
Und so waren seine Worte, während er seinen Zauberstab ersteinmal wegsteckte, von sehr kurzer Natur:
"Mein Name ist weiterhin Halas Martain - Vorkämpfer von Andoletta und Schlächter von Klorak dem Roten! Ich werde Dich verlogene Schlage enthaupten wie es Savith mit Eurem Ydersius getan hat!", um anschließend mit nur einem Schwerthieb das Skelett vor sich zu vernichten, nachdem dieses ihm einen hässlichen Kratzer verpasst hatte.
Zumindest auch sein gut geschmiedetes
Langschwert konnte das Orakel des Wissens sich immer verlassen.
Halas wollte offenbar keine Verhandlungen und Oblivio wollte seinem Mitstreiter hilfreich zur Seite stehen. Er griff dann einfach mit seinen beiden Sais das Skelett direkt vor sich an. Gar so sehr auf das Ausweichen von Schlägen konzentrierte er sich noch nicht und griff auch nicht seine innere Kraftreserven an. Er wollte erst schauen wie sich dieser Kampf entwickeln würde.
Simue hielt sich, so gut es ging, im Hintergrund, unauffällig und leise. Was sie aber tat, war einen Zauber zu wirken, der die Kampfkraft ihrer Gefährten stärken sollte. Und so wirkte sie ihre Magie auf Oblivio...
"Geht nach vorn, sobald Ihr Platz habt.... los, los... schickt die Gebeine auf Pharasmas Acker."
Kaspian wirkte ungeduldig und brauchte Platz, um sicher angreifen zu können.
Die Erwartung, der falschen Schlange endlich das Handwerk zu legen war verlockend. Sehr verlockend.
Kwazeel Zethuka hielt sich bedeckt im Hintergrund und wartete darauf, dass seine tapferen Gefährten in den innersten Tempel vorrückten...