Mit einer weiteren tiefen Verbeugung verneigte sich Kaveh vor Jamal. Zwar sprach er davon, dass Kaveh ihm nicht zu früh danken sollten, aber Jamal konnte kaum wissen, wie sehr Kaveh nach dieser Aufgabe lechzte. Dass Kaveh nicht die Sicherheit des heimischen Zeltes oder des Schoßes einer Frau begehrte, sondern den Kampf gegen einen mehr als ebenbürtigen Feind. Gegen einen ebenbürtigen Feind zu kämpfen, von Angesicht zu Angesicht, das hatte seinen Reiz, dem der Schmied nicht abgeneigt war, obwohl er nicht der beste Zweikämpfer. Kaveh liebte es auch, sie im Armdrücken, im Bogenschuss oder in allen anderen Disziplinen zu messen, selbst wenn er sie nicht beherrschte und zur Niederlage durch sein fehlendes Können verurteilt war. Selbst dann war das gewonnene Wissen von Nutzen. Vielen verstanden dieses Wesen nicht, die Inquisitoren verstanden es jedoch. Es war ein Teil ihrer Ausbildung ewiglich zu scheitern und wieder und wieder zu scheitern. Jene, die daraus Stärke gewannen, sie wurden Inquisitoren, denn Hrâuns Inquisitoren durften keinen Hochmut leben, sondern nur Großmut. Sie mussten funktionieren, fernab dieser eingebildeten Konzeptionen von Hoffnung, ohne ein Glaube an Glück und wohlgefälligen Zufall. Sie musste die Welt aller falschen Schönheit entkleiden, ehe sie ihr entgegentreten konnten. Dennoch leistete er keine Widerrede, als Jamal davon sprach, dass er ihm später danken sollte. Kaveh machte sich nichts aus falschem Stolz. Er nahm die Wortes seines Hauptes hin wie sie fielen.
Stattdessen widme er sich seinen Gefährten und Jamals Fragen. Kaveh hielt seinen Kniefall in Position, er schien sich kaum zu bewegen. Nur wer ihn länger beobachtete, der sah die Atembewegungen, ansonsten war er bewegungsarm wie ein Chamäleon, und er konnte diesselbe Antwort geben wie Nuwairah. "Eins mit den Schatten zu sein, das bedeutet nicht nur die Schatten zu nutzen, sondern wie einer zu sein. Aber in Vecors Stadt wird es nicht nur Schatten geben, wir werden auch in seinem sinistren Lichte wandeln. So will ich euch und mir helfen, dass unsere Gesichter Masken der Sonne sein."
Während Badawi dann sprach, sinnierte Kaveh über die Geschichte über die Gläubigen Giordans. Eine Geschichte, wie sie unzählige Male in der Wüste vorkamen. Kaveh versuchte sich zu entsinnen, wie viele zerstörte Zeltstädte, geschliffene Ruinen und verheerte Karawanen er in seinem Leben gesehen hatte. Jede war ihm vor dem geistigen Auge geblieben. 37 zerstörte Orte an Oasen samt Zeltstädte, sechszehn zerstörte Befestigungen und Tempel, sowie 107 zerstörte Karawanen in fünfzehn Vulkanzyklen. In etwa 5000 Tagen hatte 160 mal größte Zerstörung und sinnloses Schlachten gesehen, nie konnte er alleine helfen, nur hier und da wenige Verwundete, die man für tot hielt, vor dem Schnitter retten. Es war schmerzhaft, einmal pro Mondzyklus größte Zerstörung zu sehen, aber es war sein Weg. Die Anblicke der Gräueltaten waren das Feuer, in dem er geschmiedet wurde, sein Gewissen war der Schmiedehammer, der ihn in Form schlug, und das Blut der Opfer, war das Wasser, was ihn härtete.
"Tiere dienten mir als Nahrung, nie als Arbeitstiere. Meine Ausbildung vernächlässigte den Umgang mit ihnen. Aber ich werde lernen.", sagte Kaveh kurz und bündig. Es schmerzte ihn nicht, seine Unzulänglichkeiten im Haus der Verbündeten zu erklären und schildern. "Mit eurer Erlaubnis, mein Herr, würden wir uns jetzt für den Aufbruch vorbereiten, wenn es nichts mehr zu sagen gibt. Und dann so schnell aufbrechen, wie Wetter und Hitze es zulassen."