Marlan sah die drei Männer ernst an, dann nickte er. "Es gibt einen anderen, weniger gewichtigen Schwur", erklärte er plötzlich. "Aber wenn die Wacht von besonders großer Bedeutung ist, dann müssen wir diesen großen Schwur abverlangen."
Er wandte sich um, den Blick in den Nebel gerichtet. "Bitte kommt zu uns."
Einen Moment später trat eine Gestalt aus dem Nebel. Eine Menschenfrau, wie es schien, aber alt - wirklich alt. Sie trug zerschlissene alte Kleider, mehrere Lagen übereinander, und ihr Lächeln entblößte dreckige, kranke Zähne, die viel zu groß für ihren Mund erschienen. Sie musste weit über hundert Jahre alt sein, vielleicht sogar über hundertundfünfzig - falls Menschen so alt überhaupt werden konnten.
Marlan drehte sich wieder zu den drei Männern um, die nun zu den Nebelwachen gehörten. "Das ist die ehrwürdige Seherin Kay. Sie kam vor kurzem in unsere Stadt, weil ihre Visionen sie hierher geführt haben. Sie brachte viel interessante Kunde aus den entfernten Landen, aber vor allem hat sie uns eine sehr wichtige Sache klar gemacht. Die Welt befindet sich in einem Umbruch. Es geschehen Dinge, Ereignisse, die das Schicksal von uns allen, nicht nur hier in der Stadt, sondern auf ganz Thaikaris, in eine neue Richtung lenken können."
Die Alte nickte den drei Männern zu, blieb aber schweigend neben Marlan stehen.
"Vor langer Zeit wurde eine Nebelwacht zur Großen Schlucht geschickt. Einer von euch, Borgin, wurde schon damals zur Wacht gerufen." Die Augen des Zwergs wurden groß, und er schnappte kurz nach Luft. "Es war eine Mission, bei der es um die tiefen Geheimnisse der Schlucht selbst ging. Obwohl die Wacht es geschafft hat, einige sehr schlimme Dinge zu verhindern, scheiterte die eigentliche Aufgabe der Mission. Und nicht nur das, ein Mitglied der Gruppe verschwand für immer in der Schlucht."
Borgin schüttelte den Kopf. "Nein... nein, Mar.. ehrenwerter Marlan, das könnt ihr nicht verlangen! Sagt mir nicht, wir wiederholen die Aufgabe von damals!"
Marlan sah den Zwerg mit einem verständnisvollen, aber auch unnachgiebigen Blick an. "Im Nebel der Großen Schlucht lebt eine mystische Kreatur. Gelangt sie an die Oberfläche, stellt sie eine Bedrohung für das Leben auf Thaikaris dar. Es handelt sich um Lukush, die Schlange der Schatten. Die Aufgabe der damaligen Nebelwacht war, Lukush zu vernichten. Es gelang, ihn in den Nebel zurück zu treiben, aber er überlebte. Und nun steht er kurz davor, wieder an die Oberfläche zu kommen. Er muss aufgehalten werden, um jeden Preis."
Nun trat die Alte, Kay, wie Marlan sie genannt hatte, einen Schritt nach vorne. "Macht euch keine Sorgen, meine Jungen. Denn dieses Mal seid ihr nicht alleine. Ich werde euch begleiten, und mit meinen Kräften zur Seite stehen. Ich mag alt und keine große Kämpferin sein, aber ich kenne noch den einen oder anderen Trick. Und ich weiß eine Menge über die Zukunft..."
Marlan nickte. "Das ist richtig. Mit Kays Hilfe kann es gelingen, Lukush zu vernichten. Und..." Nun sah er wieder zu Borgin. "Vielleicht gelingt es auch, Merya zu finden, die damals im Nebel verschwand. Wenn wir die Zeichen richtig deuten, dann... lebt sie noch. Sie ist noch dort, auf der Jagd nach Lukush."