Auch wenn Dana das Gespräch begonnen hatte, hatte sie sich im Verlauf dessen bisher zurückgehalten. Äußerlich wirkte sie gelassen, nachdenklich, aber doch aufmerksam. Aber die neutrale Einstellung war nur Fassade. Sich aus einem Gespräch zurückzuziehen und stattdessen nur zuzuhören, war, wie Ichabod wusste, nur ihre Art, wenn sie ziemlich angespannt war – alternativ zu ihrem Schweigen wusste sich die temperamentvolle Varisianerin in solchen Fällen aber auch durchaus auch gegenteilig zu verhalten, weswegen ihre Zurückhaltung wahrscheinlich die angenehmere Option für alle Beteiligten darstellte.
Ihrem Exmann hatte sie knapp zugenickt, als dieser angesprochen hatte, später mit einem Schnaps auf seine verschiedenen Eltern und den guten Professor anzustoßen. Dazu war sie gern bereit, denn dies war ein besonderer Anlass. Dana war zwar nicht abstinent, aber in der Regel ließ sie eigentlich ihre Finger von Alkohol. Dieser mochte zwar für ein lockeres Gemüt sorgen, doch sie hasste den Gedanken daran und das Gefühl, ihren Körper nicht mehr vollkommen unter Kontrolle zu haben – von den Folgen des Trinkens ganz zu schweigen, denn ihr Körper war das wirklich nicht gewohnt und sie vertrug nicht viel. Gegen eine Runde hatte sie nichts einzuwenden. Hoffentlich würde es dabei bleiben.
Die Finger von Danas rechter Hand trommelten kaum hörbar auf der Tischplatte einen Rhythmus, während sie das Geschehen musternd verfolgte.
Die kurze Sequenz zwischen Ichabod und Jadar, als dieser Beileid für den Tod der Cranes bekundete, ließ sie ohne merkbare Reaktion ihrerseits verstreichen. Vielleicht genoss ein Teil von ihr, dass ihr sonst fast schon vorlauter Exmann nun keine schlagfertige oder zumindest selbstsichere Antwort parat hatte, sondern sich von Jadars Reaktion, die er offenbar so nicht vermutet hatte, irritieren ließ. Schadenfreude war ihr nicht fremd. Der Tod von Ichabods Eltern tat ihr noch immer leid, keine Frage, aber dies gab ihr ja auch nicht die Genugtuung, sondern sein plötzliche, schmollende In-sich-Gekehrtheit, weil etwas nicht so verlief, wie er es sich ausgemalt hatte. Ja, in gewisser Weise war sie noch wütend auf ihn und versuchte auch gar nicht, dies hinter dem Berg zu halten. Diese Wut galt nicht seinem Benehmen den Dorfbewohnern, sondern ihr gegenüber. Das war wiederum nicht unbedingt auf die aktuellen Ereignisse bezogen. Es wühlte sie noch immer auf, trotz ihrer Trennung in seiner Nähe zu sein und ihn hören und sehen zu müssen, da empfand sie es nur als gerecht, dass er einige Dämpfer erfuhr.
Branns Erzählung hingegen beunruhigte Dana auf andere Weise. Warum hatte der Professor solche Bücher in seinem Besitz? Sie erinnerte sich gut an den Gelehrten und auch daran, dass dieser in seinem Testament den Nutzen des Wissens über die Natur seines Feindes erwähnt hatte, jedoch wäre es wohl wirklich fatal, wenn solche Schriften in die falschen Hände gelangen würden. Insgeheim gab sie ihrem Exmann sogar Recht, dass dieser den Söldner ermahnte, so etwas nicht in der Öffentlichkeit auszusprechen, jedoch erntete Ichabod dafür, dass er Brann einen Holzkopf nannte, einen kritischen Blick mit hochgezogener Augenbraue von seiner Exfrau.
Was Kendra betraf, hatte Dana nicht die Absicht, sie hier in Ravengro zurückzulassen, wo sie alle nun akute Gefahr vermuteten. Der Professor hatte sich schon etwas dabei gedacht, als er darum gebeten hatte, dass seine Trauergäste auf seine Tochter achtgaben. Dana wäre auch bereit, länger als einen Monat zu bleiben, sollte dies nötig sein – selbst wenn dies bedeuten würde, dass sie mit Ichabods Anwesenheit irgendwie zurechtkommen müssen würde, wenn sich dieser ebenfalls dazu entschließen würde, länger zu bleiben. Dass Ichabod auf jeden Fall den gewünschten Soll erfüllen würde, hatte er mit Worten deutlich gemacht – wie Jadar, darauf folgend, ebenfalls. Dana legte Kendra jedoch ermutigend die Hand an den Arm, um ihrerseits zu zeigen, dass sie nicht abreisen wollte.
Schlussendlich ergriff Dana dann aber doch wieder das Wort.
„Vater Grimburrow hat zwar seine Augen vor dem Problem an sich verschlossenen“, fügte sie an, denn sie wollte die anderen nicht völlig demoralisiert lassen. „Doch hat er eingelenkt und gesagt, er würde zumindest auf unsere Bitte eingehen und am heutigen Nachmittag nach der Ausrüstung zu sehen – es bleibt abzuwarten, was sich aus dieser Angelegenheit ergibt. Das Gespräch mit dem Vater verlief schon nicht sehr erfreulich, aber das mit dem Stadtrat war wohl eine Katastrophe.“ Viktor hatte niemandem bestimmten die Schuld gegeben, aber dass Dana bei ihren Worten Ichabod ansah, war kein Zufall und vermutlich auch nicht unauffällig, da sie zuvor allgemein in die Runde geblickt hatte.
„Doch nun lasst uns erst einmal etwas zur Ruhe kommen und an einem ungestörteren Ort über diese ernsten Themen unterhalten“, schlug sie vor. „Wenn wir uns gestärkt haben, fällt uns die Beschäftigung damit sicherlich auch etwas leichter.“
Schon kam auch Zokar Elkarid mit den bestellten Getränken. Dana nahm ihren Tee dankbar entgegen und nippte vorsichtig an dem heißen Getränk. Sie spürte etwas Anspannung von sich abfallen. Das folgende Mahlzeit würde ihre Laune bestimmt auch wieder heben. Wenn sie Hunger hatte, konnte sie wahrlich unausstehlich werden.