"Sie verspotten dich, alter Mann. Spürst du es nicht auch? Sie fragen jeden Mann in dieser Feste danach, ob er diesem Elfen helfen kann. Jeder wird als Heiler angesehen und nach Hilfe gefragt, jeder darf sich kümmern, jeder darf sich einmischen. Nur jenen, dem sie diese Ordnung und Hinweise zu verdanken, der die Untersuchungen eingeleitet hat, der am meisten darüber herausgefunden haben wird, den fragen sie nicht einmal, obwohl er ein eigenes Behandlungszimmer in diesen Wänden hat. Pah! Undank ist der Welten Lohn, alter Mann. Siehst du, wie sie deiner spotten und jeder anderen Person, die nicht ihrer selbstgegebenen Hierarchiestufe entsprechen?" Die innere Stimme lachte diesmal nicht. Sie klang ernst, etwas resigniert. "Schau dir Gelirion und seine Handlanger an, wie sie zu glauben, bestimmen zu können, für wen eine Nachricht bestimmt ist und für wen nicht. Wer sie ertragen kann und wer nicht. Wer sind sie, glauben zu können, dass sie zu bestimmen hätten, was die Wesen um sie herum zu wissen hätten und was nicht. Immerhin hat der kleine Omrah Mut, und auch du hast mehr Mut als du glaubst, alter Mann, wenn auch du ein Tor bist. Doch sie danken euch euren Mut nicht. Sie bestimmen über euch und euren Untergang, nicht anders als der Untod über ihn verfügen will. Alle glauben sie, dass euer Schicksal bestimmen könnten, wie einst dein Vater, alter Mann. Sie alle irren."
Rhamedes humpelte näher an den Verwundeten heran. Er tat nichts für ihn. Sie hatten ihn nicht gefragt und nicht bedacht und wenn sie ihn jetzt fragten, würde es an ihm abperlen wie Regen an einem teurem Glase. Er hatte die Nase gestrichen voll von diesem Ort, der von derselben Undankbarkeit triefte wie alle anderen Orte in Aradan. Aradan war einfach ein undankbarer, hartseliger Ort, an dem nur Unglück lauerte und jedes Glück nur eine Illusion des Friedens war. Die Zombies hatten daran vielleicht gar nicht so viel geändert, sie hatten nur mehr Menschen auf einmal in Anbetracht ihres schmerzhaften Endes zum aufschreien gebracht. Er nickte Omrah zu für seinen Mut, etwas wie großväterlicher Stolz war in Rhamedes Augen zu erkennen. Er hatte ehedem Omrah auch vor allem schützen wollen, jetzt aber erkannte er den Mut des kleinen Jungen, der alles verloren hatte. Der Mut der Verzweiflung, die ehrlichste Art des Mutes.
"Lies uns vor, Gelirion. Lies uns bitte den Wortlaut vor.", begann Rhamedes und sein zahnloses Gesicht, welches sonst so freundlich wirkte, verfiel in einen gemeißelten Ernst. Das viele getrocknete Blut an Thawb und Fes unterstrich dies noch. "Eure Aufmunterungen ehren euch, aber sie sind an diesem Platze fehl, mein Freund. Wir alle wissen, was uns dräut. Euer gut gemeinter Hartsinn, uns immer wieder Mut machen zu wollen, gereicht euch sicher zum Lobe, doch uns zum Ende. Wenn ihr nur Andeutungen macht, werden die Verzweifelten nur verzweifelter, weil ihre Phantasie ihnen Schlimmeres eintrichtert als sie bisher sehen konnten, und was kann noch viel schlimmer werden, als immer in der unmittelbaren Furcht leben zu müssen, dass sich jemand unter ihnen verwandelt und ihnen ihr Leben durch Bisse und Schreie vergällt? Eure Versuche, mein Freund, wirken so krampfhaft, dass ihr uns einen größeren Schrecken damit einjagt, als wenn ihr uns einfach die Wahrheit und die Einzelheiten verkündet."
Jetzt war es an Rhamedes Gelirion aufmunternd zuzunicken. Um seinen Punkt deutlicher zu machen, wollte er ihn drastisch darlegen und musste seinen Finger dafür in eine Wunde Gelirions legen. "Ihr habt eure Schwester verloren, mein Freund, auf die tragischte Art und Weise, auf jene Weise, die ich eben beschrieb. Ich habe euch jedoch keinen Hehl daraus gemacht, dass dies passieren könnte. Ich war trotz aller Bitterkeit ehrlich zu euch, weil diese Ehrlichkeit - auch wenn sie ungerecht auf uns persönlich wirkt - mehr Leben rettet als sie schützt, so sehr mich euer Schicksal, mein Freund, betrübt. Bitte lest also vor, was dort Wort für Wort geschrieben steht."