Prolog: Vermisste Helden
Willkommen in Taldor!
Nicht herzlich, denn Taldor ist wie ihr Wappentier - ein Löwe - ein stolzes Raubtier, welches nur seine Wunden leckt, um wieder zu zuschlagen.
Und schon bald hätten ihre Nachbarn nicht nur ihre Sprache mit alten Taldor nur noch gemeinsam.
Taldor - das untergehende Imperium - ist noch lange nicht am Ende.
Wie Cheliax - ein treuloses Kind von Taldor und Dieb ihres Patrons Aroden - ist die von Korruption vergiftete Nation noch heute eine militärische Großmacht und berühmt für seine Flotte, ihren Phalanx aus Fusssoldaten und Bogenschützen, ihre berittenen Ritter sowie ihre Arroganz, ihre Gier nach Macht und Einfluss, ihre finanziellen Mittel dank Exporten taldanischer Rösser, Wein, Eisen und Salz und ihre Feindschaft mit all ihren Nachbarn.
Vorallem Qadira und Andoran sind Blutfeinde, wie auch kaum weniger Galt und Cheliax.
Und es ist nur eine Frage der Zeit bis es wieder Krieg geben würde, welcher dieses Mal über die Wasserwege eine schnelle Invasion wäre und nicht erneut ein Krieg an zwei oder gar noch mehr Fronten.
Denn während das Königshaus sich lieber auf seine ulfischen Söldner und Leibwächter und die Adelshäuser auf ihr Spionagenetzwerk verlässt, kann sich das Land auf seine Marine verlassen.
Und eben diese mächtige Marine hat ihr Herz in Cassomir, wo die Schiffe nicht nur gebaut werden, sondern auch stationiert sind.
Die besten und berühmtesten Schiffsbauer der Inneren See haben hier Gilden und Zünfte, während die gesamte Stadt militärisch organisiert in der Hand der Marine ist.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Wache und Garde der Stadt die Uniform der Marine trägt und Verbrecher wie Fahnenflüchtige einmal im Monat auf der Kuppel von Pharasma im Viertel von Alt Cassomir erhängt werden (wobei hunderte Schaulustige diese Massenhinrichtung feiern wie ein Fest jedes Mal).
Aber dennoch endet nicht jeden Hafenkneipen-Schlägerei am Galgen.
Doch Cassomir ist weniger von Korruption verseucht als die noch größere Hauptstadt Oppera und Fremdenhass ist hier weniger als im restlichen Reich - vielleicht auch durch den ständigen Strom von Kreuzfahrern, welche hier Zwischenstop mit ihren Schiffen machen auf dem Weg zur Weltenwunde.
Und wenn man auch von den schrecklichen Berichten über alte Scheusale des Druidenzirkels des Schwarzholzwaldes (Hauptlieferant des Holzes für die Schiffe) und den Geschichten über bleiche bartlose Zwerge, welche die Hafenstadt Nachts Heim suchen, absieht, ist die Stadt wohl eine friedliche verschlafene Stadt wie man sie sich nur wünschen kann.
Wäre hier nicht dennoch das gnadenlose System der zwei Schichten etabliert, welches Adel und Handwerker vom niederen Volk und fremden und anderen Rassen und Nationalitäten trennt.
Jedoch findet zumindest jeder Arbeit, der auch Arbeit sucht und zwei gesunde Hände zum Arbeiten hat.
Das ist Cassomir, wo sich nicht nur die nächste Geschichte ereignet, sondern auch die Ermittlungsakte der noch unbekannten Abenteuer und Helden öffnet.
Cassomir ist trotz der Marine unter der Führung von Admiral Kasaba (einer eisernen Frau, welche schwer bewacht in ihrer Zitadelle meist Urteile spricht ohne den Schuldigen überhaupt gesehen zu haben) dennoch ein Magnet für Abenteurer und Glücksritter.
Denn selbst wenn viele unerfahrene und bedeutungslose Seelen von den Marinewächtern und -soldaten der Stadt meist ohne triftigen Grund zur Zwangsarbeit in einer Schiffswerft oder an Bord eines Schiffes oder gar zur Jagd auf hundsgroße Ratten und Insekten am Hafen gezwungen werden und noch mehr als politische Gefangene, Sarenrae-Fanatiker, angebliche Spione aus Andoran, Cheliax oder Quadira, Kriegsverbrecher oder einfache Diebe und Landstreicher im Gefängnis der Stadt landen und für immer verschwinden (es sei denn sie werden am nächsten Festtag aufgeknüpft) ist die Stadt ein rentables Ziel.
So gibt es viele Schatzsucher und Abenteurer, welche im Auftrag der Kundschafter (nicht nur entsendet von der großen Loge in Absalom) ihr Glück suchen in der Kanalisation, Abwasserkanälen, gefluteten Gassen und halb versunkenen Ruinen des Kasten der Stadt, genauso wie viele Taugenichtse, Spitzbuben, Dieben und Schurken den Schwarzmarkt der Stadt - mitten auf kleinen Felsinseln vor der Stadt, welche sich Zähne des Hundes nennen – nutzen, bevor es noch tiefer nach Taldor geht.
Ebenso gibt es viele Monsterjäger, Wissenschaftler und Schmuggler, welche ihren Weg in die Schwarzholz-Sümpfe finden (nicht nur zum Schutz der gnomischen Holzfäller und der Mitglieder des Druidenzirkels um Bruder Zaganos von der Schwarzholz Loge), Spione und Agenten der Adelshäuser (stets auf der Suche, um die nächsten Ritter oder Adeligen eines anderen Hauses auszukundschaften oder eine Schandtat anzuhängen) und selbst Freibeuter, welche für die Krone arbeiten (wie der berühmte Jean Coremont – der Löwe von Taldor), wie es auch dennoch Straßenschläger, Taschendiebe (vor allem am Tag des Galgens) und kleinere Diebesgilden gibt trotz der starken Präsenz von Militär, Marine, Rittern und Wächtern.
Trotzdem haben alle diese so unterschiedlichen Personen etwas gemeinsam: Sie werden in dieser Stadt nicht alt, sterben in der Kanalisation, fliehen vor der gnadenlosen Justiz oder landen für immer im Gefängnis oder als Sklave an Bord eines Schiffes.
So gibt es nur etwas mehr als eine Handvoll Abenteurergruppen, welche über Jahre aktiv geblieben und zu lokalen Berühmtheit und Reichtum gelangt sind.
Da wären als Erstes die Schwarzstein Kompanie zu nennen, welche dank ihrem gewieften Anführer – dem Gnom namens Shmad Schwarzstein – immer noch erfolgreich in der Kanalisation nach Schätzen und Relikten sucht.
Zweitens wären die Hunde der Zähne des Hundes zu nennen, welcher allerdings nicht mehr als Schmuggler und Schwarzmarkthändler unter der grausamen Führung des Halborkes - Tarik der Ungewaschene – sind.
Drittens wären da Crantor’s Gang, welche durch ihre Märchen, Lügen und Intrigenspiele es irgendwann noch schaffen werden sich bis hinauf in die Grauwachtburg in die Gesellschaft von Bürgermeister Bozbeyli (einem hochadeligen Ritter und Veteran der taldorischen Reiter) zu lügen, um an seiner Seite zu herrschen und zu regieren.
Dann wären noch die Heiligen Fünf des Aroden zu nennen: Alles weiterhin treue Anhänger des toten Gottes und letzten Azlanti, wobei sie als ältere Halbelfen Aroden noch selbst mit eigenen Augen gesehen haben.
Aber auch die Partisanen der Adlerwacht, welche als treuer Diener von Andoran wegen Spionage vor zehn Jahren zum Tod durch den Galgen verurteilt worden sind, sich jedoch mit einem Fluchtversuch dem Tod durch den Strick entgangen sind, indem sie durch die Klingen ihrer Wächter gestorben sind, aber nur um angeblich nun als Untote Rache zu nehmen.
Noch heute warnen Mütter in der Stadt ihre Kinder artig zu sein, wenn sie nicht diese Gruppe von untoten Freiheitskämpfern und Rittern holen soll, wobei man sie eigentlich nicht als Helden- und Abenteurergruppe zählen und laut nennen darf, wenn man nicht Besuch aus der Hafenwache haben möchte.
Zuletzt wäre die Goldene Wacht zu nennen – eine in die Jahre gekommene Abenteurergruppe im Ruhestand, welche sich einmal im Jahr trifft um ihre Freundschaft weiter zu pflegen und Kontakt zu halten, denn auch wenn man in der Stadt beziehungsweise um Umkreis wohnt, so hat man sich seit dem Ruhestand aus den Augen verloren.
Irgendwo jedoch verständlich, denn niemand der fünf Abenteurer hatte es geschafft wie so viele Glücksritter Nachwuchs zu haben oder gar eine richtige Familie zu gründen (obwohl zwei von ihnen sich gegenseitig schon vor langer Zeit geheiratet haben) und jetzt am Lebensabend ist dies zu spät und das erste Mitglied bereits an Altersschwäche gestorben.
Jedoch nicht nur das Alter bringt die Abenteurer nach und nach vor Pharasma’s Thron, um über sich richten zu lassen, sondern auch etwas ganz anderes.
Denn während das Ehepaar – Verus und Branda Crandel - sich vor drei Wochen auf das jährliche Treffen mit ihren anderen beiden Kameraden freute, blieben beide als Gäste in ihrem Haus aus.
Als eine Woche später immer noch keine Nachricht, keine Entschuldigung oder Lebenszeichen kam, wurden die beiden älteren Abenteurer unsicher und am Ende sogar beunruhigt und besorgt, sodass sie eine Gruppe jüngerer Abenteurer zusammenstellen wollen, welche für einen ordentlichen Beutel voller Goldsegel nach den beiden Vermissten suchen sollen.
Und diese Abenteurer kommen wirklich von überall und von weit her, um nach den Vermissten zu suchen und das versprochene Geld zu kassieren.
Darunter zuallererst Dame Lucia vom mächtigen Hause Starling aus dem fernen Absalom – eine junge Detektivin mit bereits guten Ruf, welcher ihr in entsprechenden Kreisen schon weit woraus geht als wäre sie eine Meisterdetektivin der Schlaflosen Detektive aus Ustalav (auch wenn dies vielleicht auch noch ein Teil Spott ist) – und ihr Begleiter, Leibwächter und vorallem älterer Bruder Menas Starling.
Dazu neben diesen beiden Adeligen eine Halbelfe mit den Namen Liliana Beleza, welche optisch als Veteranin der taldanischen Armee dank ihrer Rüstung durchgehen könnte, auch wenn sie eigentlich nur die Tochter eines Schmiedes aus der Hauptstadt Oppara ist, und ein Adeliger aus Cassomir, dessen Name in der ganzen Stadt und der Region schon fast berühmt und bekannt ist: Sir Levin Jasper Constantin von Mendenhall.
Als fünfter und letzter Abenteurer hat sich Zirul, ein Halbelf mit wissenschaftlichen Durst nach der Wahrheit auf den Weg zum Anwesen der Crandels gemacht.
Dabei war der erste Eindruck für die teilweise neuankommenden Abenteurer mehr als gespalten.
Vom Hafen oder einem Stadttor aus ging es vorbei an Befestigungsanlagen (inklusive etlicher Leuchttürme, einem Verteidigungsring aus Stadtmauer und Wachtürmen und etlichen kleineren Kasernen) und bewachten Gebäuden, welche nur ab und zu von den typischen taldanischen mehrstöckigen Fachwerkhäusern und der ein oder anderen Kneipe unterbrochen wurden.
Jeder musste sich beim Torwächter oder einem Hafenmeister melden, um den Grund seines Besuches zu erklären und zu rechtfertigen, wobei man schnell Gefahr laufen musste halsabschneiderische Steuern für irgendetwas bezahlen und verrichten zu müssen.
Vor allem die beiden Halbelfen mussten sich böse Sprüche und Blicke gefallen lassen im Gegensatz zu den Menschen, auch wenn der meiste Hohn eher an Zirul, welcher sich mehrfach anhören musste wie seine langohrige Mutter (sich gingen einfach von einer Elfe aus statt von einem Elfenvater) es mit jedem gerade aus laufenden Mensch getrieben hat und sich dabei nicht nur wie ein Gaul hat besteigen lassen, sondern auch dabei an den Ohren festgehalten wurde, damit sie beim Begatten quiekt wie ein Schwein, und nicht an die Ritterin ging.
Doch ansonsten ist der Weg ohne große Probleme verlaufen.
Ein Weg, welcher langsam zügig zum Ziel führt, denn man hat selbst als Mensch in dieser Stadt schnell genug von den ganzen Marinesoldaten, welcher entweder außer Dienst in den Straßen rumlungern und trinken oder als Stadtwache Ausschau nach Opfern halten, den ganzen Adeligen in Ritterrüstung, welche überteuerte Lebensmittel und Wein kaufen, die Seefahrern, welche stark an pöbelnde Seeräuber erinnern, und den ganzen Tagelöhnern, welche ihrer Arbeit am und um den Hafen nachgehen, wo etliche Kriegsschiffe zu Wasser gelassen sind, ihren Anker gesetzt haben oder gerade seefertig, repariert oder gebaut werden.
Aber außerhalb der Fischsaison, wo überall Gozrehpriester für eine ruhige See und gutes Wetter lauthals preisend beten, und bis auf die wenigen Kreuzfahrerschiffe ist eben wenig los in Cassimor.
Doch der Weg der fünf zum größten Teil nichts voneinander wissenden Abenteurer und Ermittler wird jäh gestoppt als das Kreischen der schwarzköpfigen Rabenmöwen (ferne Verwandte der chelischen Sägezahnkrähen und von Lachmöwen aus Varisia) in dieser Küstenregion zumindest in dieser Straße jetzt zur Mittagszeit nicht mehr zu hören sind, da drei Trompete spielende Reiter in schwerer taldanischer Rittersrüstung aus Eisen auf leichten taldanischen Streitrössern – schwere Eselinnen genannt (wohl mit die Besten und schlauesten Pferde der Inneren See) – sich ihren Weg ohne Gnade und Rücksicht durch die Fußgängermassen auf der Straße machen und alles in Schreien, Lärm der Hufe und den Trompeten unter geht.
Doch das Chaos um die fünf Abenteurer wird noch schlimmer als plötzlich eine Berühmtheit statt in einer Kutsche auf seinem alten Streitross und zwei weiteren Leibgarden mit Pferden folgt:
Ein graubärtiger stämmiger Taldan im besten Alter und beeindruckender Statur, welche selbst einen Höllenritter beeindrucken würde – bewaffnet sichtbar mit einem qadirischen Krummsäbel.
Es ist der Bürgermeister dieser Stadt, welcher wohl von einem seiner seltenen Ausflüge zu Pferd in die Stadt zu seinem Sitz zurückkehren möchte und dabei keine Rücksicht nimmt darauf, ob jemand ihm unter die Hufe kommt und schneller als ein andoranischer Feuerfußluchs sein Tempo beibehält.
Und dies könnte wahrlich der Fall sein, da seine drei Trompetenspieler eine Schwangere mit zwei weiteren Kindern an den Händen umgeritten, auf die gepflasterte Straße gestoßen und schwer verletzt zurück gelassen haben.
Wenn niemand handeln oder angreifen würde, ist dies das Ende der Frau, ihres ungeborenen Kindes und ihrer beiden Kinder.
Doch niemand in der Bevölkerung hat Mitleid mit solch einer einfachen Niedergeborenen und deren Nachwuchs, in einem Land wie Taldor, in welchem nur Reichtum, Macht und Herkunft zählt und in welchem Abadar und dessen Kirche die größte Religion ist und dessen Klerus nur heilt, hilft und für jemanden betet, sollte genügend Geld den Besitzer wechseln.
Liebe, selbst wenn Shelyn als Taldane ebenfalls oft angebetet wird, wird die Frau und ihr Nachwuchs höchstens von den fünf Abenteuern erfahren oder würden diese auch einfach weitergehen und der Frau ihrem Schicksal überlassen?