Natürlich hatte Bergi nicht damit gerechnet, dass die schöne Frau Shira neben ihm ihr Schlafgemach aufschlug. Das hätte ihm sowieso nicht wirklich behagen, war er doch durch und durch ein Mann der Ehre und diese verbot ihm eigentlich, Seite an Seite mit seinem angeborenen Schamgefühl, einer Angehörigen des anderen Geschlechts bei Nachtens im Schlafgewand überhaupt nahe zu kommen. Beinahe hatte er sich dafür entschieden, sich einfach zwischen eine Wand und den Wahrsager niederzulegen - sogar der Pferdezuber wäre eine bessere Option, als das Plappermaul - da hatte sich auch schon Gerion lachend angeboten. Bergi erwiderte das freundliche Lächeln, während ihm für dieses kleine Problem ein viel zu großer Stein vom Herzen fiel. Irgendetwas störte ihn einfach gehörig an diesem bunten Mann. Und dabei hatte Bergi schon oft mit solch schnell-redenden-Quacksalbern zu tun gehabt - wobei er diese eigentlich eher als gesellig und freundlich, wenn auch etwas zu überschwenglich empfunden hatte.
Während sich die übrigen nun unter seiner Führung dem Holzhaus näherten, grübelte er erschöpft und dennoch vehement darüber nach... Bis ihm die Erkenntnis seines Unmutes gegenüber Nasreddin wie einen Faustschlag traf:
Es waren die vielen Väter. Natürlich! Keleshiten waren ein äußerst eigenartiges Volk... Und irgendwie störte ihn dieser augenscheinliche Hang zur 'Polygamie'; der vieler Orts verschmähten 'Vielehe'. Ein Mann hat nur EIN Herz, dass er verschenken kann! Alles andere war in Bergis Augen einfach nur unsittliche Spinnerei. Fünf, sechs, sieben Väter... Pah! Er schüttelte sich und verzog dabei angewidert den üppigen Schnauzbart.
"Ich werd wirklich gleich irgendwen begraben." schnaubte Bergi für die anderen unhörbar in seinen Bart hinein. Er wandte sich von den schön geschnitzten Holzfiguren ab, welche er gerade eben noch eingehend und bewundernd studiert hatte. Wenn es etwas gab, was den zum Zwerg erzogenen Gnom noch mehr zum Staunen brachte als die Wunder der Magie, dann war dies eindeutig das ehrliche, filigrane Handwerk eines Künstlers. Egal wie klein und unscheinbar die Anfertigungen auch waren. Jeder Einzelnen zollte der kleine Krieger den gebürtigen Respekt, sie - zumindest einen kurzen Augenblick lang - konzentriert begutachtet zu haben.
Gemächlich trat er an den ausladenden Tisch heran und legte dort, auf einem freien Stuhl, seinen Rucksack ab. Den Helm stapelte er sorgsam darauf, bevor er schließlich den Familienschild an die Beine der Sitzgelegenheit lehnte.
Immer wieder versuchte er sich aus dem Erlebten, Gehörten und Gesprochen einen Reim zu bilden. Zu seiner Enttäuschung stellte er fest, dem bunten Mann zumindest in diesem Punkt - so er ihn auch richtig verstanden hatte - zuzustimmen. Heute würde er wirklich nicht mehr sonderlich viel darüber entscheiden und planen können. Der Gedanke an ein schönes Glas, von innen wärmenden, Selbstgebrannten ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen... Doch er wollte sich nicht setzen, bevor nicht die letzte Pflicht gegenüber ihrem verstorbenen Kameraden getan worden war. So seufzte er, strich sich anschließend durch den Bart und machte sich auf, die gemütliche Hütte auch schon wieder - wenn auch nur für die Dauer der traurigen Tätigkeit - müde zu verlassen. An der Türschwelle machte er kurz nochmals kehrt und blickte zu dem Plauderer hinüber.
"Na? kommst du nun, werter Herr Yahya? Mit deiner Geschichte kannst du uns gleich im Anschluss auch noch erfreuen." Er rümpfte die Nase. "Ich bezweifle, dass wir den Leichnam einfach draußen liegen lassen sollten. Wer weiß schon, was für Aasfresser sich in diesen Wäldern herumtreiben..." Plötzlich kam ihm die entscheidende Idee: "Oder nein - wisst ihr was? Du erzählst jetzt deine Geschichte, groß und breit, führst deine Kunststücke vor oder wie auch immer - Und ich vergrab' den armen Tropf derweil alleine." Zufrieden grinste er und nickte in die Runde, bevor er sich wieder dem Durchgang zu wandte und sich daran machte, das Gesagte in die Tat umzusetzen.