Rubin hörte Jurij und Harry zu, ohne etwas zu sagen, doch wurde seine Miene noch ernster, und seine Wangenmuskeln pulsierten. Er atmete einige Male tief ein und aus, bevor er antwortete.
"Zunächst einmal", sagte er deutlich beherrscht, "ist dies nicht der erste Kampf von Sterblichen gegen weitaus mächtigere mystische Wesen, und nicht der erste, der gewonnen wird. Zweitens stehen wir nicht bei Null. Die Dämonen haben nur einen Bruchteil ihrer Macht. Und sie wurden bereits einmal besiegt, und darauf können wir aufbauen. Und nicht zuletzt: Ja, sie stecken in unseren Körpern, und wir können nicht mit Waffen auf sie losgehen. Aber ich bezweifle, dass wir eine Chance gegen sie hätten, wenn sie körperlich wären. Aber so, wie wir im Moment ihnen ausgeliefert sind, sind sie auch uns ausgeliefert. Wir können sie besiegen. Aber wir müssen uns für den Kampf entscheiden."
Er sah zu Harry. "Ich werde kämpfen. Ich gebe nicht auf, niemals. Glaubt mir oder lasst es, aber ich werde alles tun, was nötig ist, um diese verfluchten Kreaturen aus dem Abgrund zu besiegen. Nicht nur den, der in mir steckt, sondern jeden Einzelnen der N'kyuash."
Harry, der Rubin genau beobachtete, schienen seine Worte ehrlich zu sein. Der Mann war diszipliniert, kontrolliert, doch Jurijs Zweifel und Harrys Nachfrage, ob er die Hoffnung aufgegeben habe, entfachten ehrliche Wut in ihm. Noch immer versuchte er, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten, und doch brachen sie in diesem Moment aus ihm heraus. Sein Gesicht hatte sogar ein wenig rote Farbe angenommen, so sehr hatte er sich erhitzt.
Wieder atmete er ein und aus, schloss einen Augenblick die Augen, und öffnete sie dann wieder. "Es tut mir leid. Aber ich brauche Mitkämpfer, die wirklich dabei sind. Ich verstehe eure Zweifel, an mir und an der Sache, aber ich möchte nicht noch einmal enttäuscht werden."
Er sah zu Harry. "Chernobog. Mein düsterer Begleiter heißt Chernobog. Und zur Frage, wie ich ihn ablenke... nun ja, das ist wohl der eine Punkt, an dem ich euch gegenüber im Vorteil bin. Er interessiert sich nicht für mich. Ich kann tagsüber tun, was ich will, er reagiert nicht darauf. Ich nehme an, er ist der Ansicht, dass ein einfacher Sterblicher ihm nicht in die Quere kommen kann. Was auch immer der Grund ist, ich sehe das positiv."
"Was eure Gedanken angeht, das ist schlicht eine Frage der Selbstkontrolle. Es gibt einfache Tricks. Ein Beispiel: Wenn euch jemand auffordert, jetzt nicht an einen grünen Fisch zu denken, dann denkt ihr auf jeden Fall daran. Versucht nicht, sie aus euren Gedanken rauszuhalten. Versucht, sie in eine andere Richtung zu lenken. Wenn ihr schon an den grünen Fisch denkt, dann konzentriert euch auf das Wasser, in dem er schwimmt. Und dann folgt dem Strom des Wassers, und achtet auf all die Kleinigkeiten darin. Dann verschwindet der Gedanke an den Fisch." Er lächelte wieder. "Anders gesagt, ihr könnt nicht verhindern, an wichtige Dinge zu denken. Aber ihr könnt so tun, als seien sie nicht wichtig. Lasst eure Gedanken schweifen. Das Ganze braucht etwas Training, aber es funktioniert."
Dann sah er zu Aria. "Was die Erpressungen und andere Manipulationen angeht: Das werdet ihr kaum ganz verhindern können. Ob sie nun jemanden bedrohen, der euch lieb ist", er sah sich nun wieder in der Runde um, "oder euch anderweitig zu manipulieren versuchen, ihr könnt nur versuchen, ein Machtgleichgewicht zu erschaffen. Aber dazu müsst ihr eure Begleiter besser kennenlernen, verstehen, was ihnen wichtig ist und was nicht."
Sein Blick fiel wieder auf Harry. "Und damit kommen wir zu den Visionen. Für mich sind es eher... Erinnerungen, die nicht mir gehören, aber das erlebt wohl jeder anders. Was ihr seht, mag erschreckend sein, zuweilen auch abstoßend, aber es ist eine Chance. Dadurch, dass sie gezwungen sind, in euren Körpern zu verweilen, könnt ihr Zugriff auf ihr Wissen erlangen. Ihr könnt sie aushorchen. Und dieses Wissen kann im Kampf gegen die Dämonen von entscheidender Bedeutung sein."
"Übrigens glaube ich nicht, dass du in deiner Vision Maezri-th'lei-nicon gesehen hast. Drachen können alt werden, aber ich glaube, die Geschehnisse stammen aus einer Zeit, bevor dieser Drache geboren wurde. Ich vermute, die Erinnerung wurde eher durch Assoziationen geweckt. Dass in der Erinnerung ein Drache vorkam, heißt nicht zwingend, dass es sich um diesen Drachen gehandelt hat. Allerdings bezweifle ich, dass deine Begleiterin möchte, dass du diese Dinge siehst. Ich würde eher vermuten, dass sie es nicht unter Kontrolle hat. Es fällt ihr schwer, es zu unterdrücken, und deshalb tut sie es nur in Notfällen." Wieder lächelte er, doch diesmal hatte sein Lächeln etwas Hinterhältiges. "Ein klarer Hinweis, genau dort weiterzubohren."
"Was unsere Körper angeht, ich glaube, dass sie uns tatsächlich brauchen. Wir sind vielleicht ersetzbar, aber nicht ohne Weiteres. Sie haben uns ausgewählt, weil wir - aus welchen Gründen auch immer - ihrer Präsenz standhalten können. Das halten nur wenige aus."