Als Tarqetik dazwischengeht, die Kommandantin und Bosol voneinander zu trennen, sieht es kurzzeitig so aus, als würde Ejdarn auf den Söldner losgehen. Doch einen Augenblick später eilen Scheriff Gelspad und die beiden Soldaten herbei, die Desto flankierten, herbei und ziehen die beiden auseinander. "Kammandantin - bitte", sagt einer der Männer. "Lasst von ihm ab."
Maniks laute Rufe hallen durch das Rathaus und dann redet auch Sanjan auf den Richter ein. Es gibt viele Zwischenrufe. Basilio beobachtet dabei die Männer auf dem Podium - vor allem den amtierenden Bürgermeister Hiram Sulu und den Jungen Ratsherren - Destan Dorguln, den jüngeren Bruder von Jaresh. Beide scheinen besonders aufgebracht ob der letzten Wendung der Ereignisse. Sulu wirkt verwirrt, Dorguln wütend.
Schließlich tritt Basilio vor und an dem auf seinem Hosenboden hockenden Bosol vorbei. Der gefangene Söldner hält sich an der Bauchseite und ächzt. Der Koraker beginnt zu sprechen - als er dann aufgebracht auf das Rednerpult steigt und ruft, hallt das Krachen des Richthammers fünf, sechs Mal in schneller Abfolge durch den Saal.
Die Menge beruhigt sich. Richter Anis steht auf und misst Basilio mit einem Blick, der eisiger nicht hätte sein können. Erst als der Mann die Augen wieder der Menge zuwendet, merkt der Koraker, dass er nicht mehr auf dem Richterpult steht, sondern bereits wieder auf den Boden gestiegen ist.
"Seht doch, was hier los ist - was diese Leute hier veranstalten!", schreit einer der Ratsherren aufgebracht. "Wenn das so weitergeht, fließt hier Blut", murmelt Destan Dorguln.
Richter Anis wendet sich wieder um und schaut die beiden Ratsherren mit demselben eisigen Blick an, mit dem er eben noch Basilio bedacht hat. "Blut wird hier ganz sicher keins fließen", sagt er mit ruhiger, aber fester Stimme. "Und jetzt bitte ich um Ruhe."
Dann geht sein Blick Richtung Sanjan. Er nickt dem Schamanen zu: "Bitte verarzten sie den Gefangenen. Sie können das Hinterzimmer des Rathauses nutzen, neben meinen Räumlichkeiten." Sanjan wirft einen raschen Blick auf Bosol. Die Wunde ist zwar aufgebrochen, aber ein neuerlicher Druckverband sollte die Probleme lösen. Es dürfte nicht allzu lange dauern.
Derweil wendet sich der Richter der Zuschauermenge zu. "Der nächste, der ohne Erlaubnis des Gerichts das Wort ergreift, oder gar handgreiflich wird, wird wegen Missachtung des Gerichts für drei Tage in die Zelle geschickt. Die Zellen sind fast zehn Fuß lang und fünf breit, und wir haben ganze zwei davon. Ich glaube, wenn wir uns Mühe geben, bekommen wir bis zu 50 Mann in eine rein. Dann können alle zwar nur im Stehen schlafen, aber das wäre mir egal. Insofern - wir haben genug Platz."
Die Menge starrt stumm und ruhig geradeaus. Alle weichen den Augen des bärtigen Dejy aus. Dieser schaut derweil zu Lihana Ejdarn. "Kommandantin - es tut mir Leid, das sagen zu müssen, aber das gilt auch für Euch. Können Ihr mir erklären, was dieser Ausbruch sollte? - so habe ich Euch noch nie erlebt."
Lihana Ejdarn reißt sich von den beiden Männern los, die sie an den Oberarmen halten und nickt dem Richter zu. "Es tut mir Leid, euer Ehren. Ich habe die Beherrschung verloren. Dieser Mann sprach von Edmond Sildan - einem ehemaligen Kommandanten des gakelitischen Heeres. Viele wissen, dass der Mann wegen mehrfacher Übertretung seiner Befugnisse, wegen Verstößen gegen den Kodex des Heeres und übertriebene Grausamkeit gegen Untergebene und Feind unehrenhaft entlassen worden ist. Doch was nur wenigen bekannt ist, ist dass er blutige Rache geübt und zwei der vier Kommandanten, die über die Entlassung beschieden haben, umgebracht hat. Er ist ein Schwerverbrecher - und wenn die Möglichkeit besteht, ihn festzusetzen, muss ich diese Wahrnehmen."
Ejdarn schaut nacheinander zu Manik, Sanjan und Tarqetik und nickt diesen zu. Bei den ersten beiden will sie sich wohl damit für ihren Ausbruch entschuldigen, bei Tarqetik handelt es sich wohl eher um eine Zusage zu seinem Angebot. Das Wort richtet die Kommandantin aber wieder an den Richter: "Euer Ehren, ich kenne Euer Urteil noch nicht, aber ich bitte Euch, den Gefangenen zumindest bis zum Abschluss der Suche nach Sildan in meine Obhut zu übergeben."
Sie schaut kurz zu Bosol, danach zu Barkas und Desto. "Und was die Kargi angeht - ich glaube Ihnen. Die Geschichte des Hirogul, deckt sich mit dem, was unser Gefangener Sheriff Gelspad erzählt hat." Anscheinend kann der Sheriff ein wenig Kargi, denn die Gefährten erinnern sich, dass Desto keine anderen Sprachen spricht. "Ich finde, wir sollten die Männer freilassen."
Bei den letzten Worten springt ein feister Mann in der zweiten Reihe auf und schreit: "Blödsinn - die Grünhaut hat Männer des Heeres auf dem Gewissen. Schuldig oder nicht - den können wir nicht gehen lassen!" Barkas atmet angestrengt die Luft ein und ballt die Fäuste, doch er tut nichts. Basilio, der den Ukhtark beobachtet, geht plötzlich auf, dass er Barkas' Luftholen nur deswegen so klar hören konnte, weil der Raum ansonsten in völliger Stille ist. Auch dem Mann, der eben gesprochen hat, kommt das schlagartig zu Bewusstsein, als er in die ausdrucklose Miene von Richter Anis sieht. "Ich..., ich..."
"Sheriff Gelspad", unterbricht der Richter ihn, "bitte schaffen Sie den Unruhestifter in die Zelle. Drei Tage und drei Nächte wegen Missachtung des Gerichts."
"Ja, euer Ehren", antwortet der Sheriff ruhig und setzt sich in Bewegung. Der feiste Mann beginnt zu stammeln und ist damit immer noch beschäftigt, als er von Gelspad und einer weiteren Wache aus dem Raum geführt wird.
Richter Anis wendet sich an die Zuschauer. Seine Stimme ist fest, die Wortwahl sicher.
"Im Anklagepunkt "Mehrfacher, vorsätzlicher Angriff auf das Dorf Dorwida, sowie dessen Ortschaften", befindet das Gericht den Angeklagten für nicht schuldig.
Im Anklagepunkt "Mord an gakelitischen Bürgern und Mitgliedern des gakelitischen Heeres" befindet das Gericht den Angeklagten für nicht schuldig.
Im Anklagepunkt "Verletzung des Vertrags von Dorwida durch Übertritt der festgelegten Grenzen, sowie Ungehorsam und Gewaltanwendung gegenüber Mitgliedern des gakelitischen Heeres" befindet das Gericht den angeklagten für schuldig im Sinne der Anklage"
Ein eisiges Schweigen legt sich über den Saal. Alle Anwesenden sind gespannt auf das Strafmaß. Der Richter fährt nach einer kurzen Pause fort. "Das Gericht verurteilt den Angeklagten zu einem vollen Jahr Gefängnis im dorwidischen Kerker. Alternativ - und falls sowohl der Angeklagte, als auch die Kommandantin der Truppen in Dorwida zustimmen - kann der Angeklagte seine Schuld durch tätige Mithilfe bei der Aufklärung der Angriffe auf Dorwida abtragen. Nach Abschluss der Ermittlungen wird das Gericht auf Basis des Zeugnisses der Kommandantin darüber befinden, ob die Haftstrafe erlassen werden kann."
Gemurmel erhebt sich im Raum und Destan Dorguln schlägt die Hände vor's Gesicht. Doch der Richter achtet nicht darauf und lässt den Hammer noch einmal geräuschvoll auf den Tisch knallen. "Die Anhörung ist beendet", sagt er laut, während er aufsteht.
Dann ruft er die Gefährten und Ejdarn zu sich an den Pult. "Ihr habt vorgeschlagen, bei der Aufklärung gegen Entgelt zu helfen", sagt er zu Tarqetik. "Ich denke, das ist ein guter Ansatz." Er wendet sich an Ejdarn. "Was sagt ihr? Und: nehmt ihr den Kargi mit? Ich will euch das nicht aufzwingen, aber er ist in dem genannten Anklagepunkt schuldig - ich kann ihn nicht freisprechen. Ich beuge das Recht schon so sehr ich kann, indem ich keine ebensolche Anklage gegen den zweiten Kargi erhebe." Sein Blick streift bei diesen Worten Barkas, der widerwillig nickt. "Aber wenn wir den Mann für ein Jahr einsperren, haben wir Krieg mit Kezhdal. Und so wie es scheint, ist das ein abgekartetes Spiel, bei dem es den echten Angreifern genau darum geht. Darum bitte ich, denkt gut nach, bevor ihr ablehnt."
Ejdarn schüttelt den Kopf und schaut zu Barkas und dann zu Desto, der immernoch angekettet und verloren am Block steht - ohne ein Wort zu verstehen. "Euer Ehren, Ihr bringt mich in die neun Höllen - Kargi im Heer?" Sie schüttelt wieder den Kopf - dann atmet sie resignierend aus. "Also gut", sagt sie alles andere, als begeistert.