Das Tempelportal wurde geöffnet und Orel konnte in den rot glühenden Altarraum sehen. Der Raum wurde spärlich, von blutroten Flammen, beleuchtet. Sein Boden war mit Matten ausgelegt, die mit schwarzem Samt bezogen waren auf dem dünne Spinnennetzmuster aus silbriger Seide des abyssale Licht wiedergaben. Im Zentrum des Altarraums befand sich ein massives Podest aus schimmerndem Ebenholz auf dem eine riesige Spinnestatue aus dem selben Material thronte. Hinter dem Altar befand sich ein halbkreisförmiger Berg aus Seidenkissen die von Silberfäden geziert wurden. Auf den Kissen lagen zwei Drowdamen. Die eine trug die durchschimmernden Roben einer Priesterin, die andere das beschlagene Leder der schattenhaften Dunkelelfenkriegerinnen.
"Aaaah! Sklaven, tragt das Geschenk herein!", befahl Asha Vandree überschwänglich Buppido, Sarith und Heynryck. "Du behältst deine schleimigen Flossen bei dir, Fischmann! Und du, Mensch, wirst keinen deiner schmutzigen Füße auf den Boden dieses Tempels setzen!" Sogleich übersetze Heynryck für Orel, bevor ein Unglück geschah. "Legt es unter die Statue! Ja, genau dort, auf den Altar.", gab sie weiter Anweisungen.
Nachdem Shoor Vandree und Jorlan Duskryn ihre Stiefel ausgezogen und ihre Füße gewaschen hatten, betraten die Edelmänner den Altarraum. Als sie durch das Portal traten flüsterte Meister Vandree einem der Drowsoldaten einen Befehl zu, der sogleich verschwand. Sein Kamerad blieb und versperrte Orel und dem Tiefenbär den Zugang zum Tempelturm. Die Drowkriegerin erhob sich von den Kissen und zog ihre Klingen. Unsanft trieb sie die vier Gefangenen ebenfalls vor das Portal.
Kurze Zeit später kehrte der Drowsoldat zurück und führte Herrin Ilvara mit zwei Leibwächterinnen und einigen Gefangenen dahinter, die von zähnefletschenden Tiefenbären vorwärts getrieben wurden, vor den Hängeturm. Unter ihnen waren auch die beiden Gnomengebrüder.
Voller Freude sprang Asha Vandree auf und trat an das Tempelportal. "Herrin Ilvara, seid gegrüßt!", sprach gefasst zu ihrer höher gestellten Artgenossin. "Die Spinnenkönigin nimmt und die Spinnenkönigin gibt, das muss ich Euch nicht sagen." Die Hand der Hohepriesterin griff bei den dreisten Worten ihrer Untergebenen zu Peitsche, doch als Asha zur Seite trat und den Blick auf den Altar freigab, hoben sich ihre Hände zu einem müden Klatschen.
"Was habt Ihr nur wieder ausgeheckt, Asha?", fragte Ilvara Mizzrym mit einem wissenden Lächeln, als sie die steile Hängebrücke aus Spinnweben zum Tempelturm emporstieg. Orel, der noch immer die finstere Sprache der Drow beherrschte, begann zu übersetzen, bis Herrin Ilvara die Gefangenen am Portal erreicht hatte.
Shoor Vandree trat hinter seiner Verwandten hervor und begrüßte die Anführerin der Drow mit einer tiefen Verbeugung. "Es war selbstverständlich die Einsicht einer Frau, dieser Frau mit dem Namen Vandree, die ihr durch Lolth zu Teil wurde, die diese Gabe ermöglichte. Und ich als niederer Mann, kann mit meinen bescheidenen Mitteln hierbei nur zur Hand gehen. Doch ich erachtete es als meine Pflicht, da dieser unüberlegte Befehl, den Dathiir zu opfern, ebenfalls von einem Mann, diesem Mann mit dem Namen Duskryn, gegeben wurde."
Herrin Ilvara starrte mit zornigen Augen in den Altarraum und fand Jorlan Duskryn. "Ist das so, werte Herren?", zischte sie so giftig wie eine Viper. Man konnte Jorlans Fingerknochen knacken und Zähne knirschen bis vor den Tempelturm hören, als sich sein ganzer Körper, ob dieser Beschuldigung verkrampfte.
"Wir bestrafen Euch später, Duskryn. Nun wollen wir uns an den Gaben der Spinnenkönigin laben.", bestimmte Ilvara Mizzrym unerwartet. "Ich bitte Euch, Asha. Schneidet es auf, schneidet es auf!"
Die jüngere Priesterin zückte einen silbernen Opferdolch, der im magischen Licht des Altarraums blutrot schimmerte. Dann beugte sie sich über das klebrige Bündel aus Spinnweben unter der hölzernen, gut polierten, Riesenspinne.
Langsam zerschnitt sie die weißgelben Fäden, dann öffnete sie behutsam den Kokon um die bleiche Waldelfin mit den bläulichen Lippen. Amaryl hatte sich wahrscheinlich seit Tagen nicht mehr rühren können. Ihr Körper war zugleich eiskalt und brannte vom Spinnengift, das sie so lang gelähmt hatte. Doch plötzlich konnte sich sich wieder regen, ihre Augen blinzeln lassen und endlich wieder etwas benetzen, einen tiefen Atemzug nehmen und den Kopf etwas bewegen.
"Willkommen auf Velkynvelve, Dathiir.", begrüßte Ilvara Mizzrym die Elfin auf dem Altar. "Nun bis du mein. Und ich bin deine Herrin Ilvara. Finde dich mit deinem Schicksal ab, lerne zu gehorchen und du magst überleben.“
Die Gefangenen vor dem Hängeturm, zwischen einem guten Dutzend bösartiger Quagosse, sahen nicht alles was im Altarraum vor sich ging, aber das meiste und den Rest konnten sie sich nach der Übersetzung durch Orel denken.