Und so entspinnt sich eine Diskussion, in deren Verlauf der Angriffsplan immer mehr Form annimmt. Die Kommandantin nickt bei Basilios anfänglichen Ausführungen. "
Das stimmt. Der Bergfried hat insgesamt fünf Ebenen. Es gibt eine einsenbeschlagene Tür auf Bodenhöhe in den Kerker, der unterirdisch direkt unter dem Begrfried liegt. Die ebene darüber ist nahezu durchgängig aus solidem Stein. Erst die zweite oberirdische Ebene, ungefähr 10 Fuß über dem Boden ist die erste bewohnbare ebene des Bergfrieds - zugänglich durch eine einholbare Leiter und eine eisenbeschlagene Tür. Über dieser Ebene gibt es dann noch zwei weitere. Bis auf die letzte ebene weisen alle nur Schießscharten anstelle von Fenstern auf. die letzte Ebene dagegen hat breite Fenster, durch die auch die Kargi hineinklettern könnten. Sie liegt gut dreißig Fuß über dem Grund der Festung und weitere fünfzehn Fuß über dem Wasserspiegel des Außengrabens, da die Festung auf dieser Seite auf einer Anhöhe steht - die Erbauer gingen also davon aus, dass es ein zu weiter Weg zum Klettern ist.
Der Zugang wird sich schwierig gestalten, falls man über die Außentür eindringen will, aber" - Ejdarns Blick geht zu Tarqetik, als sie fortfährt - "
es gibt tatsächlich einen weiteren Gang, wenn auch keinen Geheimgang. Ich stimme Euch zu, Tarqetik - wir werden unseren Scheinangriff so vorbereiten müssen, dass er Ablenkung genug ist, aber nicht zu einer Schließung der Tore des Bergfrieds führt. Das wird aber schwer genug. Falls es nicht gelingt: Aus dem unterirdischen Kerker führt ein senkrechter Schacht nach oben in die erste Ebene des Bergfrieds. Er ist vergittert und daher leicht zu verteidigen, wenn man allerdings gleich unterhalb des Durchzugs ein Feuer legt, wird die Rauchentwicklung jedwede Verteidiger oben innerhalb einer halben Stunde in die Flucht schlagen oder bewusstlos werden lassen. Dann kann man Mithilfe von Kletterhaken nach oben und das Gitter aufbrechen.
Apropos 'Aufbrechen'", fährt sie an Basilio gewandt fort, "
wir werden schauen, was wir Euch an Werkzeug geben können. Wir sind eine Armee und keine Diebesgilde, daher wird das meiste von dem, was Ihr aufgezählt habt, nicht verfügbar sein, aber wir versuchen Notbehelfe zu finden, die sich einsetzen lassen."
Vielleicht sind die Worte der Kommandantin nicht sorgfältig gewählt. Basilio scheint es, als würde die Frage, warum anscheinend in der
korakischen Armee Instrumente einer Diebesgilde Teil der Ausrüstung sind, wie geschwängerte Luft unter dem Zeltdach hängen. Doch so weit es der Feldwebel einschätzen kann, war das nicht die Absicht der Kommandantin. Ejdarn ist inzwischen so sehr auf die Vorbereitungen zur Schlacht fixiert, dass ihre diplomatischen Fähigkeiten in den Schatten getreten sind.
Es ist auch gut, dass der Koraker seine Anmerkungen bezüglich der Vorteile einer tödlichen Giftmischung schnell wieder relativiert. Dieser Vorschlag regt nicht nur bei Manik die Gemüter auf, sondern auch bei den gakelitischen Offizieren und den Kargi. Letztere halten sich zurück, doch Lugano kann sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, Basilio zu tadeln: "
Ich weiß ja nicht, wie ihr das bei euch in Korak haltet, Feldwebel, aber wir hier vergiften nicht ganze Garnisonen samt Zivilisten wie elosische Piraten, nur um einer Schlacht zu entgehen."
"
Das reicht, Hauptmann", unterbricht ihn Ejdarn an dieser Stelle, bevor sie an Basilio gewandt fortfährt. "
Auch wenn mein Hauptmann sich im Ton vergreift - in der Sache muss ich ihm zustimmen. Ganz abgesehen davon, fließt der Fluss nach Gulasado noch durch ein halbes Dutzend kleinerer Ansiedlungen. Eine stärkere Konzentrations des Giftes, würde auch in diesen wenn nicht zu Todes-, dann sicher zu schweren Krankheitsfällen führen. Daher ist das in jedem Fall keine Option.
Aber lasst uns lieber auf den svimohzischen Priester kommen. Mir sagt das nichts. Wenn, dann muss dieser Mann erst vor kurzem zu der Mannschaft gestoßen sein. Woher habt Ihr überhaupt diese Information, Feldwebel?"
"
Falls es stimmt", mischt sich Hrajr Kortika ein, "
dann muss es sich bei der Gottheit um Vasau handeln - den Prinzen der Angst." Als die Anwesenden ihre Blicke fragend auf den Hauptmann richten, zuckt dieser mit den Achseln. "
Ich habe einige Zeit mit Obekiki verbracht, unserem Feldscher aus Azhnomahn. Er hat mir erzählt, dass Vasau auf Svimohzia leider eine wachsende Gefolgschaft hat und dass er auf dem kleinen Kontinent Owhzi gerufen wird. Das klingt doch ähnlich, nicht wahr?"
Basilio atmet für einen Augenblick erleichtert aus - Ejdarns an ihn gerichtete Nachfrage scheint vom Tisch. Doch er hat die Rechnung ohne Lugano gemacht. "
Bleibt natürlich die Frage der Kommandantin", mischt sich dieser ein. "
Woher habt ihr diese Information und wie vertraulich würdet ihr die Quelle einstufen?"
[1]Bei Maniks Nachfrage zur Haltung der Kargi zu mit Küchenmessern bewaffneten Frauen, schnaubt Mago leicht. Seine Kiefermuskeln malmen, ebenso die von Barkas. Offensichtlich kränkt ihn die angedeutete Möglichkeit, es könnte anders sein. "
Ich kann nicht für alle Kargi sprechen", sagt er schließlich mit einem Blick zu Basilio, der an der korakischen Südfront vieles erlebt haben wird, "
aber Männer unter meinem Befehl bringen keine wehrlosen Frauen um."
Eine beruhigende Antwort für den Fhokki - oder doch nicht? Es bleiben die Fragen, ob Helga vernünftig genug ist, die Kargi nicht anzufallen, falls sie auf sie trifft, und ob ein Ukhtark eine fünf Fuß große, dhrokkerische Frau mit einer Klinge in der Hand als 'wehrlos' einstufen mag, oder nicht. Bei Mago und Barkas ist sich Manik sicher, aber was ist mit den Männern des
Seroguls.
Als Manik dann noch vorschlägt, dass die Kargi sich lieber ihrer Gruppe einschließen und den Bergfired von Innen erstürmen, schaltet sich Ejdarn wieder ein. "
Das muss ich leider ablehnen, Nordmann", sagt sie an den Fhokki gewandt. "
Eure Gruppe wird zu groß werden und damit nicht unbemerkt hinübersetzen können."
"
Das ist schon in Ordnung", fügt Mago hinzu. Dann wendet er sich an Manik. "
Danke für deinen Vorschlag, aber wir haben unsere eigenen Sturmkommandos bei den Kargi. Ich gebe zu, wir werden einige Pfund mehr in die Höhe ziehen müssen, als Basilio, allerdings sind die Männer, die ich mitnehme, darin geübt. Wir versuchen es mit Kletterhaken und Piken. Aber wenn der Scheinangriff nicht für genug Ablenkung sorgt und wir auf zu viel Widerstand treffen, dann werden wir umschwenken und einfach über die Mauer der Burg setzen, um uns mit euch zu vereinen."
Und so nimmt der Plan Gestalt an, während die Sonne immer weiter über den Firmament wandert. Das Azurblaue des Himmels wird immer mehr von den Rottönen und dem Grau der Abenddämmerung verdrängt. Bald wird die schützende Dunkelheit der Nacht und die Zeit für den Angriff gekommen sein. Es ist noch Zeit für die letzten Worte und Absprachen, bevor die Vorbereitungen beginnen können.