Acht!
So langsam wurde es voll in diesem Raum, und für Ponzios Laune war dies nicht unbedingt zuträglich. Er hatte mit vier oder fünf anderen außer ihm gerechnet, und nun schienen immer mehr Leute hier aufzutauchen. Er war hierhergekommen, um dem Trubel der Großstadt zu entkommen, und nun schien dieser Trubel ihm hierher zu folgen. Und mit jeder Person, die auftauchte, verstärkte sich sein Drang, sich wenigstens einen kleinen Becher Wein einzugießen.
Konnte ein wenig Wein denn schaden? Es würde ihn nur ein wenig lockerer machen, nichts weiter.
Vor seinem inneren Auge sah der Magier sich selbst inmitten einer versifften Spelunke auf dem Tisch stehen und völlig betrunken Zaubertricks vollführen, bis er plötzlich das Gleichgewicht verlor und vom Tisch stürzte.
Ponzio fasste sich unwillkürlich an die Hüfte, die bei regnerischen Wetter immer noch schmerzte, und riss sich zusammen. Nein, nie wieder wollte er so enden!
Seine Gedanken schweiften zurück ins Hier und Jetzt: Wollten die Auftraggeber der Kirche etwa noch ein Auswahlverfahren starten? So hatte es sich in Kerse nicht angehört, als er sich hatte anheuern lassen. Er war hier zumindest in der festen Erwartung angereist, für die nächste Zeit ein sicheres Auskommen zu haben.
Auf der anderen Seite war es ein ungewöhnliches Ansinnen, was die Kirche hier vorhatte, für das sicherlich jede helfende Hand gebraucht werden würde - im Detail wusste Ponzio jedoch noch nicht, was seine Aufgabe überhaupt sein würde. Womöglich würden sie auch nicht alle zusammen arbeiten; nun ja, der Zeit nach zu urteilen müsste dieser Erthoran ja bald auftauchen und hoffentlich etwas Licht ins Dunkel bringen.
Bis dahin konnte der Magier die Gelegenheit nutzen, um die Anwesenden etwas näher zu begutachten: Das kurze Gespräch mit Eronomion - er hatte ein Talent für Namen, und legte Wert darauf, sich diese möglichst schnell einzuprägen - war schnell versiegt, und der junge Mann hatte sich Alyssa zugewandt. Auch sie wirkte noch äußerst jung, und er hätte sich früher wohl auch lieber mit einem hübschen Mädchen unterhalten als einem alten Sack - denn das musste er in den Augen dieser, nun, im Grunde waren es beinahe noch Kinder, sein. Unterschätzen durfte man das Mädchen jedoch nicht; für das geübte Auge war leicht zu erkennen, dass sie in den magischen Künsten bewandert sein musste. Er würde sich, falls sie tatsächlich zusammenarbeiten würden, später einmal mit ihr unterhalten müssen; momentan war sie jedoch als einzige Frau im Raum belagert.
Unter den anderen waren zwei mürrisch dreinblickende Zwerge, wobei Zwerge seiner Meinung nach immer mürrisch aussahen - vielleicht war das einfach ihr Aussehen. Und um auch wirklich jedes Klischee zu bestätigen, trugen beide Plattenrüstungen, als ob hier im Tempel plötzlich ein Kampf ausbrechen würde. Dann waren da die beiden Bogenschützen, von denen der eine, Kivan, gerade von Alyssa nach seinen Tätowierungen befragt wurde. Ein Erastil-Anhänger also - vielleicht hatte er gar keine andere Wahl gehabt, als sich hier vorzustellen.
Der zuletzt eintreffende Mann, Paran, schoss jedoch den Vogel ab: Kaum war er angekommen, als er auch schon seine Magie zur Schau stellte - Ponzio war der Mann sofort unsympathisch, und sei es nur, weil auch er selbst in seinen schlimmsten Tagen sich so oder ähnlich aufgeführt hatte. Dass er aber zu diesem Treffen einen Langspeer mitbrachte, an dem offenbar ein aufgerolltes Banner befestigt war, setzte dem ganzen die Krone auf. Ponzio versuchte zwar, nicht nur aufgrund des ersten Eindrucks sein abschließendes Urteil über Paran zu fällen, aber es fiel ihm schwer.
Wann würde es endlich anfangen, damit dieses peinliche Herumstehen ein Ende hatte?