Vor Ragnis Augen verschwimmt die Höhle und seine Gefährten und weicht einer blutroten Welt aus sengendem Schmerz. Als Blut seine Wangen hinab rinnt, steigt ihm der Geruch von Eisen in die Nase und in seinen Ohren hämmert der wahnsinnige Chor des Abgrunds, eine Kakofonie unzähliger gepeinigter Seelen.
Während sein Körper in Flammen aufzugehen scheint, spürt der Alchemist, wie ihm sein sonst so analytischer Verstand entgleitet. Nichts scheint mehr Sinn zu geben, Chaos breitet sich in seinem Geist aus wie enorm potentes Gift und versucht Ragni um den Verstand zu bringen.
So kurz vor der Auslöschung seiner Existenz durch die rohe Energie des Abgrunds sind Ragnis letzte Gedanken bei seinem Lehrmeister Remigius.
Der alte Mann sitzt im Schneidersitz vor Ragni auf dem Boden, seine muskulösen Oberarme vor der Brust verschränkt. Der silberne Kopf eines altehrwürdigen Elefanten sitzt auf den breiten Schultern des Meisters und blickt den kleinen Alchemist kleinen klugen Augen an, um die sich ein Netzwerk aus tiefen Falten und Furchen bildet.
Rhythmisch schwingt der Rüssel des Elefanten hin und her, als Ragni Worte vernimmt, die nicht seinem Meister und vermutlich auch keiner anderen sterblichen Kreatur gehören. Das tiefe Brummen der Stimme erfasst seinen ganzen Körper und lässt den rasenden Schmerz verstummen, der soeben noch seinen Verstand zu ruinieren gedroht hat.
Ein äußerst gefährliches Experiment, Ragni. Auch wenn Erkenntnisse jedweder Art erstrebenswert sind, sind sie dies nicht um jeden Preis. Und dieser Preis war zu hoch, meinst du nicht?
Wenn sich ein Sterblicher wie du mit Quintessenz vermischt, wird er daran zugrunde gehen. Deine Körper hält den Energien nicht stand, dein Geist wird zerfetzt und dein Selbst wird zerstört werden. Unter normalen Umständen wäre dies dein Tod, junger Ragni.Der Elefant blinzelt und zuckt kurz mit den Ohren.
Doch Bharnarol weiß, dass du nicht aus reiner Neugier gehandelt hast, sondern um ein Leben zu retten. Ein Leben eines meiner Schützlinge noch dazu. Selbstlosigkeit und Güte haben dich zu einer schrecklichen Tat mit ungewissem Ausgang verleitet, anders als der Dunkelelf, der nur von Gier und Bösartigkeit bewegt wurde.
Ich werde dir meinen Segen geben, Ragnos Zrukan Zakro, auf dass dein Geist ein Bollwerk bildet gegen das Chaos des Abgrunds in deinem Körper. Dein Leib wird sich verändern und die rohe Kraft des Abgrunds wird für immer in deinen Adern fließen, doch dein Verstand wird dir erhalten bleiben. Du selbst bist nun ein Experiment, vielleicht eines der bedeutendsten des Multiversums.
Nur du und du allein wirst beeinflussen können, ob das Experiment deiner Existenz scheitern oder erfolgreich sein wird. Du hast dein Schicksal selbst in der Hand.Der Elefant nickt zufrieden und Ragni wird plötzlich wieder von den glühend heißen Schmerzen gepackt. Doch auf einmal ist da noch etwas anderes, etwas Helles und Kühles, auf das er sich konzentrieren kann, um die Schmerzen zurückzudrängen. Ragni nimmt all seine verbliebene Kraft zusammen und klammert sich an diesen einen Funken, der auf einmal in seinem Verstand aufgetaucht ist.
Die Helden haben mittlerweile einen Kreis um ihren schreienden Gefährten gebildet und nach Damians Ausruf vorsorglich ihre Waffen gezogen.
Mit dem Schlimmsten rechnend müssen sie mit ansehen, wie Ragnis Körper sich verändert, wie sein Fell sich aufrichtet und jedes Haar wie ein Dorn von seinem Körper absteht, wie seine Gliedmaßen sich verlängern und verkrümmen, wie seine Krallen und Zähne zu gefährlichen Mordinstrumenten anwachsen und wie sich ein rotes Feuer in den weit aufgerissenen Augen des kleinen Alchemisten entzündet.
Dann jedoch hält Ragni plötzlich inne. Ein gleißendes Licht entfacht sich auf seiner Stirn und wie von Geisterhand geschrieben entsteht eine komplexe Rune auf der Stirn des Alchemisten.
[1]Ragni hört plötzlich auf zu schreien und kratzt sich die Stirn, ganz so als würde es ihn an dieser Stelle furchtbar juckend. Dann verblasst die Rune und lässt einen verwirrt in die Runde blickenden Ragni zurück.
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