Der junge Mann erwachte mit einem heftigen Ruck aus seinem unruhigen Schlaf. Gehetzt suchte sein Blick für einen Moment den Boden in unmittelbarer Nähe ab. Das unregelmäßige Flackern des Feuers zauberte Schatten, die sich über die Erde bewegten, jedoch ebenso schnell wieder verschwanden. Er war alleine. Er atmete durch. Er hasste den Schlangentraum.
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Tian war als eines von vier Kindern in eine der älteren Bauernfamilien geboren worden. Sein Vater folgte den Gebräuchen und Werten seines Standes auf den Punkt. Sie lebten mit, durch und von dem Land, achteten Jahreskreis und Tradition, zahlten die oftmals willkürlich scheinenden Steuern und waren alles in allem auch gute, hilfreiche Nachbarn. Die Söhne, allen voran der älteste, nahmen das Leben mit der Muttermilch auf und erlernten bereits im Tragetuch der Mutter was es bedeutete, verantwortungsvoll und im Einklang mit der Natur zu arbeiten. Zumindest so, wie es die Generationen vor ihnen verstanden hatten.

Kleinere und größere Gefahren meisterte die Gemeinschaft, indem sie zusammenhielt. Die Nachbarn unterstützen sich bei Dürre und Regen, harten Wintern, zu heißen Sommern, Krankheit und - so gut es ging - Bedrohung von außen.  So mancher Fleischfresser, den die Suche nach Nahrung auf das bestellte Land getrieben hatte, wurde von den Männern und Frauen verscheucht, wenn eine Bedrohung gar zu arg wurde, gingen die Männer der umliegenden Bauernhöfe gemeinsam auf die Jagd. So war es immer gewesen.

Nun war der Vater mit zwei prächtigen Söhnen gesegnet, die versuchten ihm in allem Recht zu tun und ihn mit Stolz zu erfüllen. Danach kamen noch zwei Kinder. Das jüngste war eine Tochter. Sie war brav und pflichtbewusst und als Nachzüglerin von allen geliebt und beschützt. Tian war der dritte der Söhne. Ausgerechnet er kam nach der Mutter. Irgendwo in ihrer Linie hatte es wohl einmal ein Zusammentreffen mit einem vom Feenvolk gegeben. Darüber wurde in der Regel geschwiegen, selbst wenn man sich kurze, sorgenvolle Blicke zuwarf, als der Junge mit einem roten Haarschopf zur Welt kam und seinem Vater auch ansonsten wenig ähnlich sah.

Wie seine Brüder versuchte auch Tian seinem Vater zu gefallen und sich in das Leben auf dem Hofe einzufügen. Er arbeitete ebenso hart, doch zeigte er oft eine andere Herangehensweise an die vielen Aufgaben. Tian schien eine besondere Verbindung zur Natur in sich zu tragen, knüpfte schnell Freundschaft mit allerlei Getier. Er fand nichts Besonderes daran, wenn ihm beim Spielen Wildtiere zugingen und die Farmtiere ihm während der Arbeit freundlich begegneten. Doch seinen Brüdern fiel auf, dass er anders war als sie, es durch sein Händchen mit den Tieren oft leichter hatte. Sie neideten ihm dieses Talent und ließen ihn ihren Missmut spüren. Und auch dem strengen Argwohn des Vaters entging die seltsame Art des dritten Sohnes nicht, so dass er Tian mit noch größerer Härte zu führen suchte als die anderen. 

In Tians 18. Sommer verlief sich der junge Sohn eines befreundeten Nachbarn in einem angrenzenden Wald. Die Brüder zögerten nicht, sich der Suche anzuschließen. Es war Tian, der das Kind fand. Es war auf der Suche nach dem Heimweg immer tiefer in den Wald geraten und einer Bärin mit ihrem Jungen zu nah gekommen. Das erregte Tier war drauf und dran den Jungen anzugreifen, als Tian sich schützend dazwischen stellte. In der vollen Überzeugung, seine letzte Minute habe geschlagen, ließ er die große Bärin kommen. Die verlangsamte ihren Schritt und kam vor dem jungen Mann zu stehen, beschnupperte ihn und legte ihren mächtigen Kopf sanft auf sein Haupt. Dann kehrte sie um und verschwand mit ihrem Nachwuchs im Dickicht.

Noch in der Nacht befahl ihm sein Vater die wenigen Habseligkeiten zu packen und schickte ihn nach Norden - zu den Druiden.

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