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« am: 30.04.2010, 09:16:12 »
Der Anblick der noch immer vom Krieg gezeichneten Stadt erfüllte Arvilars Herz mit Trauer und Freude zugleich und er hätte wohl tagelang hier stehen und einfach nur seine in sanften Nebel gehüllte Heimat betrachten können. Aber es gab wichtiges zu erledigen und Arvilar verschwendete nur einige Minuten mit der Betrachtung des Festungsheims. In den letzten Tagen hatte er viel von der Schnelllebigkeit des Lebens außerhalb seiner Heimat mitbekommen und auch wenn es keinen wirklichen Grund zur Eile mehr gab, so war es doch sein Anliegen sich möglichst bald niederlassen zu können. Aber bevor dies geschehen konnte, war noch etwas unbedingt zu erledigen. Schon auf dem Weg zum Wolkenkronenpalast wurde er von einigen der Stadtwachen erkannt und schnell formierte sich eine Eskorte um ihn zu Fürst Duirsar zu geleiten. Dies war auch wenig verwunderlich, schließlich war er vor einem Beschluss der Hügelältesten geflohen und hatte sich ihrem Zugriff entzogen. Arvilar wusste nicht, wie viel Fürst Imesfor von ihrem Gespräch offenbart hatte und genauso wenig, wie gut die Elfen Immereskas über die Ereignisse seit seinem überhasteten Aufbruch informiert waren, aber diese Unwissenheit beunruhigte ihn kaum.
Schließlich gelangte der Klingensänger in den Palast und auch wenn er dort mehrere Stunden allein in einer abgeschiedenen Kammer warten musste, so empfing ihn Fürst Duirsar letztendlich doch noch am selben Tag. Der deutlich ältere Sonnenelf, wartete in dem gleichen Zimmer in dem sie sich beim letzten Mal unterhalten hatten auf den Klingensänger und auch wenn Arvilar nicht wusste, was ihn erwartete, so war er doch bereit jegliche Strafe auf sich zu nehmen, in dem Bewusstsein im Sinne Corellons gehandelt und die Gefahr von seiner Heimat abgewendet zu haben.
Der Empfang des Herrschers, war jedoch nicht so, wie Arvilar erwartet hatte, denn statt eines längeren Vortrag erntete Arvilar nur ein Nicken: Der Gang der Ereignisse gibt euch recht, wir bitten euch in einem Zehntag vor den Ältesten zu erscheinen und ausgiebig zu berichten. Wir würden es begrüßen, wenn ihr euch dieses Mal nicht vorher in Luft auflöst.“
Das Lächeln, mit dem der Sonnenelf den letzten Satz aussprach bestätigte Arvilar den leisen Verdacht, dass er tatsächlich keine Bestrafung befürchten musste, sondern seine Entscheidungen gut geheißen wurden. Offensichtlich hatte die Nachricht vom Erfolg der Gefährten sich schneller verbreitet als der Klingensänger erwartet hatte. Aber vielleicht war der Beschluss über die Strafe für den ungehorsamen Sonnenelfen auch schon gefallen, während er noch in der Fremde weilte.
Arvilar kümmerte dies jedoch wenig, denn für ihn waren in diesem Moment andere Dinge sehr viel wichtiger. Nach seinem Gespräch mit Fürst Duirsar begab sich der heimgekehrte Sonnenelf zielstrebig zu dem Anwesen, das für mehr als ein Jahrhundert sein Zuhause gewesen war und es, wenn es nach ihm ging auch sehr bald wieder sein würde. Wie auch bei seinem letzten Besuch blieb er kurz auf der Schwelle stehen um ein Gebet an den Elfenvater zu richten: “Erster der Seldarine, der du meine Schritte bis zu diesem Tag lenkst, hab dank, dass du mich hierher zurückgeführt hast. Gewähre mir die Gnade dieses Haus, das mein Heim ist, niemals wieder für so lange Zeit oder so plötzlich verlassen zu müssen.“
Wie auch schon einige Tage zuvor begab Arvilar sich direkt in seine Gemächer um die Kriegsrüstung abzulegen. Allein die zwei Schwerter blieben an seiner Seite. Jenes Rapier, das er vor langen Jahren von seinem Vater in Empfang genommen und bis vor einigen Tagen niemals aus der Hand gegeben hatte und auch jene magische Klinge, die vor ihm einem der Avariel gehört hatte, die im Windeklangturm bei der Verteidigung gefallen waren.
So entlastet machte er sich wieder auf in den Wohnraum und die Nachricht seiner Rückkehr hatte offensichtlich auch schon die Hallen der Dame Goldherz erreicht, denn Masikil erwartete ihren Bruder, gehüllt in ihre priesterlichen Roben, begleitet von ihrer beider Vater Galian. Arvilar lächelte den beiden zu und seine Augen fanden die seiner Schwester: “Ich werde mein Versprechen halten und dieses Mal bleiben. Wenn Corellon will für sehr lange Zeit.“
Das Wiedersehen mit seiner Familie war herzlich und den Zehntag bis zu seinem Treffen mit den Hügelältesten verbrachte Arvilar mit langen Wanderungen durch seine Heimat häufig von Galian oder Masikil begleitet und langsam fand Arvilar zurück in ein Leben, wie es so viele andere Bewohner des Grauen Heims führten, fernab von der Hektik und den Sorgen der Menschenreiche. Der Bericht vor den Hügelältesten bestätigte, dass diese ihm nicht gram waren und nachdem er ihnen in allen Details die Ereignisse der vergangenen Zehntage dargelegt hatte, soweit sie sich ihm erschlossen, gewährten sie Arvilar seine Bitte ein Mitglied der Schwerter Immereskas zu werden. Die Erfahrungen außerhalb der Stadt hatten ihn zu einem der besten Klingensänger Immereskas gemacht und so kam man Arvilars Wunsch mit Freuden nach.
Einige Wochen später nahm er schließlich den Dienst bei den Schwertern auf, die sich nur sehr langsam von dem Desaster des Phaerimm-Krieges erholten. Arvilar tat sein möglichstes um bei der Ausbildung der Krieger zu helfen, auch wenn einige von ihnen deutlich älter waren als er selbst, mit seinen nicht einmal zwei Jahrhunderten. Dennoch waren es die Erfahrungen Arvilars jungen Lebens, die für all jene Elfen, die Immereska noch nie verlassen hatten so wertvoll waren. Schnell stieg der Erbe des Hauses Naqastra in den Reihen der Schwerter auf und gehörte bald zu einem der Vertrauten des Schwertmeisters Rhaellen Darthammel, der die Truppen Immereskas kommandierte, während er sich nun auch wieder vermehrt dem Studium der Arkanen Künste widmen konnte, da er wieder unter den Selu’taar Immereskas weilte.
Es verging beinahe eine Dekade, bis sich an Arvilars Leben etwas änderte. Während dieser Zeit, war auch sein Vater Galian schließlich wieder zu einem Teil seiner Stärke zurückgelangt, auch wenn der Verlust seiner Frau und seiner Kinder noch immer sehr schwer auf ihm lastete. Dazu kam die stetig schwelende Angst, dass die Mondklinge der Naqastra schließlich doch noch sterben und die Linie des Hauses enden würde, obwohl Arvilar zurückgekehrt war. Einen Hoffnungsschimmer erschien an jenem Tag am Horizont als Immerdar eine neue Botschafterin nach Immereska entsandte um einen stetigeren Kontakt zum Festland zu etablieren. Durch die Rückkehr von Ar'Cor'Kerym nach Myth Drannor und der endgültigen Wiederherstellung Cormanthyrs war auch der letzte Widerstand im fernen Rückzugsort der Elfen gegen eine stärkere Präsenz in Faerûn gefallen.
So geschah es schließlich, dass Aravae Durothil durch das Portal trat. Die junge Sonnenelfe, die einem der mächtigsten Clans Immerdars angehörte, wurde der Elfe, deren Namen sie trug, in allen Belangen gerecht. Aravae Irithyl war die Nichte und Erbin des letzten Herrschers Cormanthyrs vor seinem Fall, Eltagrim Irithyl, gewesen und beide Trägerinnen des Namens zeichneten sich durch ihre besondere Schönheit, sowie den scharfe Verstand, der ihnen gemein war, aus. Der Zufall oder vielleicht auch die führende Hand Corellons wollten es, dass die Hügelältesten Arvilar bestimmten um die Wache der Botschafterin Immerdars anzuführen und so oblag ihr Schutz für Jahre den Händen des Klingensängers, auch wenn dies innerhalb des Mythals mehr eine Ehrenstellung als eine ernsthafte, militärische Aufgabe war.
Im Laufe der Zeit spürten beide, dass das Band, was sich zwischen ihnen beiden entwickelte, ein anderes war als jenes, das einen jeden Elfen mit seinen Brüdern und Schwestern verknüpfte.
Dennoch brauchte es beinahe drei Dekaden, bevor Arvilar wagte Aravae und damit das Haus Durothil um ihre Hand zu bitten. Dank der Taten, die er im Kampf gegen die Umbravar vollbracht hatte und seiner hohen Stellung bei den Schwerter Immereskas, erachteten ihn die Durothil für würdig eine der ihren zur Frau zu nehmen und schließlich besiegelten die beiden in den Hängenden Gärten Aerdrie Faenyas ihre Verlobung.
Nach dem Brauch der Sonnenelfen dauerte es noch weitere zwei Jahrzehnte, bevor Aravae und Arvilar schließlich den Segen Corellons für ihre Verbindung erbaten. Beide waren inzwischen in ihrem zweiten Jahrhundert angelangt, was viele Elfen als die beste Zeit erachteten um eine Familie zu gründen. Dann wenn das jugendliche Ungestüm endgültig verflogen war.
Zu diesem Zeitpunkt war von seinen ehemaligen Gefährten Selvan der einzige, der noch auf Faerûn weilte und so blieb allein er von der Gemeinschaft der Windeklangringe um an der Zeremonie teilzunehmen.
Galian Naqastra, der immer noch mit den Lasten der Trauer und der Angst vor dem Ende seines Hauses zu kämpfen hatte, konnte sich an jenem Tag schließlich von einem der beiden befreien. Allerdings gab es nun, da sein Sohn den Fortbestand des Hauses sicher stellen würde nur noch wenig, was den alten Elfen an Faerûn band und so verging nicht einmal ein Jahr, bis er nach Westen ging.
Wie es die Sitten verlangten ging die Mondklinge der Naqastra an Arvilar und nachdem die gewohnte Trauerzeit verstrichen war, stellte der Klingensänger sich ihrem Urteil und wurde an genau jenem Tag für würdig befunden, an dem auch sein Sohn Koshida, das Licht der Welt erblickte. Nun zum Patriarchen des kleinen Hauses geworden, blickte Arvilar gemeinsam mit seiner Familie freudig den noch kommenden Jahrhunderten entgegen.