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« am: 12.03.2012, 22:03:13 »
Danshi hatte während Tu sprach den Blick nicht von diesem fantastischen Schauspiel der Natur nicht losreißen können. Er war so gebannt von dieser Wechselspiel zwischen Schönheit und Verfall, dass er Tu nicht einmal richtig zuhören konnte, bis... ja bis Tu selbst die Disharmonie ansprach. Und da öffnet es Danshi mit einem Mal die Augen und er wendete sie ab und hin zu Tu. Mit einem Mal spürte er etwas in sich. Freilig nichts, was er benennen konnte. Doch etwas, von dem er wußte, dass er schon sehr lange danach gestrebt hatte. Ihm wurde gleichzeit schwer und leicht ums Herz.
Schwere Erinnerungen, die in ihm hochstiegen. Da war der Krieg und die vielen Kameraden, die er an die berittenen Stämme verloren hatte. Die Verwundungen, der Hunger, das brennende Haus. Erst jetzt spürte er, dass diese Wunde nie verschloßen gewesen war, ja nicht einmal vernarbt war. Die Zeit heilt halt doch nicht alle Wunden. Er hatte es immer mit sich herumgetragen und dieses intensive, erfahrene Leiden war die Triebfeder seines ganzen weiteren Suchens gewesen. Ziellos, sicherlich, zunächst. Er war mit letzten Kräften an den Hof zurückgekehrt, hatte sich dort als Held feiern lassen, ohne innerlich selbst an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Es war die Konkurbine Xuan-Xuan, die ihn zurück ins Leben geholt hatte. Mit ihrer feinen Art, die einen ganz in die Freude des Moments eintauchen ließ. Jetzt verstand Danshi, warum er sich mit ihr lebendig und ohne sie tot gefühlt hatte. Er konnte sich in ihr verlieren. Doch in der wenigen Zeit ohne sie wußte er, dass die Erlösung nicht in ihr lag, sondern in ihm selbst. Sie hatte dies gespürt und ihn darum gedrängt, in die Provinz Bui Cao zu gehen. Und dort wurde er freier, indem er sich nicht mehr so viel mit sich selbst beschäftigte. Er nahm Anteil am einfachen Leben und sorgte sich um die Menschen um ihn herum. Schnell war ihm bewusst geworden, dass weder Heil noch Erlösung vom kaiserlichen Hof zu erwarten war und hatte sich so gegen ihn gestellt. Das war seine Geschichte.
Leicht wurde ihm ums Herz, da er spürte, dass er sie zum letzten Mal durchlebt hatte und nun bereit war, loszulassen. Es war nur dieses einzige Wort, 'Disharmonie', das Tu hier ausgesprochen hatte. Wo anders wäre es Danshi nicht aufgefallen, doch hier im Garten hatte es eine Bedeutung, die er kaum Beschreiben konnte.
"Tusama, ich danke Euch, denn Ihr habt mir die Augen geöffnet. Das Schauspiel ist so atemberaubend, so wunderschön, dass ich mich fast in ihm verloren hätte. Doch Ihr sagtet etwas, dass mich erkennen lässt, dass der Garten doch nichts außergewöhnliches ist. In ihm zeigt sich der Kreislauf von Leben und Tod, das Samsara, nur deutlicher als irgendwo anders. Das Entstehen des Lebens... einzigartig und schön. Und das Vergehen des Lebens... schmerzlich und leidvoll. Im ersten Moment habe ich nur auf die Blüte gesehen - und es beschämt mich nicht zu sagen, dass ich dem Garten beinahe so angehaftet hättet, dass ich es vorgezogen hätte, für immer in ihm zu bleiben und Teil des ewigwährenden Kreislaufes zu bleiben. Doch wir Buddhisten wissen, dass alles Sein auch Leiden bedeutet. Wäre ich Teil des Gartens geworden, hätte ich für immer und ewig gelitten."
Danshi atmete ein und wieder aus. Sein Gesicht zeigte jetzt eine Unbekümmertheit und Zuversicht, wie ihn nur sehr alte und weise Mönche zeigen. "Ein Glück, habt Ihr es mir gezeigt. Und ja, ich bin bereit loszulassen. Ich habe nichts, was mich hier in Chuang noch bindet. Mein Ableben bedeutet gleichzeitig, dass ich das Leid der Menschen lindern kann. Der Garten wird wieder allen zuteil und ich habe gelehrt, was ich konnte, dass die Menschen den Reichtum der Natur einvernehmlich teilen können. Jetzt liegt es in ihrer Verantwortlichkeit, daraus die richtigen Entscheidungen zu treffen.", Danhsi lächelte, "Gewiss werden sie ihre eigenen Gedanken hinzufügen und mich darüber im Laufe der Zeit vergessen. An meinen Namen wird sich niemand mehr erinnern. Umso besser! Ich habe alles getan und ich bin nun fertig. Es gibt nichts mehr zu bedauern und nichts mehr hinzuzufügen.", sagte er.
"Drei von 1262 haben sich geopfert. Die Humanoide müssen noch viel lernen.", führt er in Gedanken weiter aus. "Doch ich habe versucht ein Vorbild zu sein und vielleicht werden nach mir noch viel andere die Erleuchtung erfahren - ob mit oder ohne meine Lehren. Mein letzte Tat wird den anderen Denunzianten vielleicht ein Vorbild sein, den Humanoiden von Chuang das Leiden erleichtern und mir selbst Frieden bringen. Es ist alles ganz einfach."
Unbekümmert ging er an Tusama und den Denunzianten vorbei. "Mit dem Durchschreiten des Tores endet mein irdisches Leben. Indem ich dem Samsara entsage, mache ich mich bereit für das Nirwana. Ich habe zum ersten Mal keine Angst mehr. Ich bin frei. Lebt wohl!"
Damit schritt Danshi durch das Tor.