Auch Regis und Vincent waren am großen Abend der Eröffnung vor dem Zelt nicht untätig und unterhielten die hereintrudelnde Menge mit etwas Herumgehampel. Beide waren schwarz gekleidet und weiß geschminkt, hatten weiße Handschuhe und große weiße Stoffrüschenknöpfe großzügig bis unter den Hals angebracht. Nase und Mund jeweils waren in hellem Rot geschminkt und so geisterten sie etwas durch die Menge.
Wo Platz war und Kinder ihnen Aufmerksamkeit schenkten, hielt Vincent inne, gab ihnen mit einem Fingerzeig zu verstehen, dass es etwas zu sehen gab und zauberte aus seinem weiten Ärmel einen Teller hervor.
[1] Regis, welcher wohl eindeutig den Tollpatsch des Duos verkörperte, da er sichtlich umständlich herumtorkelte, fiel dann die Aufgabe zu, den Teller, welchen Bruder Mond in die Luft warf, zu fangen. Selbiges gelang selbst unter sichtlicher Anstrengung des kleineren schwerfälligeren Clowns kein einziges mal, zog Bruder Mond doch geschwind einen Teller nach dem anderen aus dem Ärmel, wo scheints ein unendlicher Vorrat des zerbrechlichen Guts schlummerte.
Etwas weiter Abseits des Trubels zauberte Bruder Mond dann auch im wahrsten Sinne des Wortes eine Violine aus seinem Ärmel
[2] und begann garnicht so ungeschickt eine heitere schwungvolle Melodie zu spielen, zu welcher Clown Regis unbeholfen wie ein Tanzbär herumwirbelte und wankte als wäre er von einem Rattenfängerzauber betroffen.
Wie sie sich so abseits des großen Geschehens noch beschäftigten bekamen sie erst recht spät mit, dass etwas nicht stimmte, als ein Schausteller zum Kartenverkäufer stieß und ihm etwas zuflüsterte wodurch diesem die Mimik entglitt. Die beiden kamen gerade rechtzeitig zum Ort der Bescherung, um den Professor nach dem Einsatz der Gaukler verlangen zu hören und so blieb Vincent kein Moment den Schock zu verdauen den das schreckliche Bild sofort in ihm hervorgerufen hatte und es ging raus in die Manege. Dank ihrem Aufzug konnte man Vincent die momentane Verfassung nun nicht ansehen und Regis wirkte von dem Vorfall ohnehin ungerührt, was nun wiederum Vincent schmerzlich vertraut von seinem bizarren Freund war. Nichts desto trotz versuchten sie den Zuschauern auf die altvertraute Art Unterhaltung zu bieten. Wieder flogen Teller und krude Statuetten durch die Luft, um auf den armen Regis wie ein Porzelanregen hernieder zu gehen. Wieder musizierte Vincent auch mit voller Leidenschaft und gestattete es dabei nicht nur Regis sondern auch den anderen Gauklern nach Herzenslust durch die Manege zu toben und Schließlich endeten sie ihren Akt, indem Vincent einen schwarzes Tuch über Regis warf und dieser verschwunden war, als er es wieder fort zog. Das Regis sich dabei in eine Fledermaus verwandelte und in Vincents ausladenden Ärmel kroch, hielten die zwei auch gegenüber ihren Freunden hier als Künstlergeheimnis im Dunklen.
Endlich verbeugte sich Vincent galant und tief in alle Richtungen der Tribüne und genoss für einen Augenblick die vielen fröhlichen Gesichter, ehe er den wahren Artisten das Zirkuszelt überlies.
Bruder Mond suchte auf direkten Weg ein Eckchen auf wo er unbeobachtet war um der Fledermaus Gelegenheit zu geben, aus seinem Umhang hervor zu flattern und sich wieder in menschliche Gestalt zu verwandeln. Regis drehte sich sofort mit todernsten stechendem Blick zu Vincent um und zog ihn energisch am Arm Richtung ihres Zeltes. Vincent war irritiert lies sich aber führen und beobachtete lange Momente verdattert, wie Regis damit begann ihre Habseligkeiten in den großen Reiserucksack zu packen.
„Was hast du vor?“ fragte er mit wachsender Vorsicht seinen Vertrauten.
„Nach was sieht es denn aus? Ich bringe dir bei wie man mit solchen Situationen umgeht!“ Fauchte Regis nur ungehalten. Vincent blickte völlig entgeistert zurück.
„Nein! Wir werden hier nicht einfach verschwinden, da mache ich nicht mit.“ Der untersetzte Vertraute hielt im zusammenpacken inne und drehte sich nun zu seinem Meister um. Tief seufzte er und schritt auf Vincent zu, der immer noch zutiefst unsicher über das vorgefallene wirkte.
Er legte ihm freundschaftlich und versöhnlich die Hand auf die Schulter und sprach ruhig und sachte weiter, so als wolle er einem Kind etwas erklären.
„Überlege doch einmal. Für was sah das für dich aus? Die Schrecklich verzerrte Todesfratze. Die Rattenspuren über und über am Boden... Na? Dämmert da was?“ Regis blickte Vincent fest in die Augen, wie ein Lehrer, der auf die Antwort seines Schülers wartete.
Vincent faste sich und es dauerte nicht lang, ehe er antwortete.
„Finstre Magie.“ Regis nickte langsam.
„Und wer glaubst du hegt einen Groll gegen den Direktor und uns alle um so etwas zu veranlassen?“ Wieder begann Regis auf die Antwort zu warten, doch entgegnete Vincent bereits als wolle der die Gedanken vervollständigen, die die Frage bedingte.
„Madame Dämmerlicht hätte Grund dazu...“ Abermals nickte Regis daraufhin.
„Ihr wäre es zuzutrauen. Vielleicht auch anderen aber das spielt keine Rolle. Ich habe den Auftrag auf dich aufzupassen und hier bist du in Gefahr.“ „Aber wenn Sie es auf den ganzen Zirkus abgesehen haben, sind wir alleine genauso in Gefahr. Hier können wir etwas dagegen tun. Zusammen mit den anderen sind wir Stark.“ Vincent blickte Regis trotzig an der seine Hand langsam zurückzog einen Schritt nach hinten machte und ihn wieder aufgebracht anfunkelte.
„Narr! Für wie stark hälst du die Bande mit den Leuten hier? Was glaubst du wen sie zuerst die Klinge an die Kehle setzen, wenn es wirklich schwarzes Werk war na wer wären da die verdächtigen für den Haufen hier?“ Vinzent schüttelte den Kopf.
„Das hier ist eine Familie Regis. Diese Leute sind füreinander da. Wir haben nichts getan, aber wenn wir nun einfach verschwinden ja dann wären wir in vielen Augen die Schuldigen.“ Auch in Vincents Blick begann aus Trotz allmählich Zorn zu werden und Regis der das bemerkte, fing an abzuwiegeln. Sacht hob er die Hände und nickte Vincent zu.
„Gut. Wir verschwinden nicht beim ersten Anzeichen von Mord und Totschlag aber eins sage ich dir. Man zieht sich zurück bis man Stark genug ist das Schicksal zu ändern, oder man stirbt als Idiot.“„Wir sind stark.“ Antwortete Vincent und wendete sich dem Zelteingang zu um zurück zum Zirkuszeit zu gehen. Er winkte Regis ihm zu folgen und zweifelte nicht dass dieser es tun würde.
„Du hast ja garkeine Vorstellung Jungchen.“ Murmelte Regis während er Vincent einen lauernden Blick zuwarf, als dieser sich abgewandt hatte. Mit einem plötzlichen Stimmungsumschwung folgte er Bruder Mond als wäre alles in bester Ordnung, während Vincent ernst und Nachdenklich zurück lief um nachzusehen, ob sich schon etwas ergeben hatte und auf eventuellen Einsatz zu warten.
Es gestaltete sich als schwierig, viel aus den knappen und angespannten Worten der anderen zu entnehmen, während zeitgleich alle bemüht waren, die Show trotz dem Vorfall zu einem Erfolg zu machen. Bruder Mond und Regis geisterten beim Versuch zu helfen und zu unterstützen fast ziellos auf dem Gelände umher und ihre Clownskostümierung wirkte dabei etwas absonderlich. Zumindest Regis, der irgendwo einen gezuckerten Apfel gefunden hatte, dackelte heiter und guter Dinge hinter seinem angespannt wirkenden Meister her und schlemmte von der süßen Frucht. Beobachtern winkte er fröhlich zu und schenkte gutgelauntes Lächeln, während er in Anwesenheit Fremder tunlichst darauf achtete, den Mund nicht aufzutun und damit seine kleinen spitzen Zähne zu präsentieren.
Vincent war heilfroh, dass Regis zumindest nachdem die Vorstellung endete und die Besucher das Gelände verließen von der heitren Laune abließ, denn er war vielleicht der Einzige hier, den der Tod von Myron nicht zu Herzen gegangen war. Die beiden kamen etwas Verspätet zu den anderen, die sich nochmals sammelten und begannen dann, mit anderen Nebendarstellern im Zirkuszelt wieder für Ordnung zu sorgen, als einige der anderen damit begannen, nochmals alles draußen nach Spuren abzusuchen.
Der Schrei der schließlich zu vernehmen war, machte die Lage mit einem mal wieder Akut. Vincent ließ die Leiste einfach fallen, die er gerade getragen hatte und auch Regis folgte ihm mit einer Entschlossenheit, die andere nur selten von ihm sahen. Bruder Mond Trat aus dem Zirkuszelt und sah sich um was hier geschah, denn von drinnen war die genaue Richtung des Schreis nicht auszumachen gewesen. Die Schminke im Gesicht war inzwischen verwischt, aber da seine Haut natürlich fahl war, war dies nur von den roten Bereichen zu bemerken.
Er konnte sehen, wie einige der Schausteller Richtung Wald eilten und als er auch Lavenia und Nadeshja aus Myrons Wagen kommen und in diese Richtung verschwinden sah, folgte er ihnen zusammen mit Regis im eiligen Lauf. Sein linker Handschuh begann dabei zu leuchten während Regis scheinbar bei dem Licht der vorherlaufenden bereits genug sah um sich ungehindert zu bewegen.