Tag 9 des Hammer, 1373
Das Jahr 1373 der Taliser Zeitrechnung begann nicht wie all die anderen Jahre im Norden. Die Winterkälte war da, das konnte jedermann spüren. Aber die großen Stürme, das alles überdeckende Schneetreiben ließen auf sich warten, als ob Auril dieses Jahr erbarmen haben würde. Doch vor der Frostmaid gibt es kein Entkommen, was auch zwei kleine Gruppen von Abenteurern zu spüren bekamen, die sich aus entgegengesetzten Richtung und aus den unterschiedlichsten Gründen dem bedrohlichen Schatten von Melvaunt näherten.
Schnell überwindet ihr die letzten Meter bis zu den hochaufragenden Mauern an der Stadtgrenze, wo die Wachen euch mürrisch zunicken, denn ein Schneesturm, der einen in wenigen Minuten bis auf die Knochen durchfrieren ließ, begann in diesen Momenten. Bald darauf durchquert ihr einen weiteren Festungsring und erreicht die eigentliche Stadt Melvaunt. Verglichen mit anderen Städten ist Melvaunt weit ausgebreitet, kaum eines der unfömigen grauen Häuser erhebt sich über zwei oder drei Stockwerke, wobei sich im Erdgeschoß oft ein Geschäft oder eine Schmiede befindet und darüber die ärmlichen Wohnräume mehrerer Familien. Das sich kaum größere Straßen oder Alleen durch die Stadt ziehen gibt euch einen Eindruck davon wieviele Menschen hier tatsächlich ihr Leben fristen müssen. Dennoch würden nur wenige sich über ihr Los beklagen, denn dies ist zum einen nicht die Art der stoischen Melvaunter und zum anderen bringen die reichen Erzströme aus den Bergen im Norden vielen Familien ein erträgliches Auskommen. "Diejenigen die das Erz aus dem Berg holen, fragt doch mal die!", würde man euch antworten, "Und erst recht die, die in den Minen des Schwarzen Netzwerks schuften müssen!", würde vielleicht jemand flüsternd hinzufügen - nur um sich schnellstmöglich umzudrehen und seiner Wege zu gehen. Denn hier sind die Zhentarim nicht nur Schurken aus einer fernen Stadt, sondern eine reale Bedrohung im politischen Leben der Stadt. Mit militärischer Macht ist Melvaunt wohl kaum einzunehmen, davon konntet ihr euch beim Marsch durch den äußeren Stadtring, der fast nur Einrichtungen für die 5000 Köpfe zählenden Streitkräfte der Stadt enthält, überzeugen. Aber die Adelsfamilien, die die Geschicke der Stadt leiten sind durchaus beeinflußbar, die Größeren Häuser Leiyraghon, Nanther und Bruils vielleicht weniger als die kleinen Häuser Marsk, Calaudra und Natali - doch niemand weiß wer wirklich die Fäden zieht. Gerade da es in den letzten Wochen kaum zu "Zwischenfällen" unter den Handlangern der Häuser gekommen ist befürchten viele, das es hier zu einem ähnlich raschen und gefährlichen Umschwung wie beim Wetter kommen könnte.
Auf eurem Weg durch die labyrinthartig verwinkelten Gäßchen beschäftigt euch jedoch vorallem der Lärm und beißende Geruch der überall aus den Essen dringt. Ein Blick in den Himmel verrät, warum Melvaunt einen so weit reichenden dunklen Schatten wirft, denn der allgegenwärtige Rauch läßt gar einen ganzen Schneesturm zu einem tristen, grauen Treiben verkommen, während sich auf dem Boden kaum noch als weiß zu erkennender Schneematsch ansammelt. Schließlich weicht eure Kleidung mehr und mehr durch und die Idee einen warmen trockenen Platz aufzusuchen formt sich wohl in den Köpfen der meisten. Ihr habt das Hafenviertel und damit auch das Zentrum von Melvaunt erreicht und werdet ohne Umschweife auf das Krähennest verwiesen, wo, wie ihr auch aus größerer Entfernung schon hören könnt, auch schon am frühen Abend reger Betrieb herrscht.