In der eben noch relativ friedlichen Höhle bricht in Sekunden die Hölle los. Kaum einer kann überblicken was alles passiert, keiner alles verstehen was vor sich geht. Die Meisten sind zu sehr damit beschäftigt zu begreifen was in ihnen selber vor sich geht.
Alles beginnt damit, dass Lizk sich auf Darya wirft. Er kann sie nicht daran hindern, mit dem grünen Dolch zuzustoßen. Das Siegel zerbricht, die Truhe öffnet sich einen Spalt, beginnt zu rauchen und zu kochen, die grüne Hälfte arbeitet sich schneller vor. Ein für alle sichtbarer grüner Bogen von fremdartiger magischer Energie erhebt sich aus der Truhe und schlägt eine Verbindung zu Anyuna, die davon durchgeschüttelt wird. Den anderen Dolch verliert Darya durch den Angriff, klappernd saust er über den Boden davon. Für einen Moment sieht Darya sehr erschrocken aus und allen Magiebegabten wird klar, dass die jetzige Situation wohl fast schlimmer ist als eine kontrollierte Öffnung. Die Truhe scheint im Augenblick aus dem Gleichgewicht geraten zu sein.
An Darya und Lizk vorbei schießt ein mächtiger Ball gleissenden Lichts auf Hacathra zu.
ENTHÜLLE DICH erschöpft bricht Helene zusammen. Die Elfin kann der Magie nicht ausweichen, wird voll getroffen und eingehüllt. Über ihr stürzen die verschiedensten Empfindungen und Eindrücke zusammen. Dort drüben Helene und Lizk. Mit brachialer Intensität fühlt sie die Gefühle der beiden füreinander. Und was Helene für alle hier an Liebe und Aufopferungswillen empfand. Tränen schießen ihr in die Augen als sie erkennt wie falsch der Eindruck war, diese junge Elfin könnte ihr etwas böses wollen.Im Gegensatz zu dieser Bestie die aus ihr heraus rissen wird. Nur verschwommen „sieht“ sie das Wesen, aber sie fühlt das abgrundtief böse darin, die Wut, die Enttäuschung über den fehlgeschlagenen Plan, den ungeheuren Hass auf alles Lebende. Und da war noch etwas … Seluvia.
Sie hatte ihren Namen gerufen und nun war sie da. Hacathra fühlte ihre Göttin, deren Verzweiflung und Verwirrung. Sie hatte Gutes gewollt und war getäuscht worden. Sie hatte die Kräfte ihrer Mutter geerbt aber nie gelernt damit umzugehen. Sie war mächtig und voller Ideale, aber jung, so jung. Viel stärker als je zuvor fühlt sich Hacathra mit ihrer Göttin verbunden. Weg waren alle Zweifel über Motive und Gefühle Seluvias. Diese waren rein gewesen wie die Liebe die sie verkörperte. Doch sie war getäuscht worden, getäuscht von einem uralten und listigen Gott, auf den auch ältere Götter herein gefallen wären. Doch nun war der Plan enthüllt. Was auch immer in dieser Truhe war, was auch immer der Inhalt mit Anyuna anstellen würde. Es war etwas was diese dunkle Wesenheit verhindern wollte. Und dazu hatte es von Anfang an versucht, die Gruppe zu manipulieren. Hatte sie hergelockt, in einen Konflikt mit Chulai, hatte Valerias Hand geführt bei ihrem Mord, hatte fast den zukünftigen Propheten Schajunes getötet mit ihrer Hilfe.
Und hatte diese Kugel hergebracht … die Kugel …
Ein Schemen wird aus Hacathra gerissen. Brüllend schreit er seinen Zorn hinaus. Seine immateriellen Klauen greifen in den Boden unter sich. Tabor fühlt wie sie im Raum darunter die magischen Bande zerreissen welche die merkwürdige Kugel umklammert hielten. Der Boden bebt, als magische Energien den Raum durchfluten, Ohren zum Klingeln und Nasen zum Bluten bringen. In Sekunden wird der Schemen materieller, nimmt eine mehr oder weniger feste Konsistenz an, wobei die Form sich dauernd verändert. Keiner kann wirklich beschreiben wie es aussieht. Mal war es ein schleimiges Geschöpf, mal eine Art Drache, dann wieder ein undefinierbarer Schatten. Doch welche Form auch immer es gerade hatte, jede löst bei den Anwesenden schreckliche Erinnerungen aus, Panik und Entsetzen.
FÜRCHTET EUCH NICHT, DENN AUCH ER IST BESIEGBAR.
Farin merkt nicht dass er mit dem Gebrüll eines Löwen diese Worte sagt, doch die Wirkung ist unbestreitbar. In Sekunden legt sich jede Furcht und die Gedanken beruhigen sich. Der Schemen versucht nach Helene zu greifen, doch ohne nachzudenken oder sich erklären zu können woher er diese Kräfte hat, tritt Lizk dazwischen und erschafft mit einer Handbewegung eine Schutzkuppel um Altar, Helene, Hatice und Orm. Einzig diese grünliche Energie lässt sich davon nicht beeindrucken und strömt weiter auf Anyuna ein.
Helles silbernes Licht erhellt den Raum als Sarakaja sich in die Luft erhebt. Mit einem Brüllen entfaltet sie ihre glänzenden Schwingen, treibt für einen Moment den Schemen zurück und fliegt in die Höhe. Unter ihr gehen alle Anwesenden eine Wandlung durch. Jeder kann noch sich selber spüren und wie er selber handeln, wenn er sich konzentriert. Aber gleichzeitig empfindet er etwas anderes. Als würden sich in jedem zwei Wesen überlagern.
Für Hacthra ist es noch das normalste. Diese Wandlung in lebenden Stein hatte sie schon mehrfach erlebt, wenn sie sich auch noch nie so lebendig gefühlt hatte wie jetzt. Und voller Zorn auf dieses Wesen was mit ihren Gefühlen gespielt hatte, ihr Einflüsterungen gemacht und sie fast dazu gebracht sich selbst zu verraten.
Tabor fühlt das Gestein in sich aufsteigen. Schnelligkeit war nicht seine Sache, aber Zähigkeit und Stärke. Soviel Stärke. Und das Gefühl der gesamte Raum zu sein, denn überall war Stein. Er war das Gestein.
Unsichtbar war Farin, unhörbar solange er es wollte. Ein lebendes Phantom, das jeden Punkt in Gedankenschnelle erreichen konnte, jeden Angriff ausweichen weil er ihn spürte bevor er geschah.
Lizk spürte die geringste Veränderung aber gleichzeitig die Verwirrendste. Er sah zwei Armpaare, sein normales und ein weiteres, welches eine Art Schild und eine brennende Fackel trug. Er musste sich extrem konzentrieren um das richtige einzusetzen.
Chulai verwandelt sich in ein 4m großes Lavaelementar, von dem große Hitze ausgeht, während Darya … sie wächst, 8 Fuß, 10, schließlich ist sie 12 Fuß groß. Die Haut wird dunkler, ein ebenholzfarbenes, mattschimmerndes Schwarz. Ein zweites Armpaar wächst ihr und in einer fließenden Handbewegung zeiht sie vier geschwärzte Krummsäbel, deren Bewegungen so schnell sind dass keiner außer Farin sie verfolgen kann.
All das und viel mehr sieht Valeria durch ihre Augenbinde. Oder mehr sie spürte es, fühlte die Bewegungen, die Lebenslinien und die magischen Verbindungen. Das Gleichgewicht. Rugar hatte sich nicht daran gehalten, er hatte massiv Einfluß genommen und hier … das war kein Geschöpf Rugars. Valeria ist betäubt von der Erkenntnis, dass sie es mit einem Avatar der dunklen Gottheit zu tun hatten. Wie wichtig konnte das Ritual sein dass er dieses Risiko einging? Die anderen Götter hatten daraufhin ebenfalls eingreifen dürfen, hatten einen Teil ihrer Kräfte übertragen.Valeria spürte die Verbindungen. Hacathra und Seluvia, Farin und Rundare, Lizk und Rhyltan, Tabor und Menkoke, sie und … das Schicksal. Für einen Moment lächelte Valeria. Zum ersten Mal seit sie die Welt betrat fühlte sie die Nähe ihrer Göttin.
Wie eine unbeteiligte Zuschauerin beobachtet sie wie Darya und Chulai sich dem Wesen vorsichtig nähern. Sie sieht die Intensität von Daryas Gefühlen, fühlt ihren Zorn, der die Hitze des Vulkans unter ihnen zu einem lauen Flackern deklassierte. Und dort Chulai. Magische Linien gingen von ihm aus zum Tempel um sie her. Magie die weit über das hinaus ging was sie sich vorstellen konnte. Egal was sie vorher von ihm gedacht hatte, sie hatte ihn weit unterschätzt.
Aber würde es reichen? Würde ihrer aller Kraft reichen um hier zu siegen?
Das Schicksal konnte oder wollte ihr diese Frage nicht beantworten. Sie musste es selber heraus finden …