Das Frühstück fand in der grossen Dorfhalle und Kneipe des Bürgermeisters statt. Nicht nur die Zwerge waren vollständig versammelt, sondern auch die Bevölkerung Kaninchenbeerens war nahezu vollständig erschienen. So viele Gäste waren nur selten in dem kleinen Dorf. Dementsprechend groß war die Neugier.
Gildung erzählte leicht wehmütig, wie er dem Bürgermeister die gesamten Waren anbieten musste, um die sturen Dorfbewohner dazu zu bewegen, Agatha eine Botschaft zu übermitteln und auf die Präsenz der Orks hinzuweisen. Dabei konnten sie von Glück sagen, dass sie nicht von den aggressiv ängstlichen Dörflern bei ihrer ersten Begegnung von Pfeilen durchbohrt wurden. Allen Anschein nach, steckte in der harten Schale des kampferprobten Zwergs auch ein gewandter Redner und Diplomat.
"Wir werden nun gezwungenermaßen wieder nach Niewinter zurückkehren", offenbarte Gildung am Frühstückstisch. "Ohne Waren gibt es keinen Handel. Wir werden uns in Niewinter erneut bestücken. Der finanzielle Verlust ist zwar bitter, gehört aber zu unserem Risiko. Schade, dass unsere gemeinsame Reise so früh ein Ende nimmt. Aus einigen von euch hätte ich noch passable bis gute Axtkämpfer gemacht - sofern sie es noch nicht sind.", Gildung schenkte Aariyah ein schmales Lächeln, das im dichten Bart fast verloren geht.
"Aber vielleicht sind die Halbelfen", ein Nicken ging zum Nachbartisch "gelehrige Schüler. Sie sind die einzigen Überlebenden der Handelsgesellschaft 'Die Edeltannen' aus Dolchfurt. Die Ärmsten hatten ganz schön viel Pech. Aber die Geschichte lasst euch besser aus erster Hand erzählen.", sagte Gildung und biss ein riesiges Stück Wurst ab.
Die Gelegenheit die Geschichte zu hören, ergab sich später, als einer der Halbelfen diese bereitwillig erzählte. Seine Trauer und Gram ob des Geschehenen ist ihm deutlich anzusehen. Gelegentlich nahm er einen tiefen Schluck Bier.
"Wir sind eine recht neue Handelsgesellschaft. Das war erst unser zweites Mal draussen. Wir sollten eine Familie sicher von Dochfurt nach Silbrigmond bringen und das gelang uns auch. Allerdings mit einigen Verlusten auf unserer Seite. Mit 30 Mann zogen wir von Dolchfurt aus los. Auf der Reise nach Silbrigmond verloren wir sechs durch einen Angriff von Trollen. 40 Meilen westlich von Olostins Feste kamen sie über uns. Wir töteten alle Trolle und begruben unsere sechs Toten am Rand der Trollmoore. Doch das war erst der Anfang", seufzte der Halbelf.
"Der restliche Weg nach Silbrigmond verlief ohne weitere Zwischenfälle. Zwei Tage nach unserer Ankunft in dieser schönen Stadt kam die Nachricht über schreckliche Schneestürme am Everlundpass nach Silbrigmond. Zur selben Zeit kursierten auch Gerüchte über Trolle, die Bäume fällten und über den Rauvin setzten. Auf ihrer Flucht nach Norden töteten sie alles auf ihrem Weg. Wir wurden richtig gut bezahlt für unsere Arbeit und hätten es uns leisten können, eine Weile in Silbrigmond zu bleiben. Doch nach zwei Wochen wurde uns klar, dass wir für sehr lange Zeit in Silbrigmond festsitzen würden, sollten wir darauf warten, dass die Lage besser werden würde. Das wollten wir aber nicht. Also dachten wir über unsere Möglichkeiten nach. Die Strasse von Silbrigmond nach Sundabar ist nicht mehr so gefährlich wie früher. Nur von Sundabar nach Jalanthar rechneten wir mit Ärger, dachten aber, dass wir mit 24 Männern damit klarkommen würden."
"Wir planten von Jalanthar zwischen Immerwald und Hochwald eine Abkürzung zu nehmen, uns durch den Hochwald zu schlagen und südlich des Schnees herauszukommen und schließlich Olostins Feste zu erreichen. Bereits eine Tagesreise nach Jalanthar begannen die Dinge schlecht zu laufen. Mehrmals wurden wir von Orks des Tausend Fäuste Stammes angegriffen. Zwar gelang es uns zu überleben, doch unsere Moral litt gewaltig. Die kleinen Blessuren der Kämpfe waren nicht der Rede wert. Am Abend des zweiten Tages schien es, dass wir den Angriffen der Orks entkommen waren. Die Biegung um den Hochwald herum sahen wir bereits zehn Meilen vor uns, ebenso den Schneesturm im Nordwesten. Dann fielen sie über uns her - 10 Verbeegs.", sagte der Halbelf und fuhr nach einer kurzen Pause fort.
"Wir töteten alle, aber wir verloren sieben unserer eigenen Männer. Viele von uns hatten bereits schwere Verletzungen. Und da wir leider einen unserer beiden Priester im Kampf gegen die Halbriesen verloren hatten, waren die Möglichkeiten zur Heilung sehr eingeschränkt. Im Hochwald schlugen wir unter den Bäumen unser Lager auf. Es schien so friedlich dort und es waren keinerlei Anzeichen irgendwelcher gefährlichen Kreaturen auszumachen. Doch in der Nacht träumten wir - zumindest diejenigen welche die Nacht überlebten. Wir träumten von Kreaturen der Dunkelheit. Unfassbares Grauen ergriff uns, doch blieb unseren Blicken verborgen.", der Halbelf schluckte trocken und seine Augen spiegelten das Entsetzen wider.
"Als ich aufwachte, waren nur noch sechs von uns am leben. Nur wir Halbelfen. Die elf Menschen lagen reglos unter den Bäumen. Unser Priester - Nardor, ein Corellonanhänger, untersuchte die Leichen. Sie wiesen keine Wunden auf, doch fehlte ihnen jeder Tropfen Blut. Sie waren komplett blutleer! Nador nahm an, dass uns unser Elfenblut, warum auch immer, geschützt hat. So dezimiert schlugen wir uns bis zur Feste durch, wo wir uns mit ein paar Mondelfen verbündeten. Auch sie waren durch den den Hochwald gereist, hatten diese schrecklichen Träume erlebt, doch keine Verluste erlitten. Zusammen reisten wir bis nach Yartar. Sechs von uns und fünf Elfen. Erneut wurden wir von Trollen angegriffen und dieses Mal beerdigten wir Nardor, unseren Magier Lithfingar und drei der Elfen. In Yartar waren wir schliesslich nur noch zu sechst."
"Wenn ihr nach Silbrigmond reisen wollt", seine Worte richtete de Halbelf nun an die Schicksalsucher, "und nicht ein Jahr warten wollt, geht über Nesmé und nördlich an den Trollmooren entlang. Ihr werdet Silbrigmond nicht ohne Verluste erreichen, doch dürften sie keinesfalls so hoch ausfallen, wie bei der Route durch den Hochwald und den Umweg über Jalanthar. Den Everlundpass könnt ihr gleich vergessen! In Silbrigmond hiess es, dass der Schnee womöglich bis zum nächsten Winter liegen bleiben wird. Es handele sich um Zaubererwetter. Was genau das ist, weiss ich nicht. Man sagt, dass Lady Alustriel und der Nebelmeister dem ein Ende setzen könnten, doch es aus irgendeinem Grund nicht tun. Sie lassen das Wetter einfach so und versuchen angeblich es zu seiner Quelle zurückzuverfolgen. Magierkram! Wenn ihr mich fragt, hat dieses Wetter indirekt meine Gefährten auf dem Gewissen!", verbittert spuckte der Halbelf aus und gönnte sich bereits zum Frühstück ein zweites Bier.