Salif
Der junge Mann erwacht am nächsten Morgen und blinzelt gähnend gegen die Sonne, die durch das offene Fenster auf ihn fällt. Auf der Fensterbank hockt Talir, die Sperbereule, die die Fensterläden wohl aufgestoßen hat, um ihren menschlichen Freund zu wecken. Guten Morgen, mein Freund, säuselt Salif und schlüpft aus dem Bett. Mit der Decke um die Schultern geschlungen kramt er aus seiner Tasche ein Bündel hervor, öffnet es und entnimmt ihm ein zwei-finger-großes Stück Dörrfleisch, das er sogleich an Talir weiterreicht. Als er das Bündel wieder in der Tasche verstaut, fällt ihm das Porträt des Elfen in die Hände, welches er bei dem Händler erstanden hat und Bilder aus seinem Traum erscheinen vor seinem inneren Auge. Auf dem Boden hockend, die weiße Federdecke um den Körper geschlungen, betrachtet Salif das Bild einige Augenblicke lang versonnen und sein Atem bildet feine weiße Wolken in dem sich schnell abkühlenden Zimmer. Wer bist du? flüstert er, zieht die Decke etwas fester um sich und legt das Bildnis schließlich beiseite.
Er steht auf und geht hinüber zum Fenster, wo immernoch Talir hockt und energisch den Fleischbrocken zerreißt. Salif lehnt sich neben das Tier an die Fensterbank und schaut seinen Gefährten wohlwollend an. Wir werden wohl noch eine Weile hier bleiben, sagt er. Vielleicht ist die Idee mit der Handelsroute gar nicht so übel. Immerhin gibt es hier nicht viel Luxus und die Leute hier zahlen sicherlich einen guten Preis für ein wenig Ablenkung von ihrem entbehrungsreichen Leben. Und mit etwas Geschick könnten wir vielleicht einige der Zwergenschätze mit in den Süden nehmen und dort verkaufen. Salif stupst Talir freundlich gegen die Flanke. Was sagst du dazu? Die Eule blickt auf und bedenkt Salif mit ihrem wachen Blick, während ihr Kopf auf und ab wippt. Salif weiß, dass Talir ihm überall hin folgen würde. Sie sind Freunde. Seit mehreren Jahren schon begleitet Talir den Händler. Vermutlich ist Talir der einzige, der Salif wirklich versteht. Denn auch wenn er nicht sprechen kann, so ist sein Geist doch wacher als der so manches Menschen, den Salif bisher kennen gelernt hat. Und Talir würde ihn nie verraten. Und egal, was die Theoretiker dazu sagen; ob Mystra, die Göttin der Magie, ihn als Beschützer und Diener im Namen der Magie zu ihm geschickt hat oder Talir eine arkane Kreatur ist, herbeigerufen oder erst erschaffen als Manifestation Salifs magischer Begabung und ein Produkt seiner eigenen fantastischen Macht... Er, und nur er, ist Salifs einziger Freund, sein treuester und ergebenster Begleiter. Sein Vertrauter.
Zärtlich streichelt Salif Talir über den Rücken und das hellbraune Gefieder. Bitte halte nach dem Elfen Ausschau. Ich werde in den nächsten Tagen versuchen, die Geschäfte in Gang zu bringen und etwas Gold umzusetzen. Er hebt den Rest des Dörrfleisches auf und füttert Talir damit aus der Hand. Die Eule gurrt bestätigend. Es ist Zeit, sich zu trennen. Du weißt, wie du mich findest. Salif steht von der Fensterbank auf und wirft die Decke aufs Bett. Als er sich umdreht, ist Talir bereits verschwunden. Salif fröstelt es. Manchmal ist sein Begleiter wie ein Geist.
Etwas später erscheint auch Salif im Schankraum, bestellt im Vorbeigehen ein gutes Frühstück und gesellt sich zu den anderen. Er erwidert das Lächeln des Zwergenklerikers und bringt dem Mann ehrliche Sympathie entgegen. Dieser Herr strahlt Lebensfreude aus und das ist eine Eigenschaft, die Salif in letzter Zeit zu vermissen gelernt hat.
Ich denke, wir werden nun etwas länger hier in und... unter Felbarr bleiben. Ich muss ein paar Geschäfte in Ganng bringen, sonst werden die Lagerkosten neben unserem Aufenthalt hier mich wohl oder übel arm machen. Wie wäre es, wenn Ihr währenddessen versucht, etwas mehr über die Katakomben heraus zu finden und unauffällig die nötige Ausrüstung besorgt?
Heute Abend werde ich dem Tod meines Knappen auf den Grund gehen. Ich würde mich freuen, wenn Ihr mich begleiten würdet. Er wirft ein bescheidendes, etwas trübseliges und gleichzeitig doch gewinnendes Lächeln in die Runde.