Milan folgte Eretria und packte sie schließlich am Arm. Er griff fester zu, als er wollte, aber es schien, als würde sich Eretria auch nicht so einfach von ihm aufhalten lassen, doch sobald sie anhielt, ließ sein Griff nach.
"Warte, du hast mir meine Fragen noch immer nicht beantwortet. Jedes Mal sagst du mir, ich soll dir vertrauen, aber du sagst nie etwas anderes. Du sagst nie, was dich beschäftigt, und du verheimlichst uns allen, was dieser Mann mit dir besprochen hat. Eretria, diese Menschen hier wurden umgebracht. Niemand weiß wieso und du bist die Einzige, die mit einem der Mörder gesprochen hat, der dich noch dazu mit einem anderen Namen angesprochen hat. Erwartest du tatsächlich, dass wir jetzt einfach hier stehen bleiben und uns mit einem 'Vertraut mir' zufrieden geben? Du hast keinen Waffenstillstand mit diesem Mann geschlossen, wie Calfay sagt, sondern einen faulen Kompromiss. Wieso wird er uns töten? Sag es mir. Und wieso sollten wir ihn und seine Männer nur deshalb entkommen lassen? Natürlich, wir können jetzt einfach weiterreisen, wie Calfay vorgeschlagen hat und Verstärkung holen. Wahrscheinlich ist das sicherer für uns, aber nicht für andere Menschen, die hier noch vorbei kommen mögen oder für all die Menschen, die diesen Räubern noch begegnen werden. Wir haben uns doch beim Träumer auch nicht davor gescheut, anzugreifen, obwohl es für uns sehr gefährlich geworden ist. Du kannst mir doch nicht erzählen, dass du, die sich immer gegen Ungerechtigkeit auflehnt, vor so einem Kerl Angst hast. Und selbst wenn, dann ist das kein Grund, die Konfrontation zu scheuen."
Milan sprach nun wieder sanft und strich über ihre Wange. "Vielleicht könnten wir dich einfach besser verstehen, wenn du uns sagen würdest, was dieser Mann von dir wollte. Eretria, dieser Mann und seine Begleiter hätten Mika und Waldemar fast getötet und zwar ohne zu zögern. Sie haben diese Menschen hier abgeschlachtet, anders kann man es nicht sagen. Bitte erklär uns, was dich dazu bewegt, das alles nicht zu rächen, und diese Männer an weiteren Taten zu hindern." Der junge Mann hatte plötzlich das Bedürfnis, Eretria in den Arm zu nehmen, weil sie weinend so zerbrechlich aussah. Er gab diesem Bedürfnis nach. "Ich glaube, das Problem ist weniger, dass wir dir nicht vertrauen, sondern vielmehr, dass du uns nicht vertraust. Wir sind deine Freunde, deine Weg- und Kampfgefährten. Wir stehen auf deiner Seite und nicht einfach fern von dir. Du ziehst nicht allein in eine Schlacht, du musst das nicht alles allein tragen. Du bist ein Mensch, Eretria, keine Göttin, selbst wenn du manchen so erscheinen magst." Er lächelte sie an und machte damit sehr deutlich, wen er mit manche meinte.
"Grenz dich nicht von uns ab, indem du deine Angst für dich behältst, auch wenn du uns damit vielleicht nur schützen willst." Er legte seine Hände auf ihre Schultern und drückte sie ein wenig von sich. "Gut, wenn du uns nicht sagen willst, was geschehen ist, werde ich das akzeptieren, und ich denke, die anderen werden das auch. Jedenfalls hatte ich bei Calfay gerade den Eindruck. Wahrscheinlich ist sie in dieser Hinsicht einfach geduldiger und vernünftiger als ich, ebenso wie Waldemar und Beldin. Und Mika, naja, ich glaube, sie wäre nachdem, was passiert ist, ganz froh, hier wegzukommen. Aber bitte bedenke auch, dass eine Flucht nur aufhebt, was irgendwann unvermeidlich geschieht. Ich glaube, die Worte des Mannes stimmen, sie werden abziehen und in einem anderen Teil dieser Welt ihre Schandtaten verüben. Wenn wir jetzt gehen, retten wir uns, unterstützen dies aber. Vielleicht werden wir zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal auf diese Räuber stoßen, aber wer weiß, wieviele Menschenleben sie dann auf dem Gewissen haben. Andererseits wäre unser Tod vermutlich ebenso sinnlos." Es fiel Milan sichtlich schwer, einfach so kleinbei zu geben, doch schließlich nickte er. "Kümmern wir uns um die Toten, um ihren Seelen wenigstens Ruhe zu geben." Er wartete, ob sie ihm eine Antwort geben würde, falls nicht, würde er mit ihr die Zeremonie vollziehen.