Auch wenn Varna am Ende des anstrengenden Tages mit den Techpriesterüberresten durchaus einen Erfolg zu verbuchen hat, kann sie keine große Freude darüber empfinden. Das Fundstück deponiert sie in ihrem Labor und begibt sich schnurstracks in ihre kleine Schlafkammer. Dort wischt die Heretek nur oberflächlich das frische Blut von ihren Händen, ihrem Gesicht und ihrer Robe ab - bloß das Wenige, das noch nicht eingetrocknet ist -, streift die schwere Robe ab und legt sich hin.
Mit einer kleinen Willensanstrengung deaktiviert die Maschinenseherin ihre internen Melatonininhibitoren und lässt sich vom Schlaf übermannen. Wirkliche Ruhe finden sie dabei jedoch kaum. Aus einem diffusen Meer von nagenden Gefühlen kristallisieren sich nach und nach Träume heraus. Zunächst träumt die Fabrikweltlerin von ihrem alten Zuhause, von dem Habblock, in dem sie die ersten Jahre ihres Lebens verbracht hat. Auch Eugenius kommt dort vor. Dann fällt der Schuss - und das Gesicht des Mannes verzieht sich erst zu einer entsetzlichen Grimasse des Schmerzes, und dann zu etwas anderem... etwas Außerweltlichem, Verstörendem, Boshaftem.
Varna schreckt kurz aus dem Schlaf auf, doch die Müdigkeit raubt ihr gleich wieder das wache Bewußtsein. Erneut wälzt sich die Techpriesterin in unruhigem Schlummer und beginnt zu träumen. Diesmal befindet sie sich auf der Flucht - wovor, weiß sie selbst nicht. Sie spürt nur die nahende Gefahr und das panische Gefühl, dass ihre Beine ihr nicht gehorchen. Ein helles Lachen lässt die Ketzerin zusammenzucken: Sie sieht Aylana, die sie verhöhnt und ihren vor Blutdurst schäumenden Knecht mit gezückter Klinge gegen sie hetzt. Vergeblich versucht die Heretek, schneller zu laufen, doch sie bewegt sich kaum von der Stelle. Und dann fällt ein feiner roter Strahl auf ihre Stirn. Ein Ziellaser, an dem sie emporblickt, bis sie in die gefühllosen, kalten Augen der Schützin dahinter sieht - Lamira. Und über all dem kreist eine schwarze, mechadendriten- und käferumschwirrte Gestallt und summt mit surreal fröhlicher Stimme ein Lied:
"Bienchen, Fliegen, Käferlein,
Würmchen unter Stock und Stein,
Heute gibt's ein prächtig' Fest,
Geben Varna wir den Rest."
Die bizarre Szene findet ihren Höhepunkt im Auftritt von Tal'Ygramus. Woher der Hexer aufgetaucht ist, bekommt die Abtrünnige nicht mit, sie kann nur zusehen, wie der Mann mit wehendem Umhang und theatralischer Geste hervortritt und dämonische Silben rezitiert. Von überall erklingt lautes Piepen, das immer schneller wird, und dann explodiert Tal'Ygramus in einer gleißenden Explosion, die selbst im Traum in den Augen sticht.
Völlig geschafft schreckt Varna wieder auf und trifft mit dem Hinterkopf klangvoll die Kammerwand. Vor ihren noch nicht wachen Augen dreht sich alles, ihr Bewußtsein dreht Pirouetten. Die Implantate im Kopf der Maschinenseherin übernehmen die Notfallsteuerung ihres Körpers und bringen sie zum Aufstehen. "Sensorische Protokolle eingeschränkt," gibt die Frau maschinell von sich, als wäre sie ein defekter Cogitator.
Nur langsam klärt sich der Nebel im Kopf der Fabrikweltlerin. Ihr Kopf dröhnt von den verstörenden Träumen und dem schmerzhaften Aufprall. Die Techpriesterin macht sich nicht die Mühe, die rote Robe überzustreifen, ja sie schaut nicht einmal zu Eugenius, sondern schleppt sich in ihrem schlichten Leinengewand in den Hauptlaborraum.
Die winzigen Maschinen in Varnas Körper arbeiten bereits emsig daran, ihre Physiologie auf Trab zu bringen. Trotzdem greift die Ketzerin zu mundaner Hilfe: Mit dem gestern von den Akolythen erbeuteten Wasserkocher bereitet sie sich einen Becher Recaf zu, oder zumindest eine Brühe, die annähernd dieser Bezeichnung würdig ist. Während das kochende Getränk abkühlt, wuchtet sie die Leiche des Sprengmeisters aus der Kühltruhe auf einen der Operationstische, schält sie aus der Rüstung und macht sich daran, den Körper zu zergliedern.
Den Kopf trennt die Maschinenseherin sauber ab, denn sie hat nicht vergessen, dass XK Rho Pi-8 diesen beanspruchen wollte. Mit meditativer Hingabe und Konzentration entnimmt sie anschließend Blut- und Gewebeproben, extrahiert Organe, Muskelfasern und Knochen, verfrachtet die einzelnen Teile in Konservierbehälter - und nippt dabei immer wieder an dem Recaf, der so schwarz wie die Leere ist. Der Umstand, dass die Heretek die Brühe regelmäßig mit einem blutigen Handskalpell umrührt, verleiht dem Getränk eine ganz besondere Note.
So vertieft ist die Fabrikweltlerin in ihre Arbeit, dass sie hochschreckt, als XK Rho Pi-8 auf der Krankenstation auftaucht. Sofort vernichtet sie den Rest des Recafs, drückt ihrem Mitheretek den abpräparierten Kopf in die Hand und verzieht sich zurück in die Schlafstube, um ihre Robe anzulegen und die darin verborgenen Panzerplatten wie jeden Tag aufzuladen.
Eine Stunde später findet sich Varna auf der Brücke der Ketten des Urteils ein. Natürlich wird sie dabei von ihrem stummen Servitorgefährten begleitet. Der Kopf der Techpriesterin fühlt sich immer noch etwas schwer an, aber immerhin wirkt sie nicht ganz so grantig wie am Abend zuvor.
"Und? Hast du dich entschieden?," fragt sie Andariel und holt das Pergament mit dem niedergeschriebenen Pakt hervor.