Liams Nicken nimmt Basilio zu Kenntnis, ohne weiter darauf zu reagieren. Er lässt sich willig abführen. Tatsächlich ist sein Schritt federnd, man möchte fast sagen: beschwingt. Und so fühlt er sich auch, trotz ihrer prekären Lage. Ha, was für eine Rede! Und die Leute, auf die er abgezielt hat, scheint er tatsächlich erreicht zu haben. Da! Die Prinzessin schreitet energisch auf ihren Vater zu: das letzte Wort ist für sie noch lange nicht gesprochen!
Bei Fearcharas Zuruf allerdings lächelt Basilio traurig. Die Welt der Erwachsenen muss für Kinder wirklich unverständlich sein! Dass der liebe Opa so was tut und sich dabei auch so gar nicht um das Wohl des Volkes oder der eigenen Familie bekümmert... ach, es ist wohl besser, dass sie den letzten Punkt wohl so recht gar nicht versteht. Er will ihr zuwinken, doch da hat man ihn schon weitergestoßen.
"Man sollte vielleicht eine zweite Amme beschäftigen", merkte er an. "Eine einzelne hat doch gar keine Chance, die beiden im Auge zu behalten."
Der beschwingte Schritt hält ungefähr die Hälfte des Weges an, dann kommen Basilio die ersten Zweifel. Überzeugung heißt noch lange nicht Handeln, und Handeln noch lange nicht Erfolg. Vielleicht darf er sich doch nicht zuviel von Liam und Aisling erwarten. Beim Anblick der Zellen denkt er unwillkürlich:
Ich bin noch zu jung zum Sterben! Und als er hineingestoßen wird:
Basilio, du Dummkopf! Warum hast du deine Messer hergegeben? Keiner hat dich gefilzt, keiner hätte sie bemerkt! Aber du musstest ja eine große Geste machen. Warum, Vlad, warum geb ich freiwillig einen Vorteil her? Aber vielleicht ist die Geste an Onkel Liam ja nicht verloren gegangen. Vielleicht nützt diese ihm in seiner Zelle mehr als die kleinen Dingerchen selbst.
Ja, und dann schaut Basilio sich um. Kaum hat er den Kargi erblickt—Maniks Ruf "Ha, Erfolg!" macht ihn auf diesen aufmerksam—da geht er auch schon auf ihn zu, ohne sich von dessen finsteren Blick beeindrucken zu lassen, und setzt sich neben ihn, auf die dunklere, den Gitterstäben entgegengesetzte Seite.
"Hallo Barkas", sagt er dabei auf Kargi, leise genug, dass es die Elfenwächter in dem augenblicklichen Tumult hoffentlich nicht hören. "Uns schicken deine Vater und Bruder. Sollten verhandeln mit Fürst von die Elfen über dein Freiheit. Das war Plan eins. Plan zwei gibt es auch, wird enden mit unser aller Tod, nur gerettet wird sein Kargi Ehre. Ich für Plan drei bin. Was meinen du?"
[1]Der Kargi blickt noch finsterer drein, noch misstrauischer als zuvor. Herrje, er hat natürlich recht. Die Idee, dass sie im Auftrag seines Stammes hier sind, ist vollkommen absurd, so wie die Wahrheit eigentlich immer absurder als die Lüge erscheint, bei welcher man sich schließlich ganz an der Situation und der nötigen Plausibilität orientieren kann. Das frustriert Basilio schon seit jeher, dafür hat er wenig Geduld übrig: jemanden von der Wahrheit überzeugen zu müssen, der diese nicht selber sieht. In neun von zehn Fällen ist es verschwendete Liebesmüh! Wie also soll Basilio Barkas nur überzeugen, wie ihm beweisen, dass sie tatsächlich von seinem Vater geschickt wurden?
"Du glaubst mir nicht?" setzt Basilio nach. "Glaubst nicht, dass dein Vater Menschen würde schicken? Na ja, wenn er hätte geschickt einen von seinen Leuten, dann ja wären sie behandelt worden wie du oder wie Dihal, nicht wahr? Dihal lebt noch. Ich ihn im Wald hab gefunden und Dariba ihn hat geheilt. Soll ich beschreiben dir, wie er sieht aus? Wie er war zugerichtet, mit Messer überall hinten und vorn geschnitten zu Zeichen? Soll beschreiben, wie sieht Marus Hütte von innen aus? Und Maru selbst? Ha, wo ich soll anfangen. Mit ihre Augen natürlich. Oder lieber mit ihr stolzes Haltung? Oder die Augen. Lange ich habe nachgedacht, welches Farbe sie haben. Farbe davon nämlich ändert sich, je nachdem, in welches Licht man sie betrachtet. Aber gerade deshalb bin ich zu dem Entschluss gekommen, die richtige Bezeichnung müsse 'Bernstein' sein. Bernstein wechselt seine Farbe ja auch mit dem Licht, überhaupt verspricht er geheimnisvolle Tiefen, genau wie Maru."
Wie Basilio so ins Schwärmen gerät, vergisst er darüber zwei Sätze lang—zwei lange Sätze lang—dass er ja eigentlich nur gebrochenes Kargi spricht.
[2] Außerdem kommt ihm der Gedanke, dass es Barkas womöglich gar nicht gern hört, dass ein Mensch so über die Schamanin seines Stammes spricht. Überhaupt klingt er schrecklich übereifrig, auch als er hastig in seinen Beschreibungen fortfährt, diesmal in neutralem Ton. Er beschreibt Marus Hütte, Dihal, Aris und Zahur, und Mago und Gul Hulad.
"Oh, und mein Name ist Gryphius", fällt ihm verspätet ein. "Also, du sehen, alles die Wahrheit!"
Und dann hält er endlich die Klappe. Jetzt liegt es an Barkas.