Tatsächlich konnte es noch gar nicht lange her sein, dass Wilbur, Bergi und die beiden Kinder Falkengrund erreicht hatten. Es hatte sich vielleicht angefühlt, als wären sie tagelang in den verfluchten Ruinen des Zwergenklosters und den viel zu kleinen Koboldhöhlen gewesen, doch in Wirklichkeit waren es nur ein oder zwei Stunden gewesen. Sie waren zielstrebig vorgegangen und hatten nicht gerastet, sodass da unten nicht viel Zeit vergangen war. Es lag also nahe, dass sie sich alle noch in der lahmen Ente befanden.
Die Aussicht in dieser Kälte ein frisch gezapftes Bier zu trinken und einen ordentlichen Braten zu verdrücken, führte selbst Theudis in die Stadt. Boaths Frau war über Falkengrund hinaus bekannt für ihren Wildbraten. Wenn sie Glück hatten, hatte sie ihn bereits für die Rückkehr der Helden vorbereitet. So liefen sie alle - die Kinder voraus, da sie es kaum noch erwarten konnten - auf die Stadt zu. Die einzige Wache, die das Tor bewachte, nickte der Gruppe und den Kindern fröhlich zu, bevor er sie hineinließ. Der Mann schien nicht überrascht - vielleicht hatte sich eine Nachricht bereits im Dorf verbreitet?
Sie betraten zusammen die verschneiten Gehwege des Dorfes und wandten sich sofort der Ente zu, die wenige Meter entfernt direkt an die Palisade gebaut worden war. Bei den Temperaturen war niemand zu sehen. Jeder, der noch alle Sinne beisammen hatte, befand sich Zuhause vor einem heizenden Kamin oder in der Ente bei einem wärmenden Mahl. Sie zögerten also nicht lange und stießen die Holztür zur Ente auf. Ein Schwall warmer, wohlriechender Luft stieß der Gruppe entgegen. Sie mussten sich nicht lange umsehen, um die Männer, Frauen und Kinder zu entdecken, die sich um zwei Tische versammelt hatten.
Kaum hatten die Kinder ihre Eltern entdeckt, rannten diese auch schon auf sie zu und sprangen ihnen in die Arme. Deon Jabbs warf fast den Tisch um, als er aufstand und seinen Sohn in die Arme nahm und ihn dabei fast zu erwürgen drohte.
"Mikra mein Jung!" schrie er. "Wie gehdet dir? Dein Papa hat dich Janz fest vamisst, hatta dich." Selbst wenn der Junge gewollt hätte, würde er in dem Moment wohl keine Kraft finden, zu antworten. So blieb er einfach in den Armen seines Vaters und fing leise an zu weinen. Die letzten Stunden und der lange Marsch durch den Wald hatte verhindert, dass er schon vorher nachgegeben hatte aber jetzt wusste er, dass er endlich in Sicherheit war und hielt sich nicht mehr zurück.
Kitani Ranis, die Schneiderin des Dorfes nahm ihre Tochter ebenfalls in die Arme aber konnte sich besser beherrschen. Auch Kimi versuchte weiterhin stark zu sein aber sank schließlich in den Armen ihrer Mutter zusammen, die beruhigend und leise auf sie einredete. Die Frau warf ihren Mantel um ihre Tochter, als wolle sie diese dadurch schützen und zog sie langsam zu sich an den Tisch.
Lediglich Hollin blieb alleine verlassen in dem Raum stehen und hielt seine Figur fest umklammert. Er versuchte sich zu beherrschen aber die Tränen fingen an seine Wangen herunterzurollen und schließlich konnte er ein leises Schluchzen nicht unterdrücken. Das seine Eltern gestorben waren schien dem Jungen jetzt näher zu gehen als sonst. Bevor sich jemand um ihn kümmern konnte, kam eine junge Frau aus der Küche des Gasthauses gerannt und nahm den Jungen in den Arm. "Ich bin ja da." sagte sie und beruhigte den Jungen damit augenblicklich.
Eltern und Kinder waren endlich wieder vereint. Niemand wollte sie bei ihrem Wiedersehen stören und ihnen etwas Zeit für sich geben. So konnte man sich etwas besser in der Taverne umsehen. Es dauerte nicht lange, bis auch Wilbur, Bergi, Savram und Sharvaros ins Sichtfeld rückten. Nur der Sohn des Holzfürsten fehlte aber so wie die Gruppe den Mann kannte, hatte er sich sofort wieder seines Sohnes bemächtigt und ihn mit zu sich genommen. Alle hielten sie sich respektvoll zurück - lediglich Bergi kam mit einem Krug Bier zur Gruppe und schlug Gerion kameradschaftlich auf die Schulter, bevor er jedem in die Augen blickte - selbst Theudis, den er noch nicht kannte.
"Ich wusste, dass ihr es schaffen würdet. Gute Arbeit!" begrüßte er sie und gönnte sich schließlich einen Schluck Bier.
Doch das war noch nicht alles. Am Tisch saß ein weiteres Kind, das eigentlich nicht hierher gehörte. Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht und wippenden Beinen sah sie die Gruppe fröhlich an. Sie winkte sogar, als sie bemerkte, dass man sie erkannt hatte. Aus welchem Grund auch immer aber selbst Jeva hatte hierher gefunden.
Schließlich kam der Wirt hinter den Thresen hervor. Boath lachte laut und herzlich, als er sich der Gruppe näherte. In seinen Händen hielt er ein Tablett mit Bierkrügen und kleinen Gläschen, die mit einer schwarzen Flüssigkeit gefüllt waren.
"Heute geht alles aufs Haus! Bedient euch, trinkt, esst und feiert, dass die Kinder wohlauf sind! Probiert auch meinen Schwarzholzschnaps - was gäbe es für einen besseren Grund zu trinken, als den heutigen Tag?"