Das Problem ist auf beiden Seiten des Atlantiks ausreichend analysiert in seiner Problematik und wer die amerikanische Medien beobachtet, weiß, dass mit diesem Populismusschub nicht erst seit Donald Trump gekämpft und er auch nicht der erste, moderne Auswuchs dieses Typus ist; gleichwohl ist er auf amerikanischem Boden wohl der erfolgreichste. Ich möchte nur an die moderne Tea Party-Bewegung und Sarah Palin vor der letzten Wahl erinnern, ehe die sich in ihrer politischen Pseudointegrität verstrickte. Trump hat scheinbar daraus gelernt, und seine Integrität da, wo er musste, halbherzig verteidigt, und dort wo er konnte, hat er seine Fehler als amerikanische Kantigkeit feiern lassen. So konnte er nur schwer darüber stolpern und viele haben sicher darin auch einen greifbaren Trump - auf emotionaler Ebene - entdeckt, gleichwohl der exzentrische Milliardär wohl alles andere als greifbar für sie sein dürfte.
Und das ist nicht nur ein Ausdruck "postfaktischer Strömungen", das ist eine Konsequenz aus der politischen Landschaft der letzten Jahre, in der jeder Politiker darum bemüht war, nur aus weißer Weste zu agieren, obwohl er daran scheitern musste. Im Ansehen dürfte das auch Clinton geschadet haben, obwohl die genauen Entscheidungsmuster natürlich um ein Vielfaches komplexer sind. Aber Donald hat sich mit dieser einfachen Schlussfolgerung in den modernen Korruptionsschlachten einfach ein wenig unangreifbarer gemacht und Clinton in ihren Affären angreifbarer, denn sie wollte noch die unbedingte Sauberfrau sein. Das nur aus einer Sicht auf die Personen des Wahlkampfes. Wie gesagt, die genauen und breitgefächerten Gründe für die Wahl sind viel mannigfaltiger und von mir in so kurzer Analyse kaum zu greifen.
Aber wegen dieser Wandlung D.Trumps auch meine Sorge, dass die Gegner des modernen Politikgeschäfts (und vor allem die Feinde der Demokratie) schneller aus dem Wahlkampf lernen als die Verteidiger des Geschäfts und der Demokratie.
Ich denke im Übrigen nicht, dass populistische Bewegungen den Nerv eines Problems treffen, zumindest nicht grundsätzlich. Sicher gibt es das, aber häufig ist es so, dass Populisten diese Probleme, deren Nerv sie angeblich treffen, erst schaffen oder diese Dinge erst zu problematischen Themen umdichten. Streng genommen hat jede Sache, zu denen unterschiedlichen Meinungen bestehen, jeder Kontakt von unterschiedlichen Menschen, die innewohnende Gefahr zu einer Form von Problem oder Konflikt zu werden (Das selbe gilt dort, wo ein artifizielles politisches System auf den Menschen, sprich die Realität trifft). Die Bereitschaft, eine solche Sache oder einen derartigen Kontakt lösen zu wollen, aussitzen zu wollen oder eben austragen zu wollen, spielt eine sehr große Rolle darin, ob etwas im sozialen Austausch zu einem Problem wird oder nicht. So haben systemische Entscheidungen häufig ein Problempotenzial, nämlich in den Bereichen, wo sie sich zu Problemen entwickelnde Faktoren ignorieren oder absichtlich befördern.
Nehmen wir beispielsweise bei uns die Flüchtlingskrise des letzten Jahres, die hier der AfD, verwandten Parteien und vergleichbaren, unparteilichen, aber gesinnungsverwandten Strömungen Aufwind gegeben hat. Hier identifizieren wir die Bereitschaft dieser Menschen, das Ganze erst zu einem staatstragenden Problem zu machen, es nicht lösen zu wollen, sondern den Konflikt darum nutzen zu wollen, um selbst (macht-)politisch um Einfluss zu gewinnen und undemokratische Entscheidungen herbeizuführen (dreckigerweise im demokratischen Gewand "Wir sind das Volk"). Jetzt wird niemand bezweifeln, dass klassische Nationalstaaten Migrationswellen als Probleme identifizieren müssen, alleine weil sie systemisch kaum auf solche transnationalen Aufgaben vorbereitet sind. Ich denke aber, dass mit Fug und Recht behauptet werden kann, dass es falsch wäre, zu behaupten, dass auch nur eine deutsche Regierung der letzten 40 Jahre das Flüchtlings- und Integrationsproblem grundlegend unterschätzt hätte, oder das man das nicht hätte kommen sehen. Die Welle war 1. nicht plötzlich und 2. lag die mangelnde Vorbereitung hier wohl eher an einem Ignorieren oder sich Verlassen auf die multilateralen Verträge im EU-Raum ("Festung Europa"). Seit ich politisch denken kann, wird nämlich über derartige Ströme diskutiert (auch wenn die Zahlen sich von Migrationsstrom zu Migrationsstrom unterscheiden). Alleine in meinem kurzen Leben habe ich diese Diskussion mit Ende des Jugoslawienkrieges mitbekommen, im Balkankrieg, im dritten Irakkrieg, durch die Afghanistankrise, im Zuge des arabischen Frühlings und nicht zuletzt durch die Syrienkrise. Dieses Thema ist zudem in Deutschland seit dem Ostfeldzug des zweiten Weltkrieges diskutiert (auch wenn es damals vorwiegend deutsche Flüchtlinge betraf), zur Gastarbeiterzeit, in den Nahost-Krisen der 60er und 70er Jahre und zu bestimmt weiteren Zeitpunkten kontrovers diskutiert worden. Die DDR hat sogar die umgekehrte Diskussion ob dieses Themas führen müssen: "Wie halten wir die Leute im Land?"
Da die Migrationsfrage in den USA in der aktuellen Politik für Trump als Rechtspopulisten eine ähnlich große Rolle spielt, könnte man das ähnlich ausführlich beleuchten, aber dass die USA ein klassischen Migrationsland ist, braucht wahrscheinlich nicht mehr bewiesen werden. Herr Trump hat im übrigen bayerische und schottische Vorfahren, seine Großeltern väterlicherseits waren Bayern und seine Mutter Schottin.
Ich glaube nicht, dass in diesen Ländern, die seit Jahrhunderten Fixpunkt globaler Migrationswellen sind, diese Fragen unterschätzt werden. Das Problem liegt trotz aller Analyse eher daran, dass noch keine zufriedenstellenden Lösungen gefunden sind, wie ein nonglobaler-nationaler Staat mit diesem globalen-transnationalen Problem umgeht und wie Geopolitik zu gestalten ist, dass solches entweder verhindert werden oder kontrolliert werden kann.
Diese Diskussion ließe sich jetzt an vielen vergleichbaren Punkten erläutern, meiner Ansicht nach. Ich stimme dir allerdings zu, Sawelij, dass die Herzensaufgabe der Politik sein muss, diesem Populismus zu begegnen, ohne dieselben Topoi zu bedienen. Allerdings bleibt auch hier die so verdammt schwere Frage: wie? Wie begegnet man solch blanken Populismus?
Aus gesicherten, historischen Quellen wissen wir Menschen zumindest, dass wir uns diese Frage eigentlich seit Anbeginn der Geschichtsschreibung stellen. Möglicherweise werden wir sie uns auch schon vorher gestellt haben. Für das späte weströmische Reich, auf das du verweist, war der Umgang damit zentral, und sie konnte es am Ende nicht lösen.
Ich für mein Teil kann nur versuchen im Zuge meiner politischen Tätigkeit für Vernunft zu werben und diesen Populisten mit Mut und einer gewissen Souveränität begegnen. Ob ich dazu wirklich in der Lage bin, oder wir als Ganzes; oder ob es doch nach 71 Jahren in Europa erst wieder einer halben oder ganzen Katastrophe bedarf, ehe sich die Menschen besinnen für einige Zeit: das bleibt abzuwarten...
Entschuldigt diesen Exkurs. Aber vielen Dank für die Diskussion bis hierhin schon einmal.
Damit ich noch etwas zur Runde schreibe. Die ersten Eindrücke eurer Charaktere gefallen mir sehr gut. Ich freue mich auf die Fertigstellung und den Spielstart. Morgen stelle ich noch 1-2 Fragen zu den individuellen Charakteren.
Ich habe mir überlegt, dass euch jeweils zu zweit starten lasse. Habt ihr Präferenzen, mit wem ihr starten wollt und nach der Lektüre meiner Beispielorte eine Idee, wo ihr ggf. starten möchtet?
Oder überlasst ihr mir da das Feld?