In diesem Punkt war man sich schnell einig, und so setzte sich die Gruppe in Richtung ihres Gasthauses in Bewegung, in das sich auch Allegra nun einbuchen wollte. Tatsächlich war außer Louis jeder in der Gruppe froh über die Aussicht, aus der allzu einengenden Kleidung und in etwas der nächtlichen Aktivität angemesseneres schlüpfen zu können.
Auf dem Weg zu ihrer Unterkunft war es Friedrich, der sich scheinbar am schnellsten mit der neuen Begleitung arrangiert hatte, der sich zu Allegras Frage äußerte.
"Nun, es scheint, als säßen wir nun im gleichen Boot, daher sollten wir auch offen zueinander sein. Schließlich scheint Frau von Castell nun unsere Verbündete zu sein - und es kann nicht schaden, mächtige Verbündete zu haben.
Wie Sie sicherlich mitbekommen haben, werte Allegra, versuchen wir, Rückhalt im Freiburger Rat zu erhalten. Das Ziel dabei ist es, dass Freiburg sich aktiv den Expansionsplänen Roswitha Wirsches entgegenstellt, wie auch immer diese aussehen mögen. Bislang waren wir nur bedingt erfolgreich. Der Rat besteht aus zwölf Personen, und wir sollten zumindest sieben auf unsere Seite ziehen. Wir haben das Wort von Peter von Weierstraß, dem Präsidenten der Universität, dass er uns unterstützen würde, dazu nun jenes von Gitta von Castell. Gleiches gilt für Walter von Stein, den wir auf ungewöhnliche Art kennengelernt haben, und der uns indirekt auch den Kontakt zu Frau von Castell vermittelt hat."
Friedrich vermied es, den Namen des Sohnes auch nur zu nennen, geschweige denn die Art dessen Beziehung zu Walter von Stein.
"Das sind bisher also drei, das heißt, wir haben unser Ziel nicht einmal zur Hälfte erreicht. Außerdem muss man bei solch Fragen der Politik immer damit rechnen, dass ein Wort nicht mehr zählt, wenn es zur Abstimmung kommt. Einer unserer vermeintlichen Gegenspieler ist Thomas von Fahrenbach, auch er ein Mitglied des Rates. Um ehrlich zu sein, wissen wir nicht allzu viel über ihn, doch das, was wir wissen, lässt ihn in keinem guten Licht erscheinen. Er scheint in verschiedene Machenschaften am Rande oder jenseits der Legalität verstrickt zu sein, und noch dazu haben wir Gerüchte gehört, dass der Mann belastendes Material zu seinen Ratskollegen sammeln könnte - umso riskanter ist es also, auf deren Wort zu vertrauen.
Es scheint also, als müssten wir uns auf die eine oder andere Art und Weise mit Herrn von Fahrenbach beschäftigen; wie eine Lösung dieses Problems aussehen könnte, wissen wir allerdings noch nicht. Wir wissen nicht einmal, ob er in dieser Angelegenheit nicht vielleicht sogar auf der gleichen Seite wie wir steht.
Unsere frühere Begleiterin, eine Ussurerin namens Jelena, hatte ihre ganz eigene Verbindung zu Fahrenbach. Ihre Cousine soll bereits vor Jahren in die Fänge des Mannes geraten sein, und es ist kein Geheimnis, dass der Mann mehrere Etablissements betreibt, in denen junge Frauen - und in manchen Fällen auch Männer - ihre Dienste feilbieten, wenn Sie verstehen, was ich meine. Gerüchten zufolge sollen in manchen Fällen dabei Grenzen überschritten werden, die einem anständigen Menschen die Haare zu Berge stehen lassen.
Die Furcht Jelenas war es, dass ihre Cousine, eine junge Frau namens Valerija, in einem dieser Häuser gelandet sei und dort unsagbare Dinge über sich ergehen lassen müsse.
Um das Andenken unserer Freundin in Ehren zu halten, und da wir uns ohnehin ein Bild von Fahrenbach machen wollten, beschlossen wir, ihm einen Besuch abzustatten und direkt mit der Anschuldigung zu konfrontieren. Ihr könnt unsere Überraschung sicherlich nachvollziehen, als er besagte Valerija ohne Zögern rufen ließ und diese scheinbar in völlig seriösen Diensten bei ihm zu stehen scheint. Allerdings mag der Schein trügen, denn die Dame ließ uns eine Nachricht zukommen, dass sie heute Nacht auf dem Nachtblutfriedhof mit uns sprechen möchte. Zumindest in meinem Fall ist die Spannung groß, was Valerija uns wohl erzählen möchte - und ob es ihr bei Fahrenbach tatsächlich so wohl ergeht, wie es scheint.
Wer weiß, vielleicht kann sie uns wertvolle Informationen über den Mann liefern? Den direkten Weg zu ihm haben wir durch unser doch etwas direktes Vorgehen wohl erstmal verbaut."
Die Ausführungen Friedrichs waren so ausführlich, dass das Gasthaus bereits in Sicht kam, als er endete. Zunächst kümmerte man sich also um das notwendige: Allegra nahm sich bis auf weiteres ein Zimmer in dem Haus, während die anderen sich auf die ihren zurückzogen, um sich für den zweiten Teil der Nacht passend zu kleiden.
Es dauerte nicht lange, bis die gesamte Gruppe ihre Angelegenheiten erledigt hatte und sich wieder im zu dieser späten Stunde langsam leerenden Schankraum versammelte.
"Nun, werte Allegra." begann erneut Friedrich. "Ich habe Ihnen einiges Vertrauen entgegengebracht und von unseren Plänen erzählt. Nun würde ich mich freuen, wenn Sie uns etwas über sich selbst erzählen würden. Schließlich werden wir wohl eine Weile zusammenarbeiten. Ich stelle mich im Anschluss auch gerne selbst vor, doch mir scheint, zunächst sind Sie an der Reihe."