In der Zwischenzeit hat Zellara ein Kartenspiel aus einer Falte ihres Rockes hervorgezogen. Fast unbewusst lässt sie die Karten durch die Finger gleiten und das Geschick, mit dem sie das Spiel mischt, deutet darauf hin, dass sie das schon sehr oft getan hat.
"Ah, Wren, immer eilig, aber Du bist noch so jung, da ist dein Ungestüm verzeihlich. Und Du weisst natürlich von allen am wenigsten, wer dieser Gaedren ist. Doch lass mich am Anfang beginnen. Zunächst möchte ich Euch allen noch einmal danken, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid. Ich hoffe, Ihr nehmt mir den ungewöhnlichen Weg nicht übel, auf dem ich Euch die Einladung zugesandt habe, aber wenn bekannt würde, dass ich nach Hilfe suche, wäre mein Leben keinen Pfifferling mehr wert.
Auch ich bin ein Opfer Gaedren Lamms, eines Mannes, dessen Grausamkeit und Begabung, das Leben anderer zu zerstören, nur noch durch seine Fähigkeit übertroffen wird, der gerechten Bestrafung zu entgehen. Ihr alle habt dasselbe Schicksal erlitten, auch wenn das nicht jedem von Euch bewusst sein mag - ja auch Du, liebe Wren, auch wenn Ich dich aus einem anderen Grund eingeladen habe.
Lasst Euch zuerst von mir erzählen. Vor etwa einem Jahr wurde mir dieses Kartenspiel gestohlen, mein wichtigstes Werkzeug und gleichzeitig ein Erbstück, dass schon seit vielen Generationen im Besitz meiner Familie ist. Eran, mein Sohn - Du wirst Dich vielleicht an ihn erinnern, Wren - war Zeuge des Diebstahls und nahm die Verfolgung der Diebe auf. Es gelang ihm, ihnen bis zu ihrem Unterschlupf nachzuschleichen."
Zellaras Miene nimmt einen steinernen Ausdruck an, doch glitzert es feucht in ihren Augen.
"Er wurde entdeckt. Und getötet. Als er nicht zurück kam, wandte ich mich an die Stadtwache. Doch ohne genauen Anhaltspunkt konnten sie mir nicht helfen. Und wollten vielleicht auch nicht, zu unwichtig schien dieser Diebstahl und zu unwichtig die Varisianerin, die um Hilfe bat. Ich stellte private Ermittlungen an. Und gerade als ich herausgefunden hatte, dass es Gaedren Lamms Bande gewesen war, die hinter dem Raub steckte, erhielt ich ein ... Geschenk. Einen Korb, mit meinen Karten. Und den Händen und dem Kopf Erans. Und der Warnung, Stillschweigen zu wahren, falls ich nicht selbst das Leben verlieren wolle.
Und doch machte Gaedren einen Fehler; er schickte mir die Karten zurück, um mich zu verspotten, doch gab er mir damit das Mittel in die Hand, Nachforschungen anzustellen, die er nicht bemerken konnte. Und ich hatte Erfolg; ich weiß nun, wo er steckt, in einer alten Fischerei nämlich oben am Westpier; dort bildet er die von ihm entführten Kinder zu Dieben und Gaunern aus, und dort hortet er die Gewinne seiner Untaten.
Doch habe ich alleine keine Chancen gegen ihn, und die Wachen gehen viel zu langsam vor. Wenn ich Anzeige erstattete, wäre er ausgeflogen, bevor sie zuschlagen könnten, und dann würde er sicher seine Drohung wahr machen.
Doch Ihr ihr habt allen Grund dazu, mit ihm abzurechnen. Und nun auch die Gelegenheit, denn Ihr wisst nun, wo Ihr ihn finden könnt. Jedem von Euch wurde großes Unrecht zugefügt", Zellaras Augen blitzen, "und jetzt könnt Ihr es ihm zurückzahlen!"