Venustas freut sich schon darauf mehr zu lernen von dem, was der Weise die Magie nennt. Als die Magie auf der Eisfläche ihre Finger verließ, ging ein nicht zu beschreibendes Kribbeln durch ihren ganzen Körper. Sie hatte nicht erwartet, dass sie in diesem Leben noch einmal etwas in dieser Art erleben würde. Sie die kleine kochende Gnomin, wohl nur noch am Leben wegen dieser Fertigkeit, denn zu schweren Arbeiten war Venustas noch nie zu gebrauchen. Und jetzt ? Jetzt stand vor ihr einer dieser Diener, der rote um genau zu sein, und wartete, dass ihm Pieron und Venustas durch ein gerade eben entstandenes Portal folgen. Bevor die Gnomin aber diesem Wunsch entsprach, zog es sie noch einmal zu den Schränken und Truhen voller Waffen. Als die anderen sich dort bedient hatten, hatte sie auch ein Auge hinein geworfen, weil sie mit ihrer derzeitigen Waffe nicht annähernd zufrieden war. Nach einem beherzten Griff in die Truhe, hielt sie eine Waffe in den Händen, mit deren Hilfe sich auch gut Kräuter schneiden lassen würden. Die kleine Waffe bestand komplett aus einem silbern glänzenden Metall. Etwas besser Gearbeitetes hatte Venustas nie in Händen gehalten. An den Griff, war eine halbmondförmig gebogene dünne Klinge angebracht.
“ Damit kann man bestimmt gut die Bäuche von Monstern aufschlitzen, dass ihre Eingeweide herauslaufen „
Zufrieden mit ihrem Fund, nahm die mächtigste Gnomin, die Venustas kannte, den Weg durch das rote Portal.
Am Zielpunkt des Portals angekommen und auf den weichen Kissen Platz genommen, werden Venustas zuerst einige Bilder aus dem Leben ihres Mittrainierenden gezeigt. Diese machen der kleinen Chaoskreatur so zu schaffen, weil sie sie spüren lassen, wie ihr Trainingspartner von einem Augenlosen und einem Tentakelwesen körperlich und seelisch misshandelt wird, dass sie keuchend an sich halten muss, um nicht das letzte genossene Essen auf dem Boden vor sich zu verteilen. Deshalb ist sie sehr froh, als auch sie sich endlich auf ihre Aufgabe, das Lernen konzentrieren kann. Zuerst wendet sie sich aber an Pieron.
“ Wenn es in meiner Macht steht, dann lassen wir deine Peiniger büßen, für das was sie dir und anderen angetan haben. Sei dir dessen gewiss „
So Leicht wie sich Venustas ihre Ausbildung aber vorgestellt hat, wird sie belehrt, ist sie schlussendlich doch nicht – ganz im Gegenteil. Wie auch vom Diener bestätigt, ist ihre Aussprache der fremdartigen Formeln und deren Betonung richtig und beinhaltet keine Fehler – der Erfolg wie auf der Eisfläche, will sich aber nicht einstellen. Da bemerkt sie wie eine Vision in ihren Gehirnwindungen Gestalt annimmt. Ihr Geist wird zurückversetzt in die Mine, ihr altes Leben und sie muss mit ansehen, wie die Augenlosen die Alten, Schwachen und Nutzlosen mitnehmen oder auf der Stelle töten und dann mitnehmen. Die Wut die angesichts dieser Bilder in ihr aufsteigt spottet jeder Beschreibung und es fühlt sich an, als würde Venustas in sich hineingreifen, eine geistige Barriere zur Seite schieben und alles aus sich heraus holen.
“ NEIN DAS WIRST DU NICHT NOCH EINMAL TUN, DU AUGENLOSES SCHEUSAL – SPEICHELLECKER DER TYRANNEN ! AAAAAAAARG „
Für den roten Diener ist das folgende Ereignis wohl nur die logische Konsequenz seiner Erwartungen. Für die Chaosgnomin ist es aber eine Erlösung, wie ein Knoten, der um ihr Herz war und jetzt gelöst wurde. Aus den Fingerspitzen der rechten kleinen Gnomenhand löst sich ein Geschoss, welches unkontrolliert in den Farben des Regenbogen leuchtet und auf die Zielscheibe zurast. Dort angekommen erfährt diese einen solch großen Schaden, dass sie in drei Teile auseinandergerissen wird und nach allen Seiten weggeschleudert wird. Statt wohlverdienter Freude, die in Venustas ob dieser gelungenen Vorführung aufkommen könnte, wird dieser schwarz vor Augen und ihr Körper fällt schlaff nach hinten. Nie hätte sie gedacht, dass diese Magie sie derart auslaugen würde.
Dann kommt ihr eine Idee. Sie würde Nahrung brauchen !
Ich werde mich auf den Weg machen und zuerst einmal eine fette Ratte fangen
Dann war sie auch schon in einem Gang verschwunden. Eine ganze Stunde lang, verbrachte sie damit etwas Essbares aufzuspüren – ohne Erfolg. Als sie gerade schon aufgeben wollte, kam ihr ein Gedanke. Vielleicht konnte sie mit Hilfe ihrer neu gewonnenen Kräfte Unterstützung herbeirufen und sich so ihre Jagd vereinfachen. Woher sie die Gesten kannte, welche ihre Hände formten und die Worte, die ihren Lippen entsprangen, konnte sie nicht sagen. Nach ein paar Fehlversuchen und einigen Magengrummlern, welche sie an ihren Hunger erinnerten, waberte nach dem 4. Versuch plötzlich ein Nebel vor ihr auf, welcher wie das Geschoss, in den schillernden Farben des Regenbogens fast schon tanzte. Und als der Nebel sich gelegt hatte traute sie ihren Augen nicht. Vor ihr saß ein, für ihren Geschmack, sehr schöner weißer Vogel, mit einer beachtlichen Flügelspannweite. Sie war noch dabei ihr Werk, fast vor Freude glucksend, zu betrachten, als sie verwundert inne hielt. In ihren Kopf war ein großes Fragezeichen aufgetaucht. Fast schon so, als würde der Vogel fragen, was sie denn von ihm wolle.
“ Das kann nicht sein oder ? Ich muss doch langsam verrückt werden „
Als sie es gerade als Hirngespinst abtun wollte, erneuerte sich dieser Eindruck der Frage in ihrem Kopf. Und da sie nichts zu verlieren hatte, dachte sie an eine Mahlzeit und sah sich in Gedanken vor ihrem Topf sitzen und einen schmackhaften Eintopf zuzubereiten. Selbst eine winzige Menge Kräuter hatte sie noch, vergessen in der Eile der Flucht. Als hätte der weiße Vogel ihre Gedanken verstanden entfaltete er seine Flügel und war kurz darauf auch schon verschwunden. Nicht ganz 1,5 Minuten später kehrte er zurück, mit einem wahren Festmahl in den Fängen. Der Vogel, von dem sie nicht wusste zu welcher Rasse sie ihn zählen konnte, hatte zwei Kreaturen mit weißem Fell und Ohren, so groß wie ihr Kochlöffel zur Strecke gebracht. Zu Venustas Bedauern hatte er nur noch Zeit die beiden Tiere abzulegen, bevor er sich wieder in die Wolke auflöste, aus der er entstanden war.
Gut gelaunt machte sich die Chaosgnomin daraufhin auf den Weg zurück zu ihrer Übungsstätte. Dort angekommen nahm sie ihren kleinen Topf aus dem Rucksack, etwas von dem Holz, das sie unterwegs gefunden hatte und bereitete die Feuerstelle vor. Da sie kein Wasser hatte, würde es wohl ein gebratenes Gericht werden. Als das Ganze dann gar und unter diesen Umständen auch als gut von ihr befunden wurde, bot sie Pierron einen Teil an und setzte sich dann zufrieden kauend an die Wand auf den Boden. In den nächsten Tagen übte die junge Frau fleißig ihre Fähigkeiten und erfuhr auch vom roten Diener, dass es sich bei dem herbeigerufenen Vogel um einen Bergadler und den Tieren mit den Löffelohren um Schneehasen handelte.
Was war ihr alles passiert ? Fast schon zu viel dachte sie, dafür, dass sie erst so kurz aus der Gefangenschaft entflohen war. Mit vollem Magen und fast glücklich erwachte aber dann doch das schlechte Gewissen, das Training nicht ernst genug genommen zu haben. Deshalb sah sie nun zu dem roten Diener hinüber und erwartete im schlimmsten Fallen dessen Bezeugung von Missgunst. Besagter Diener aber beglückwünscht die Chaosgnomin mit den knappen Worten :
„ Ich beglückwünsche dich und bin beeindruckt, dass du deine inneren Schranken so schnell überwunden hast. „
Bis die Gruppe aufbrechen wollte, beschäftigte sich die Gnomin fast nur mit dem Ei, dass sie gefunden hatte. Allerdings ließ sie es sich nicht nehmen, ihren Weggefährten ab diesem Tage Mittags und Abends jeweils eine Mahlzeit, mit den gefangenen Schneehasen zuzubereiten. Doch eines Tages hätte sie diese Pflichten fast vernachlässigt. Denn an diesem Tag schlüpfte ihr neuer Freund aus dem Ei. So etwas Schönes war ihr, in ihrem Leben, noch nicht zu Teil geworden. Und dann wies dieses wunderschöne Geschöpf noch ihre Lieblingsfarbe am Gefieder auf, nämlich schneeweiß. Seit sie an die Oberfläche gekommen war, hatte sie alles Weiße irgendwie genossen. An der Art wie sich ihr Findelkind an sie kuschelte, merkte sie erfreut, dass dieser sie wohl als seine Mama ansehen dürfte. Von nun an, sollte sie nichts außer dem Tod mehr trennen. An einem Tag, erzählte ihr der Weise noch einiges über Avicula, wie sie ihre „ Tochter „ genannt hatte. Der Weise half ihr bei der Findung des Namens, der aus der Sprache der Magie stammt. Offensichtlich war sie ein Überbleibsel, ein Geschöpf der einstigen Götter und offensichtlich mit Magie beseelt. Unheimlich froh war Venustas über den Umstand, dass sie jetzt neben ihren Freunden, auch ihren jungen Sprössling ernähren konnte.
Jetzt war sie sich sicher, es konnte losgehen !