Regadur und Taris
Gerade zusammen gefunden, entschlossen sich die nun mehr fünf Helden ihre Einkäufe getrennt durchzuführen, und während sich die beiden ungewöhnlichen Damen - die zusammen in der Stadt recht argwöhnisch beobachtet wurden - dabei Zeit ließen, den einzigen Ort aufzusuchen, nach dem es Áine verlangte, machte sich Regadur zielstrebig auf den Weg zum Rüstungsschmied. Ihm folgte, zunächst schweigsam, weil er von dem vorherigen Streit und dem recht schnellen Einigen überrascht war, Taris, der eigentlich lieber sofort in den Sumpf aufgebrochen war, da er seine Ausrüstung vollständig wähnte. Regadur ging in Gedanken seine Einkaufsliste mehrmals durch, weil er darauf bedacht war, möglichst nichts zu vergessen. Dem Flußverlauf nach Süden folgend erreichten sie nach einigen Wegminuten die Rüstungsschmiede mit dem Namen "Haerldoun's Helme und Schilde" (9). Als Regadur und Taris eintraten, erwarteten sie einen großen, korpulenten Mann zu sehen oder einen Zwerg, wie Regadur insgeheim hoffte, aber stattdessen stand da eine bezaubernde, aber klein gewachsene Frau, die wahrscheinlich schon älter war, aber keineswegs so wirkte. Sie begrüßte die beiden Abenteurer und wenn Regadur sich nicht täuschte, ganz besonders Taris, mit einem herzlichen Lächeln, zu dem die warme Stimme, die sie aufforderte, einzutreten, wirklich passte. Während sich Taris mit der Dame unterhielt und so erfuhr, dass es sich bei ihr um Albhaera Haerldoun - und damit die Besitzerin der Schmiede - handelte, ließ sich Regadur nicht ablenken, sondern suchte sich, was er benötigte zusammen. Er fand ein Kettenhemd, das dermaßen glänzte und so fein gearbeitet war, dass er sich schon beim bloßen Anblick sicher fühlte. Er nahm die Ware und legte sie Albhaera auf den Tresen. Als er sie nach einem zusätzlich verstärkten Stahlschild und dem speziellen Ring fragte, musste sie kurz nachdenken, ging dann jedoch in ein Hinterzimmer, das gut verschlossen war, und kam mit einem großen Stahlschild wieder, der nicht anders aussah als jeder andere Stahlschild auch. "Er mag unscheinbar sein, aber glaubt mir, unscheinbar zu sein, ist manchmal nicht von Nachteil. Ach..." Sie fuhr mit einer Hand in eine Tasche ihrer verstärkten Lederhose. "Und hier ist der Ring." Regadur betrachtete den Silberring im Widerschein des Feuers der Esse. Nicht eine Kante war zu erkennen, nicht ein feiner Riss im Silber. Stattdessen ging von dem Ring ein unnatürliches Leuchten aus, das aber sogleich verschwand, wenn Regadur ihn aus dem Lichtschein zog. Er war zufrieden, nur Taris nicht, denn dieser hätte sich gerne noch ein wenig länger mit Albhaera unterhalten - was ihn kurzzeitig irritierte, da er sonst nur seiner Pflicht, aber keinen schönen Frauen hinterher lief -, doch sobald das Gold - und Regadurs alter Schild, den er gerne als einen Teil Bezahlung da ließ - seinen Besitzer gewechselt hatte, machten sich die zwei wieder auf den Weg. Etwas aber fehlte noch auf Regadurs Liste. Zu diesem Zweck jedoch mussten sie, wie sie von einem auskunftsfreudigen Bewohner Weloons erfuhren, den Lindwurmlauf überqueren. Sie nahmen die Hilfe eines Fährmannes in Anspruch, der ihnen für den Transport aber noch ein paar Kupfer abknöpfte. Taris zahlte für die Überfahrt einen Kupfer, Regadur musste zwei in die Hand des Fährmannes legen, weil er dem Mann doch schon auf den ersten Blick ordentlich 'dick', wie der Mann sich ausdrückte, vorkam, was Regadur aber überhörte. Er war eben als Zwerg gut gepolstert und ausgerüstet und außerdem war er froh, dass er nicht schon wieder schwimmen gehen musste. Auf der anderen Seite des Flusses veränderte sich das Stadtbild. Es war grüner, die Luft roch angenehm und die Häuser verteilten sich besser, standen nicht dicht an dicht gedrängt. Dafür mussten die Zwei auch eine ganze Weile laufen, bis sie schließlich "Hannos Kräuter- und Heilmittelchen" (15) fanden. Der kleine Halbling, der sie begrüßte, hatte ein schiefes Lächeln aufgelegt und schielte permanent auf ihre Geldkatzen. Außerdem wirkte er ungewöhnlich nervös, zumindest bis Regadur ihm sein Anliegen mitgeteilt hatte. Plötzlich lief Hanno los und griff in eines der Fächer der drei niedrigen Regale, die im Laden standen und in denen sich Fläschchen, Döschen und allerlei Phiolen angesammelt hatten. Zielsicher brachte er Regadur das gewünschte Gegengift und nahm mit zitternden Händen das Geld entgegen. Beim Abschied waren Regadur und Taris darauf bedacht, ihre Hände auf ihren Goldsäcken zu belassen, um sicher zu stellen, dass sie nicht doch noch bestohlen wurden. Aber Hanno blieb stehen und Taris, der beim Hinausgehen noch einen letzten Blick auf den Halbling war, hatte den Eindruck, dieser sei erleichtert und murmle vor sich her, bevor er sich...bevor er sich auf die Hand schlug? Taris schüttelte den Kopf. Vielleicht machte die frische Luft hier einige ein bißchen verwirrt. Auf dem Rückweg zum Treffpunkt ließen sich die beiden noch weniger Zeit, denn es war beinahe eine Stunde seit ihrer Trennung vergangen und sowohl in Taris als auch in Regadur brannte die Begierde, endlich los zu ziehen. Als sie aber an der Fährstation ankamen, überlegten sie, ob es nicht besser sei, hier auf die anderen zu warten, als noch mal einen - oder in Regadurs Fall zwei - Kupfer zu bezahlen, wo sie doch ohnehin nachher wieder übersetzen mussten.
Fabulon
Fabulon schlich durch die erwachende Stadt. Viele Augen richteten sich flüchtig auf ihn, vergaßen seine Anwesenheit aber auch ebenso schnell wieder. Er dachte über das Zusammentreffen mit der Halbdrow nach und war sich noch immer nicht sicher, ob er ihr einfach so vertrauen konnte. Er würde mit Sicherheit wachsam bleiben und der schwarzhäutigen Frau keineswegs den Rücken zukehren. Schließlich aber verloren sich seine Gedanken in den Wirren seiner Gefühle. Er dachte an seinen Neffen, der so begierig darauf gewesen war, ihn zu begleiten und an seine Schwester, die womöglich schon längst tot war, es sei denn, ihre magischen Fähigkeiten hatten sie gerettet. Nachdenklich wie immer betrat er schließlich das Warenhaus von Rallogar (16). Zuerst war in dem großzügig geschnittenen Raum niemand zu sehen, doch hinter einem Regal, in dem sich unzählige Seile stapelten - oder war es nur ein einziges, ungewöhnlich langes? -, hörte er Geräusche. "Wo ist es denn bloß? Verdammt, ich hab's doch hierhin gelegt, das gibt's doch nicht! Ah ist es ja. Ich hab dich schon gesucht. Du bist wirklich ein Prachtstück." Als Fabulon um die Ecke sah, entdeckte er einen stämmigen Kerl in den Dreißigern, der in einem Sack voller - schon wieder - Seile herum kramte, nun aber endlich das Richtige, das ebenso aussah wie alle anderen, gefunden zu haben schien. Als er Fabulon bemerkte, sprang er sofort auf die Beine und begrüßte ihn mit solcher Herzlichkeit, dass der Waldelf am liebsten sofort wieder kehrt gemacht hätte. Menschen waren so furchtbar überschwänglich. Nachdem er seine kurze Scheu überwunden hatte, bat er Rallogar jedoch um einen ausreichenden Vorrat an Proviant. "Da habe ich genau das Richtige! Ist gerade frisch eingetroffen. Hmm, aber wo habe ich es bloß?" Fabulon zog eine Augenbraue hoch und fragte sich, wie es diesem Mann gelingen konnte, das Geschäft aufrecht zu erhalten, wenn er nie etwas wiederfand. Es dauerte beinahe zwanzig Minuten, bis Rallogar fand, was er gesucht hatte. "Für einen Elfen wie Euch sicher das Richtige." In dem unterarmlangen Sack, den Rallogar ihm reichte, waren getrocknete Kräuter, Blätter und eine ganze Ansammlung von Trockenobst. "Das reicht, na, wenn Ihr keinen ganz ungesunden Appetit habt, mit Sicherheit für vier bis fünf Tage." Rallogar strahlte, als habe er Fabulon gerade einen wertvollen Schatz überreicht. Dafür verlangte er zwei Goldstücke, die Fabulon ihm irritiert reichte. Als er ihn aber fragte, ob er auch Pfeile führe, schüttelte Rallogar den Kopf. "Obwohl...ich hatte noch einen Restbestand. Hm, ich muss nur mal schauen, wo der ist." Fabulon stöhnte innerlich auf. "Normalerweise überlasse ich das Albhaera und Nym, aber früher hatte ich auch mal ein paar Waffen hier. Wo habe ich die bloß hingelegt?" Glücklicherweise war Fabulon nicht mit der Sterblichkeitsrate der Menschen gestraft und so begann er sich im Geschäft umzusehen und zu überlegen, ob er womöglich noch etwas brauchte, während Rallogar nach den Pfeilen suchte.
Áine und Xu'sarsar
Áine und Xu'sarsar - einschließlich Veeti, der ab und an eine überdeutliches und eindeutig gespieltes Schnarchen von sich gab - folgten eine Weile dem Rücken Fabulons, doch dann verloren sich den Waldelfen aus den Augen und obwohl Áine ziemlich groß war und die meisten Menschen Weloons überragte, konnte sie den Elfen im Gedränge nicht mehr ausmachen. Und es wurde wirklich ziemlich schwierig, sich durch die Straßen zu bewegen, je mehr die Stadt erwachte. Zwar gingen ihnen die meisten Menschen aus dem Weg, aber dennoch brauchten sie beinahe die Hälfte einer Stunde, bis sie endlich ein geschäft fanden, das Áine zusagte und ihr die Hoffnung versprach, dass sie dort das erhoffte Schwert finden würde, was sie so begehrte. Von außen war das Geschäft recht unscheinbar. Nur ein kunstvoll beschriebenes, aber wenig kunstvoll gestaltetes Holzschild an einer Tür, das "Lahmfußens Waffen" (10) verkündete, machte klar, dass sie hier richtig waren. Unterwegs hatten sich die beiden nur wenig unterhalten und als sie das Geschäft betrachteten, verstummten sie beide, denn an den Wänden hingen unzählige Waffen in allen größeren, Formen, mit zwei oder mehr Klingen, mit klobig bis filigran gearbeiteten Griffen, mit Riemen, mit Scheiden in allen Farben und aus allen möglichen Stoffen. Während Xu`sarsar sich schnell wieder fing, weil sie sich für Waffen kaum zu interessieren wusste, gingen Áine die Augen über. Da niemand im Geschäft war, bis auf einen Hund, der träge neben dem Verkaufstresen lag und sie nicht beachtete, ließen sich die Zwei Zeit sich umzusehen, bis Áine plötzlich das Schwert fand. Der Griff war ungewöhnlich lang für ein Schwert und mit Lederstreifen verziert. Die Parierstange war leicht gebogen und die Schneiden der Klinge waren leicht gewellt und dennoch so gut geschliffen, dass Áine sich bei der Berührung mit einem Finger geschnitten hätte, hätte ihre feste Haut sie nicht davor bewahrt. "Wie ich sehe, habt Ihr Euch Euer Schwert schon ausgesucht." Die Stimme kam von einem großen, aber ziemlichen schmalen Kerl, der plötzlich neben dem Hund aufgetaucht war. Das Tier hob kurz den Kopf, ließ sich kraulen und schlief schon wieder, bevor der Mann einen Schritt auf Áine zu getan hatte. Er ging recht langsam und schien sein rechtes Bein hinter sich herzuziehen. Er nahm das Schwert von der Wand, führte es mit beiden Händen - allerdings war es ihm deutlich zu schwer - und hielt es ihr, auf seinen Handflächen haltend, entgegen. "Ein ausgezeichnetes Schwert für Euch, möchte ich meinen. Aber es ist nicht ganz preiswert." Es erschien Xu'sarsar, dass der Mann, der wohl auf dem Schild benannter Lahmfuß sein musste, absichtlich den Preis nicht nannte, sondern Áine das Schwert hinhielt, fast als er wolle er, dass sie es nähme und danach gar nicht anders könne, als es zu kaufen. Und die Halb-Orkin tat ihm den Gefallen, nahm das Schwert und probierte es sogleich aus. Als sie damit fertig war, wandte sie sich an den Mann und strahlte dabei: "Ich nehme es." Sie fragte nicht einmal nach dem Preis. Xu'sarsar schüttelte kurz den Kopf und sah dabei zu, wie zweitausendeinhundert Goldstücke in die Hände des Mannes gelegt wurden. Dieser bedankte sich höflich und verschwand wieder, allerdings fiel Xu'sarsar beim Hinausgehen auf, dass der Hund sie im Auge behielt, auch wenn er schlafend wirkte. Áine war glücklich über ihren Einkauf und so machten die beiden Frauen sich auf den Weg zurück zum Fährweg, doch keiner der anderen hatte es bis hierher geschafft. Allerdings fielen ihnen zwei Gestalten auf der anderen Seite des Lindwurmlaufes auf, die verdächtig nach Regadur und Taris und gleichzeitig auch ziemlich fragend aussahen. Ob sie wohl gleich auf der anderen Seite warteten, weil sie es nicht abwarten konnten, endlich aufzubrechen? Und wo blieb Fabulon?