• Drucken

Autor Thema: Kapitel 2: Morgensonne  (Gelesen 139902 mal)

Beschreibung: Die Geschichte geht weiter...

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Sternenblut

  • Moderator
  • Beiträge: 7375
    • Profil anzeigen
    • Aradan - Stadt der Toten
Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1740 am: 24.06.2011, 22:20:34 »
Mit scheinbar nie endender Geduld hörte Aimerelle nun auch Eretria zu. Als die Priesterin endete, lachte die Narashi leicht - ein wunderschönes, helles Lachen, das keinerlei Spott enthielt. "Merkt ihr auch, dass wir uns um Kreise drehen? Ihr werft uns immer die gleichen Dinge mit anderen Worten vor, und ich antworte immer wieder neu. Ich glaube, so kommen wir nicht voran."

Sie sah von Eretria über Mika zu Milan und Moandor. "Vielleicht fasst ihr erst einmal für euch in wenigen Worten zusammen, was genau eure Kritik ist, und was eure Fragen sind. Dann will ich gerne darauf eingehen. Im Moment habe ich das Gefühl, in einem Wirrwarr aus Vorwürfen, Fragen und Unterstellungen unterzugehen wie in einem dicken Morast."

In dem Moment wurde die Zeltplane zurückgeschoben, und Elvaril geleitete Arue in die Unterkunft der Narashi. Die Schneiderin trat unsicher ein, und sah aus, als würde sie auf etwas warten. Der raubtierhafte Elvaril stellte sich direkt hinter sie. Dann, plötzlich, zuckte Arue zusammen und stieß einen kurzen Schrei aus. Ihre Beine knickten ein, und Elvaril fing sie auf, als hätte er genau damit gerechnet.

Was Arue in dem Moment erlebte, war anders als alles, was sie sich vorgestellt hatte. Der Schmerz, den sie spürte, war nicht etwa körperlich. Es fühlte sich an, als würde jemand einen Teil ihres Selbst aus ihr herausreißen. Gefühle, Erinnerungen, Dinge, die sie gelernt hatte - es fühlte sich an, als hätte ein seelenfressendes Raubtier seine Zähne in sie geschlagen und würde große Brocken aus dem spirituellen Fleisch ihrer Essenz herausreißen.

Ebenso plötzlich, wie es gekommen war, war das Gefühl wieder vorbei. Was blieb, war ein seltsames Gefühl der Leere, der Unvollständigkeit, gepaart mit einem irritierenden Gefühl der... Befreiung.
« Letzte Änderung: 24.06.2011, 22:22:58 von Sternenblut »
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Rex Macallan

  • Beiträge: 268
    • Profil anzeigen
Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1741 am: 24.06.2011, 23:18:45 »
Moandors Miene nahm einen leicht säuerlichen Ausdruck an, als seine Fragen nicht beantwortet waren, weil seine Gefährtinnen ihre Gedanken nicht vernünftig ordnen konnten.

Als Arue das Zelt betrat und beinahe augenblicklich von Schmerz geschlagen zusammenbrach und das Wesen hinter ihr dies aufgrund seiner schnellen Reaktion sogar erwartet zu haben schien, wirbelte Moandor herum. In einer fließenden Bewegung hatte er sein Langschwert gezogen und auf Elvaril gerichtet, bereit seine spärliche Magie jeden Moment loszulassen.

"Weg von ihr oder ich sorge dafür Euer Körper frühzeitig erfährt, was es heißt zu altern." sprach der Agent mit ruhiger aber bestimmter Stimme.

"Ich entschuldige mich aufrichtig dafür Eure Gastfreundschaft derart mit Füßen zu treten, aber ich denke im Namen aller Eurer Gäste verlange ich nach einer Erklärung. Arue hat sich Euren Bedingungen gefügt und niemand von uns hat Euch bedroht"

Eretria

  • Beiträge: 1224
    • Profil anzeigen
    • Sternenblut
Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1742 am: 24.06.2011, 23:40:57 »
Eretria war völlig auf Aimerelle konzentriert und als diese ihre Antwort gab, schüttelte die Frau den Kopf.. Ihre Antwort war traurig.
"Ich hatte euch gesagt, dass ich von Neuem mit diesem Gespräch beginnen wollte, also ist es einfach widersinnig mir vorzuwerfen, dass wir uns im Kreis drehen. Ihr weicht aus und gebt keine Antworten. Meine Kritik war in meinen Augen eindeutig. Ihr und Gazriel führt die Welt in einen Konflikt, der bereits vor langer Zeit ausgetragen worden ist. Eure Angebot sich an die Vergangenheit erinnern zu können, führt zu Auseinandersetzungen, die es ohne dieses Angebot nicht mehr geben würde. Ihr werft den Siddhai vor, diese Erinnerungen zu unterdrücken, aber gegenwärtig sehe ich nichts Schlechtes in dieser Tat. Wenn man euch nach Antworten fragt, antwortet ihr mit Gegenfragen und erklärt nichts. Worüber wollt ihr reden, wenn ihr keine Fragen beantwortet?"
Die Geweihte schüttelte den Kopf. "Wenn ihr dies alles nicht versteht und nicht erkennt, was wir euch vorwerfen, sehe ich keinen Sinn in einem Gespräch, denn ihr seid offensichtlich nicht bereit oder in der Lage, die Fragen zu beantworten, die wir euch gestellt haben."
Die blonde Frau schaute auf Elvaril und Arue. "Ich bin beeindruckt. Warum konntet ihr mir nicht sagen, dass Arue zusammenbrechen würde, wenn ihr sie ins Zelt lasst? Was wollt ihr damit beweisen?"

Sternenblut

  • Moderator
  • Beiträge: 7375
    • Profil anzeigen
    • Aradan - Stadt der Toten
Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1743 am: 25.06.2011, 00:43:27 »
Elvaril warf Moandor und Eretria nur einen kurzen Blick zu, ohne ihnen zu antworten. Sein Fokus lag ganz auf Arue, und er schien Moandor nicht einmal als Gefahr anzuerkennen.

Es war Aimerelle, die den Gefährten antwortete. "Ich bezweifle, dass er damit irgendetwas beweisen möchte. Aber wenn mich nicht alles täuscht, war eure Freundin selbst durchaus vorbereitet."

Dann wandte sie sich wieder an Eretria. "Priesterin, ihr hört mir einfach nicht richtig zu. Ihr werft mir immer wieder vor, dass wir die Leute in ihre Vergangenheit zurückwerfen, dabei habe ich längst gesagt, dass das nicht der Fall ist. Wir eröffnen den Blick auf die Vergangenheit, aber wir zwingen niemanden dazu, sich danach zu richten. Ich habe auf verschiedenste Weise versucht, euch klar zu machen, dass wir niemandem dieses Wissen aufzwingen, und das wir sogar versuchen, einen möglicherweise daraus entstehenden Krieg zu verhindern. Und dennoch kommt ihr immer wieder mit den gleichen Vorwürfen, nur anhand neuer Beispiele."

Sie hob ein wenig ratlos die Arme. "Ich versuche nur, einen Weg zu finden, wie wir -"

Es war Gamael, der sie plötzlich unterbrach. "Wir befinden uns bereits mitten in einem Krieg", erklärte er. "Wir, die Narashi, folgten dem Ruf von Thaikaris selbst, denn diese Welt ist aus den Fugen geraten. Das Gleichgewicht, in dem Thaikaris in den letzten Jahrhunderten verharrte, existiert nicht mehr. Ihr habt Recht, es besteht die Gefahr, dass diese Welt von Krieg überzogen wird. Aber nicht aufgrund unserer Handlungen. Es sind Mächte am Werk, die nicht nur die Welt der Menschen beeinflussen. Sogar die Welt der Geister ist im Aufruhr. Die Ritter der Morgensonne sind nicht mehr als ein kleines Symptom einer schlimmen Krankheit, welche die gesamte Welt erfasst hat."

Nun sah sogar Elvaril auf. Er und Aimerelle blickten ihren Gefährten mit einem Ausdruck großer Überraschung an - sie hatten offenbar nicht damit gerechnet, dass er ihren Gästen solche Offenbarungen machen würde.
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Lucanor

  • Beiträge: 243
    • Profil anzeigen
Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1744 am: 25.06.2011, 01:10:05 »
"Ja Lady Aimarelle hat recht. Ich war durchaus darauf vorbereitet." Nachdem Arue die Welle des Schmerzes überstanden hatte und wieder auf eigenen Beinen stehen konnte drehte sie sich kurz zu Elvaril um. "Danke, deine Warnung war nicht im geringsten übertrieben." Doch mehr als diese wenigen Worte brachte sie am Anfang nicht heraus. Zu sehr war sie von ihren Gefühlen überwältigt. Das alles fühlte sich so anders an als sie es gewohnt war ... und ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Sie wusste noch nicht ob diese Leute ihr am Ende überhaupt etwas erzählen würde, aber doch bot sich ihr schon jetzt die Möglichkeit eine ihrer Vermutungen zu bestätigen.

Langsam hob sie ihre Hand vor ihr Gesicht und versuchte mit Hilfe ihrer Zaubersicht das magische Leuchten ihres Ringes sichtbar zu machen. Doch da selbst nach einigen Momenten nichts geschah, war sie sich endlich sicher dass ihre sonderbaren Kräfte nicht ihre eigenen waren. Es war unbeschreiblich wie Befreiend es war und ein breites Grinsen breitete sich auf dem Gesicht der Schneiderin aus. Erst als sie dieses Gefühl einige Momente ausgekostet hatte, wandt sie sich an die restlichen Anwesenden. "Moandor, bitte nimm das Ding runter. Es ist nicht passiert und der Einsatz von blanken Stahl ist in niemandes Interesse. Und Lady Aimairelle, wäret ihr so freundlich eure Geschichte vielleicht von Anfang an zu erzählen? Es macht keinen Sinn Fragen zu stellen solange wir nur Bruchstücke dessen wissen was in dieser Welt geschieht."

Rex Macallan

  • Beiträge: 268
    • Profil anzeigen
Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1745 am: 25.06.2011, 10:04:03 »
Zögernd senkte Moandor die Klinge. Was er von dem Ganzen halten sollte war ihm noch nicht klar, aber anscheinend war Arue nicht beunruhigt. Er steckte die Klinge offensichtlich verunsichert zurück und sah dabei Elvaril an.

"Es tut mir Leid, die Besorgnis ließ mich handeln." er wandte sich an Aimerelle und sprach weiter "Wie meine Fragen schon andeuteten, bin ich exakt der Meinung von Arue, aber ich warte gerne, bis wir zur Sachlichkeit übertreten können."

Sternenblut

  • Moderator
  • Beiträge: 7375
    • Profil anzeigen
    • Aradan - Stadt der Toten
Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1746 am: 25.06.2011, 12:27:18 »
Aimerelle sah noch einen Moment nachdenklich zu Gamael, bevor sie antwortete. "Soweit ich es verstanden habe, sind hier einige, die gar nichts weiter über die Vergangenheit erfahren wollen. Ich möchte dies niemandem aufzwingen."
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Mika

  • Beiträge: 869
    • Profil anzeigen
Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1747 am: 25.06.2011, 12:28:51 »
"Bevor ich allen anderen mein Gespräch überlasse, dieser eine kleine Hinweis: Ich habe gesagt, dass Gazriel wieder in das Loch verschwinden soll, aus dem er gekrochen ist. Das heißt soviel wie: Er sollte niemanden den Weg zu den Erinnerungen zeigen. Genausowenig, wie ihr es tun solltet, denn die einen werden in den Wahnsinn getrieben, ein paar bringen Thaikaris Gutes, aber es gibt, selbst wenn es nur eine Handvoll ist, ein paar, die Thaikaris nicht im Geringsten gebrauchen kann. Und bevor ihr diesen Idioten helft, solltet ihr niemanden helfen. Würdet ihr zuhören, müsste ich das auch nicht mehr sagen.
Und nun gehört das Gespräch euch."
Sagte Mika in Richtung von Eretria und Moandor und hatte dabei ein Lächeln aufgesetzt, dass kaum gekünstelter sein konnte.
"Vielen Dank für eure Geduld. Ich wünsche noch einen schönen Tag." Sagte Mika dann zu Aimerelle und ihren Freunden und verließ daraufhin ziemlich angesäuert das Zelt, um dann Draußen auf den Rest der Gruppe zu warten.
« Letzte Änderung: 25.06.2011, 16:07:53 von Mika »
Mehr als du glaubst.

Eretria

  • Beiträge: 1224
    • Profil anzeigen
    • Sternenblut
Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1748 am: 25.06.2011, 15:16:02 »
Eretria nickte als sie Arues Worte hörte. Warum auch immer schien die Schneiderin freiwillig in das Zelt gekommen zu sein und sogar irgendwie selbst verantwortlich gewesen zu sein für die Dinge, die gerade passiert waren. Gerne hätte Eretria die Schneiderin darüber befragt, aber diese hatte mehr als deutlich gemacht, dass sie niemals etwas erzählen würde. Also schwieg die Geweihte hierzu.
Als Aimerelle dann behauptete, dass es hier Leute gäbe, die nicht an der Vergangenheit interessiert wären, schüttelte die blonde Frau den Kopf, aber bevor sie reagieren konnte, sprach Mika und verlies dann das Zelt. Eretria schaute der Bardin hinterher, wandte sich danach aber wieder an die Gastgeberin.
"Ich empfinde es als sehr mühsam, wie ihr dieses Gespräch führt. Vielleich würdet ihr verständlicher sein, wenn ihr Fragen beantwortet und euch nicht darüber wundert, dass wir euch immer wieder in euren Augen, die gleichen Dinge vorwerfen. Dies passiert nur deswegen, weil diese Vorwürfe es sind, welche wir von den Veränderungen wahrnehmen, die Gamael angedeutet hat. Uns gefallen diese Veränderungen nicht, wie wir euch an unseren Beispielen erklären und ihr meint mit einem Schulterzucken dies abtun zu können und einfach zu sagen, wir seien nicht interessiert." Eretria machte eine ratlose Geste und lächelte leicht.
"Einverstanden, Mika hat gerade bewiesen, wie sie die Dinge sieht. Doch entschuldigt, wir hier in diesem Zelt haben hier nicht unbedingt die gleiche Meinung. Tatsächlich bin ich sehr an dieser Sache interessiert, weil es nicht einfach ist mit zwei Erinnerungen im Kopf zu leben." Leicht tippte sich die Geweihte an die Stirn.
"Ich selbst habe jemanden auf die Suche nach Gazriel geschickt, weil ich ein Gespräch über seine Ziele mit ihm führen will. Ich hatte gehofft, als ich hörte, dass ihr mit ihm zusammen arbeitet, dass ihr mir meine Fragen beantworten könnt. Aber ihr wundert euch darüber, dass ich nun die Dinge anspreche, die mich betreffen. Was erwartet ihr denn, was wir ansprechen sollen? Vielleicht beginnt ihr einfach mal zu erklären, warum ihr tut, was ihr tut und dies einfach ohne auf stur zu schalten. Vielleicht erklärt ihr den Krieg, in dem ihr euch angeblich befindet und warum ihr die Vergangenheit hervorruft. Aimerelle es ist dabei gleich, dass es unterschiedliche Wege gibt, wie diese Erinnerungen wieder ins Leben der Menschen dieses Landes treten.. Die Dinge, die uns hier beschäftigen, sind von Gazriel ausgelöst worden und Gazriel gehört zu euch."

Milan

  • Beiträge: 1005
    • Profil anzeigen
    • Schreibtagebuch
Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1749 am: 26.06.2011, 11:50:38 »
Milan hatte nicht die geringste Lust mit ins Zelt zu gehen. Erstens wollte er sich die Diskussionen nicht anhören, da er ihnen ohnehin kaum hatte folgen können, und zweitens war er der Ansicht, dass sie eine Gruppe waren und wenn einer nicht ins Zelt durfte, war das eine klare Absage an alle. Da sich Arue allerdings selbst einverstanden erklärte, auf sie zu warten, schob sich Milan mühselig mit ins Zelt und wie er vermutet hatte, begriff er gar nichts. Das ganze Gespräch bestand nur aus gegenseitigen Schuldzuweisungen, irgendwelchen Argumenten für oder wider der Sache und am Ende war Arue zwar im Zelt, aber Mika nicht mehr.

Milan seufzte und sah abwechselnd die Narashi an. "Ich hätte da eine Frage. Wäre es sehr unhöflich, wenn ich mich kurz irgendwo hierhin setze? Mein Gehirn löst sich grad auf und ich bin ein wenig wackelig auf den Beinen." Bevor die Drei antworten konnten, fügte er noch hinzu: "Dann würde ich gerne ein paar Fragen stellen. Spontan die erste wäre, wer ihr eigentlich seid und woher ihr kommt? Ich hab noch niemanden wie euch gesehen." Milan ächzte ein bißchen, vielleicht gequälter als es hätte sein müssen, aber er war nun mal wehleidig, besonders wenn es ihm schlecht ging und er solche Gespräche ertragen musste. Er hätte einfach im Zelt bleiben sollen. War in dieser Gruppe ja keine Seltenheit, dass einer einfach außen vor blieb, aus welchen Gründen auch immer. "Hm, ach und verzeiht mir, wenn ich Fragen doppelt stelle, die letzten reichhaltigen Diskussionen sind irgendwie nicht richtig bei mir angekommen."
Wenn der Glaube vorhanden ist, kann man selbst einen Heringskopf anbeten.

Sternenblut

  • Moderator
  • Beiträge: 7375
    • Profil anzeigen
    • Aradan - Stadt der Toten
Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1750 am: 28.06.2011, 11:17:04 »
Es war Gamael, der Milan antwortete. "Setzt euch", meinte er, und deutete auf die Ecke mit den zahlreichen Fellen und Kissen.

Dann sah er in die Runde, wobei sein Blick auch zu seinen eigenen Gefährten ging. "Es ist schade, dass eure Freundin das Zelt verlassen hat, aber vielleicht könnt ihr eurer Freundin ja erklären, was wir euch nun sagen werden. Denn ich möchte, dass ihr wirklich versteht, worum es uns geht. Es ist mir wichtiger, als bei den meisten Leuten da draußen, denn ich spüre, dass ihr in den aktuellen Ereignissen eine wichtige Rolle spielen werdet. Aber auch das werde ich euch gleich noch genauer erklären."

Er sprach leise, und wo Aimerelle energisch und überzeugend war, schien er eher bedächtig und nachdenklich. "Auch wenn meine Geschwister dies ungern breit treten, wir Narashi entspringen der selben Quelle wie die Siddhai. Wir sind, wenn man so will, die Zweitgeborenen von Thaikaris. Die Siddhai waren einst Geistwesen, die den Ruf von Thaikaris vernommen haben, und körperliche Gestalt annahmen. Sie haben viel für diese Welt getan. Doch die Welt hat sich verändert. Thaikaris ist aus dem Gleichgewicht geraten, auch wenn wir die Ursache dafür noch nicht kennen. Die Siddhai aber ignorieren diese Tatsache. Sie sind davon überzeugt, dass sie die Balance erhalten können, ohne viel zu ändern. Deshalb hat Thaikaris nach uns gerufen."

"Als Gazriel auf diese Welt kam, haben die Siddhai dies gespürt. Sie haben sich auf den Weg zu ihm gemacht... und versucht, ihn zu töten. Sie glauben, dass Gazriel die Veränderung einleiten würde - und begreifen nicht, dass er sie nur begleitet, dass er sie in eine gute Richtung lenken will."

"Was das Gleichgewicht dieser Welt angeht... es zeigt sich in vielen Dingen. Noch bevor Gazriel auf dieser Welt erschien, gab es die ersten Sterblichen, die sich an Dinge aus früheren Leben erinnerten. Doch das ist bei weitem nicht alles. Thaikaris beherbergt unterschiedliche Rassen, Menschen, Elfen, Zwerge, Halblinge, Goblins, und so fort. Diese Völker gibt es seit langem, und nie hat sich daran etwas geändert. Doch innerhalb des letzten Jahres sind auf einen Schlag einige neue Arten aufgetaucht. Es fing mit dem selbsternannten Gottkaiser Trai'Malun an, der es auf uns noch unbekannte Art schaffte, sein eigenes Volk hervorzubringen, die sich schlicht die Ergebenen nennen. Später kam eine neue Elfenart mit dunkler Hautfarbe hinzu, die in unterirdischen Höhlen tief im Süden des Landes leben. Und danach folgten weitere, sogar einige nie zuvor gesehene Tiere."

Er machte eine kurze Pause, und ließ das Gesprochene einen Moment sacken. Dann fiel sein Blick auf Elvaril. "Bitte erzähle ihnen vom Großen Jäger."

Elvaril straffte sich - wobei seine Muskeln noch deutlicher zum Vorschein kamen. "Bist du dir sicher?" fragte er seinen Gefährten.

Anstatt zu antworten, sah Gamael ihn nur mit aufmerksamen Augen an. Schließlich wandte sich der Mannlöwe an die Gruppe. "Einige von euch haben auch Erinnerungen, richtig? Vielleicht habt ihr dort schattenhafte Wesen gesehen, oder finstere, unsichtbare Stimmen gehört. Einflüsternde Stimmen. Solche Wesen treiben noch immer ihr Unwesen auf Thaikaris. Es waren nie viele, vielleicht zehn oder zwanzig, und die meisten davon schienen eher in einer Art Schlaf zu sein. Sie waren nicht wirklich aktiv."

"Diese Kreaturen haben in der Vergangenheit entscheidenden Einfluss auf die Geschichte genommen. Sie waren es, die den Weg bereitet haben für Krieg und Verderben. Wir nennen sie die Jäger, denn sie suchen sich eine einzelne Beute aus - nur dass sie sich nicht über das Fleisch hermachen, sondern über den Geist und die Seele. All diese Wesen aber dienen einem einzelnen Anführer... einer Kreatur, die wir den Großen Jäger nennen. Und wo auch immer der Große Jäger war, seit er diese Welt das letzte Mal in den Krieg gestürzt hat, er ist zurückgekehrt. Und er hat seine Jäger mit gebracht. Ich habe sie gesehen. Hunderte, Tausende. Sie nehmen wieder Einfluss auf diese Welt, auf Sterbliche ebenso wie auf Geister."

Gamael stellte sich neben seinen imposanten Freund, und legte eine Hand auf seinen Arm. "Danke, Elvaril." Dann sah er wieder zur Gruppe. "Wenn die Leute sich nicht daran erinnern, was vor langer Zeit schon einmal geschah, werden sie wieder den Einflüsterungen der Jäger erliegen. Das Schicksal von Thaikaris hängt davon ab, dass die Leute sich erinnern. Dass sie begreifen, was einst geschah, und was nicht wieder geschehen darf. Deshalb wollen wir, dass sich die Leute erinnern... aber deshalb wollen wir auch, dass sie nicht in der Vergangenheit leben. Aber es muss eine freiwillige Entscheidung sein. Es muss eine Entscheidung sein, die aus dem Begreifen kommt, nicht aus der Manipulation. Denn selbst, wenn wir diesen Weg gehen wollten, und das wollen wir nicht - wir sind zu Fünft, während da draußen unzählige schattenhafte Jäger ihre Einflüsterungen auf den Weg bringen."

"Wir", sprach nun auch Aimerelle wieder, "die Narashi, sind lediglich das Werkzeug, um die Welt gegen diesen Feind vorzubereiten."
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Rex Macallan

  • Beiträge: 268
    • Profil anzeigen
Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1751 am: 28.06.2011, 13:07:54 »
Rasch vergaß Moandor seine Besorgnis um Arue, denn eine beinahe unbändige Freude breitete sich in ihm aus, als die Narashi so bereitwillig ihre Geschichte vor ihm ausbreiteten und sehr interessant war es darüber hinaus auch. Äußerlich ließ er sich natürlich nichts anmerken, mit der Ausnahme, dass seine ihm eigene Unbekümmertheit sehr schnell in Sprache und Gestik zurückkehrten.

Lässig hatte er es sich nach der Aufforderung Gamaels auf ein paar Kissen gemütlich gemacht und entspannt den Worten der Narashi gelauscht. Noch immer wollte nicht wahrhaben wieviel Glück er heute hatte, doch ein anderer Teil seines Verstandes arbeitete daran, wie er noch mehr aus seinen Gastgebern herausholen konnte.

"Also wenn ich das richtig verstehe, wird ein Wandel auf unsere Welt zu kommen - das wisst Ihr und das wissen die Siddhai. Es ist nur die Art wie beide Gruppen diesem Wandel gegenübertreten. Ihr wollt ihm offen begegnen und in die richtige Bahn lenken, während die Siddhai ihn verneinen möchten und mit allem Eifer ein Gleichgewicht aufrecht erhalten wollen, dass Eurer Aussage nach schon nicht mehr existent ist. Aber den Hauptfeind sehen sowohl Narashi und Siddhai in dem großen Jäger und seinen Dienern, richtig?"

Moandor machte eine kleine Pause und sortierte seine Gedanken neu "Ihr sagtet diese Jäger jagen nach einzelnen Seelen. Das ist sicher nicht schön, aber das hört sich für mich trotz ihrer angeblich gestiegenen Zahl immer noch nur nach Einzelschicksalen an. Mir wird aus Euren Worten nicht klar welches Ziel der große Jäger verfolgt. Gewiss sie säen Krieg und Verderben, aber was wollen sie dadurch erreichen?"

"Und vielleicht noch eine letzte Frage wenn Ihr gestattet. Ihr spracht davon, dass Ihr fünf an der Zahl seid. Gazriel ist der erste und hier sehe ich drei weitere. Was hat es mit dem Fünften auf sich?" Moandor hatte mit den Fingern seiner erhobenen Hand gezählt und wirkte nun offenkundig verwirrt. Fragend blickte er seine Gastgeber nacheinander an.

Sternenblut

  • Moderator
  • Beiträge: 7375
    • Profil anzeigen
    • Aradan - Stadt der Toten
Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1752 am: 28.06.2011, 13:19:46 »
Aimerelle nickte zu Moandors Worten. "Allerdings ist es wohl so, dass die Siddhai glauben, Gazriel wäre in irgendeiner Form für das Auftreten des Großen Jägers verantwortlich. Sie glauben, wenn sie die Narashi auslöschen, verhindern sie den Wandel. Doch der Wandel hat schon vor uns begonnen, und wir sind bereits mittendrin."

Dann mischte sich Gamael wieder in das Gespräch ein. "Tallion, der die Ritter der Morgensonne anführt, ist eine einzelne Seele. Er hält sich für einen Seher, einen Propheten. Doch die Visionen, die er bekommt, entspringen einem Jäger. Er sieht viele wahre Dinge, nur vereinzelt verwoben mit Lügen, die ihn dahin bringen, wo ihn sein Jäger haben will. Tallion ist bereits jetzt eine Schlüsselfigur, er trägt massiv dazu bei, dass der einstige Konflikt - in dem er ebenfalls eine Schlüsselfigur war - wieder neu auflebt. Was denkt ihr, wie viele Schlüsselfiguren es braucht, die Welt ins Chaos zu stürzen?"

"Was die eigentlichen Ziele der Jäger oder vielmehr des Großen Jägers angeht... wenn wir das wüssten, wäre uns sehr geholfen. Bisher sieht alles danach aus, als ob es darum geht, die Welt mit Schrecken zu überziehen. Vielleicht ist es so einfach, vielleicht auch nicht."

Als Moandor seine letzte Frage stellte, zeigten alle drei Narashi ein sanftes Lächeln. Wieder war es Aimerelle, die antwortete. "Sie steht kurz davor, diese Welt in körperlicher Form zu betreten. Gazriel sucht sie. Es kann jeden Tag soweit sein, dass unsere Schwester Kari zu uns stößt."
« Letzte Änderung: 28.06.2011, 13:27:51 von Sternenblut »
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Lucanor

  • Beiträge: 243
    • Profil anzeigen
Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1753 am: 28.06.2011, 14:04:58 »
Aufmerksam lauschte Arue den Erklärungen und versuchte durch diese schon einen Hinweis auf sich selbst zu finden. Und tatsächlich kam ihr in den Sinn dass die Narashi bereits vom Jäger gesprochen hatten als es darum ging dass sie nicht ins Zelt durfte. War dies also die Dunkelheit die sie damit meinten?
Aber noch etwas anderes kam ihr in den Sinn, als sie die Natur dieser Jäger beschrieben. Unter ihren Gefährten gab es jemanden der über so etwas schon einmal gesprochen hatte. Gedankenverloren wanderte der Blick der Schneiderin zu Eretria und verharrte dort längere Zeit.
Die Priesterin hatte erzählt wie Aliya - Die Person dessen Erinnerungen sie in sich trägt - von einer Stimme geleitet wurde. Handelte es sich dabei ebenfalls um einen solchen Jäger?

Erst als das Gespräch auch die Ritter der Morgensonne umfasste, schaute sie wieder zu den Narashi und nachdem sie kurz darüber nachdachte, äußerte sie vorsichtig eine Vermutung. "Ich fürchte es sind nicht viele solcher Schlüsselfiguren notwendig. Und wenn sie die richtige finde, dann könnte ich mir sogar vorstellen das eine einzige ausreichend ist. Wenn diese über genug Einfluss oder Überzeugungskraft verfügt ..."

Rex Macallan

  • Beiträge: 268
    • Profil anzeigen
Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1754 am: 28.06.2011, 16:51:34 »
Moandor sah Arue mit einem fröhlichen Lächeln an "Gewiss, aber solche Wege gehen, nur um Zerstörung und Verderben zu bringen? Die entscheidende Frage ist immer, wer davon profitiert... Zwar können wir Vernichtung als Selbstzweck nicht ganz ausschließen, aber dennoch halte ich es für unwahrscheinlich genug, als dass wir annehmen sollten, dass mehr dahinter steckt. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, dass was ich vor der großen Bühne zunächst von unseren Gastgebern dachte: Je größer das Chaos um so leichter kann man seine Arbeit erledigen, wenn niemand etwas davon mitbekommen soll."

Moandor blickte Aimerelle und ihre Gefährten mit einem amüsierten Grinsen an "Nichts für ungut natürlich. Ich spekuliere einfach nur sehr gerne. Aber sagt, könnt Ihr uns erklären wie es beim letzten Mal verlief? Ich entnehme Euren Ausführungen, dass die Jäger nicht gewonnen haben. Was ist damals genau geschehen? Meine Gefährten haben einige Mosaiksteinchen zusammengetragen und -geträumt, aber vieles liegt noch im Verborgenen und vielleicht könnt Ihr ja Aufklärungsarbeit leisten."

Inzwischen musste Moandor gar nicht mehr überlegen, wie er nach Informationen fragen wollte. Der Spaß am Umgang mit Mysterien war geweckt worden und Moandor sprach nun auch aus ehrlichem Interesse.

  • Drucken