Es war Gamael, der Milan antwortete. "Setzt euch", meinte er, und deutete auf die Ecke mit den zahlreichen Fellen und Kissen.
Dann sah er in die Runde, wobei sein Blick auch zu seinen eigenen Gefährten ging. "Es ist schade, dass eure Freundin das Zelt verlassen hat, aber vielleicht könnt ihr eurer Freundin ja erklären, was wir euch nun sagen werden. Denn ich möchte, dass ihr wirklich versteht, worum es uns geht. Es ist mir wichtiger, als bei den meisten Leuten da draußen, denn ich spüre, dass ihr in den aktuellen Ereignissen eine wichtige Rolle spielen werdet. Aber auch das werde ich euch gleich noch genauer erklären."
Er sprach leise, und wo Aimerelle energisch und überzeugend war, schien er eher bedächtig und nachdenklich. "Auch wenn meine Geschwister dies ungern breit treten, wir Narashi entspringen der selben Quelle wie die Siddhai. Wir sind, wenn man so will, die Zweitgeborenen von Thaikaris. Die Siddhai waren einst Geistwesen, die den Ruf von Thaikaris vernommen haben, und körperliche Gestalt annahmen. Sie haben viel für diese Welt getan. Doch die Welt hat sich verändert. Thaikaris ist aus dem Gleichgewicht geraten, auch wenn wir die Ursache dafür noch nicht kennen. Die Siddhai aber ignorieren diese Tatsache. Sie sind davon überzeugt, dass sie die Balance erhalten können, ohne viel zu ändern. Deshalb hat Thaikaris nach uns gerufen."
"Als Gazriel auf diese Welt kam, haben die Siddhai dies gespürt. Sie haben sich auf den Weg zu ihm gemacht... und versucht, ihn zu töten. Sie glauben, dass Gazriel die Veränderung einleiten würde - und begreifen nicht, dass er sie nur begleitet, dass er sie in eine gute Richtung lenken will."
"Was das Gleichgewicht dieser Welt angeht... es zeigt sich in vielen Dingen. Noch bevor Gazriel auf dieser Welt erschien, gab es die ersten Sterblichen, die sich an Dinge aus früheren Leben erinnerten. Doch das ist bei weitem nicht alles. Thaikaris beherbergt unterschiedliche Rassen, Menschen, Elfen, Zwerge, Halblinge, Goblins, und so fort. Diese Völker gibt es seit langem, und nie hat sich daran etwas geändert. Doch innerhalb des letzten Jahres sind auf einen Schlag einige neue Arten aufgetaucht. Es fing mit dem selbsternannten Gottkaiser Trai'Malun an, der es auf uns noch unbekannte Art schaffte, sein eigenes Volk hervorzubringen, die sich schlicht die Ergebenen nennen. Später kam eine neue Elfenart mit dunkler Hautfarbe hinzu, die in unterirdischen Höhlen tief im Süden des Landes leben. Und danach folgten weitere, sogar einige nie zuvor gesehene Tiere."
Er machte eine kurze Pause, und ließ das Gesprochene einen Moment sacken. Dann fiel sein Blick auf Elvaril. "Bitte erzähle ihnen vom Großen Jäger."
Elvaril straffte sich - wobei seine Muskeln noch deutlicher zum Vorschein kamen. "Bist du dir sicher?" fragte er seinen Gefährten.
Anstatt zu antworten, sah Gamael ihn nur mit aufmerksamen Augen an. Schließlich wandte sich der Mannlöwe an die Gruppe. "Einige von euch haben auch Erinnerungen, richtig? Vielleicht habt ihr dort schattenhafte Wesen gesehen, oder finstere, unsichtbare Stimmen gehört. Einflüsternde Stimmen. Solche Wesen treiben noch immer ihr Unwesen auf Thaikaris. Es waren nie viele, vielleicht zehn oder zwanzig, und die meisten davon schienen eher in einer Art Schlaf zu sein. Sie waren nicht wirklich aktiv."
"Diese Kreaturen haben in der Vergangenheit entscheidenden Einfluss auf die Geschichte genommen. Sie waren es, die den Weg bereitet haben für Krieg und Verderben. Wir nennen sie die Jäger, denn sie suchen sich eine einzelne Beute aus - nur dass sie sich nicht über das Fleisch hermachen, sondern über den Geist und die Seele. All diese Wesen aber dienen einem einzelnen Anführer... einer Kreatur, die wir den Großen Jäger nennen. Und wo auch immer der Große Jäger war, seit er diese Welt das letzte Mal in den Krieg gestürzt hat, er ist zurückgekehrt. Und er hat seine Jäger mit gebracht. Ich habe sie gesehen. Hunderte, Tausende. Sie nehmen wieder Einfluss auf diese Welt, auf Sterbliche ebenso wie auf Geister."
Gamael stellte sich neben seinen imposanten Freund, und legte eine Hand auf seinen Arm. "Danke, Elvaril." Dann sah er wieder zur Gruppe. "Wenn die Leute sich nicht daran erinnern, was vor langer Zeit schon einmal geschah, werden sie wieder den Einflüsterungen der Jäger erliegen. Das Schicksal von Thaikaris hängt davon ab, dass die Leute sich erinnern. Dass sie begreifen, was einst geschah, und was nicht wieder geschehen darf. Deshalb wollen wir, dass sich die Leute erinnern... aber deshalb wollen wir auch, dass sie nicht in der Vergangenheit leben. Aber es muss eine freiwillige Entscheidung sein. Es muss eine Entscheidung sein, die aus dem Begreifen kommt, nicht aus der Manipulation. Denn selbst, wenn wir diesen Weg gehen wollten, und das wollen wir nicht - wir sind zu Fünft, während da draußen unzählige schattenhafte Jäger ihre Einflüsterungen auf den Weg bringen."
"Wir", sprach nun auch Aimerelle wieder, "die Narashi, sind lediglich das Werkzeug, um die Welt gegen diesen Feind vorzubereiten."