Im Lager war inzwischen ein fast hitziges Gespräch über Simues seltsames Verhalten entbrannt - Tolkwy und Nevos, der ihn schlussendlich doch irgendwie bekräftigte, da auch er eher Mann von Taten und nicht von weichen Worten war, redeten nur so auf Simue ein - diese gab kaum noch einen Laut von sich und hatte sich wahrlich in sich selbst zurückgezogen: Bis schließlich Kwazeel der ganzen Situation vorerst einen Aufschub aber keineswegs eine Lösung gab - sie würden herausfinden, was los war und Simue sollte sich auf keinen Fall Sorgen machen müssen! Gemeinsam kehrten sie also dem Fleckchen Erde an dem gerade eine fast inquisitorische Befragung stattgefunden hatte den Rücken zu und teilten ihre Anwesenheit mit Jask, der nahe ihres Unterstands ein kleines Feuerchen entfacht hatte und dort bereits einen Sud aus verschiedenen Baumwurzeln bereitete - es roch beinahe gut!
Gemeinsam setzten sie sich und aßen, im Gegensatz zu den vorangegangenen Minuten, eher schweigend: Wasserschläuche wurden herumgereicht und auch Kwazeel half mit seiner Magie aus. Zusammenhalt wurde spürbar, zwar auf eine seltsam verkrampfte Art und Weise - aber immerhin! Viele Chancen alleine hätte hier von ihnen vermutlich niemand. Dieser Gedanke hatte vollends an Realität abgenommen, nachdem sie heute zum ersten Mal wirklich den Kannibalen gegenüber gestanden hatten. Auch Kaspian war ja schließlich hier im Dschungel verschwunden - und bisher hatten sie vielleicht eine Spur von ihm gefunden, aber kein wirkliches Lebenszeichen...
Es war dunkel um sie herum geworden, doch da der Himmel heute relativ wolkenlos war beschien der Mond die kleine Lichtung doch ganz gut. Alles war in ein silbrig-weißes Licht getaucht als sich die ersten Gefährten zu Bett begaben und Tolkwy sowie Dan die erste Wache übernahmen, auch Kwazeel blieb noch eine Zeit lang mit Simue am Feuer sitzen und unterhielt sich leise tuschelnd mit ihr. Nevos und Jask waren müde geworden und hatten sich bereits in ihre Schlafstätten begeben. Schließlich folgten auch Simue und Kwazeel. Still war es geworden im Dschungeldickicht der Schmugglerinsel und endlich fanden die Gefährten Ruhe und Erholung...
Zwischenspiel - Etwas weiter weg, mitten im Wald... (Anzeigen)Unverständliches Gebrüll und wild geschwungene Krummsäbel sowie schartige Äxte umgaben ihn plötzlich: Eine Horde Wilder überfiel ihn! Hatten sie hier etwa diese Wege angelegt?! Die kleinen Fallen, die er gefunden und entschärft hatte, die schreckliche Hütte mit den Schädeln und anderen Knochen, die verlassenen Lagerplätze - an was war er hier nur geraten! Er hob beschwichtigend die Hände, ließ seine Waffen fallen - mehr vor Schreck, denn als Augabewille - doch da traf ihn schon ein heftiger Hieb am Hinterkopf: Eine stumpfe, aber schwere Keule war es gewesen, das war das letzte was er wahrnahm, bevor die Welt um seine Augen herum zu verschwimmen begann. Der Dschungel der ungeheuerlichen Insel um ihn herum, die Schatten und Umrisse der wilden und ungezügelten Barbaren, die Klänge ihrer Waffen und Schilde, ihr Geschrei: Hände packten ihn, zerrten ihn hinweg, doch von all dem bekam er schon lange nichts mehr mit - er hatte vergessen: Oblivio
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Es war nicht lange nachdem Simue und Kwazeel sich zur Ruhe gelegt hatten, als Tolkwy und Dan plötzlich hellhörig wurden: Im Bereich der Schlucht, nördlich von ihnen schienen sich Menschen zu bewegen, oder zumindest irgendjemand der der Sprache mächtig war - Schreie, Schritte, Getrampel - plötzlich erkannten sie beide das Kauderwelsch, welches da durch den nächtlichen Dschungel schallte: Es waren Kannibalen, mindestens sechs Stück, wenn nicht gar noch mehr. Schnell versammelten sich die beiden Wachenden am felsigen Abgrund und spähten vorsichtig und geschützt hinunter. Die Gruppe der Wilden schien sich schnell zu nähern. Erste Schimmer von Fackeln zuckten durch die Nacht und schon betraten sie den Bereich der Schlucht, der wirklich gut einzusehen war von den beiden Gefährten: Der kleine Pfad unter ihnen füllte sich plötzlich mit tatsächlich neun Kannibalen. Vorne und hinten je einer mit einer großen Fackel, Bewaffnete, die die Seiten des Trosses absicherten - scheinbar hatten die Barbaren schlechte Erfahrungen mit wilden Tieren gemacht - und in der Mitte vier kräftige Kannibalen die eine Holzkonstruktion trugen an der ein menschlicher Körper baumelte. Und es war eindeutig ein Mann, der da recht leblos, oder doch nur bewusslos, oder einfach schlafend, herunterhing. Seine Arme und Beine waren an den Hölzern festgebunden und die Barbaren schleppten ihn von dannen: Doch wirklich tot sah der Mann nicht aus, sogar seine Augenlider zuckten - jedenfalls meinte Dan das erspähen zu können - vielleicht war gerade dabei aufzuwachen, an seinem Hinterkopf schien Blut zu kleben, vielleicht war er doch nur bewusstlos geworden. Dann, der Trupp stoppte kurz, ein Aufschrei von Unten herauf - eine Parole?!
Doch dieses Mal verstand auch Tolkwy das Kauderwelsch der Kannibalen nicht wirklich, vielleicht ein Losungswort für die Beschreitung des Pfades, vielleicht ein Aufruf, dass die faulen Wachen aufgeweckt wurden, vielleicht eine Frage an die Wachhabenden - was sollten sie jetzt nur tun?! Und wer um alles in der Welt war der Gefangene der Kannibalen dort Unten?! Kaspian war es jedenfalls nicht: Doch jetzt hieß es handeln, nicht lange nachdenken...