Stumm hörte Omrah den Planungen zu und überlegte, was er tun konnte, ohne Ryffa zu enttäuschen. Seine Entscheidung stand eigentlich schon fest. Er hatte geschworen, für das Leben zu kämpfen und alles zu tun, was in seiner Macht stehen würde, um das Licht zurück nach Aradan zu bringen. Flucht war überhaupt keine Möglichkeit, denn die würde ihnen zwar Zeit erkaufen aber viele Leben kosten. Es blieb ihnen nur zu kämpfen. Der Bedrohung ins Auge zu blicken und dafür zu sorgen, dass die Kriegsmaschinen für immer zerstört wurden.
Doch wie sollte er das Ryffa beibringen? Wie konnte er ihr etwas erklären, dass er selbst kaum verstand? Das sich seine gesamte Welt innerhalb weniger Sekunden für immer verändert hatte. Das er kämpfen wollte. Für das Licht. Für das Leben.
Omrah sah auf den Boden und seufzte. Er verzweifelte fast an dieser Entscheidung. Er hatte zwei Versprechen gegeben und schon jetzt schien es so, als könne er nur eines davon einhalten.
Mit einem Ohr hörte er weiterhin der Diskussion zu und da traf ihn plötzlich eine Vision, die sich von derjenigen vor wenigen Minuten, unterschied. Die Bilder ließen ihn krampfhaft zurückzucken, auch wenn er wusste , dass sie dieses Mal nicht echt waren. Noch bevor er die Stimme der schemenhaften Gestalt hörte, wusste er, dass es sich um die Frau handelte, die die Untoten zu befehligen schien.
Die grässliche Szenerie und abartige Freude in der Stimme der Frau verschwanden zum Glück schnell wieder. Trotzdem musste Omrah sich wieder beruhigen und dazu zwingen, langsam zu atmen. Hoffentlich würde er jetzt nicht noch öfter solche Visionen kriegen.
Doch was sollte er mit diesem Wissen anfangen? Sollte sie zeigen was passierte, wenn sie abwarteten? Oder zeigte die Szene was passieren würde, wenn sie angriffen? Handelte es sich bei den Personen, die zerfleischt worden waren, um sie selbst? Konnte er der Vision überhaupt trauen? Er wusste bereits, dass die Bilder nicht echt gewesen waren - wie sollte die Vision ihm da helfen? Das Ganze verwirrte den Jungen nur noch mehr, als er überhaupt schon war.
Als er sich wieder halbwegs auf das Hier und Jetzt konzentrieren konnte, hörte er gerade noch die Vorschläge Gelirions und die Antwort Wills. 'Schade nur, dass niemand überleben wird, sie zu erzählen...' Das waren fast die gleichen Worte, die die Frau in der Zukunftsvision zu Will gesagt hatte.
Die Erinnerungen an das, was geschehen konnte, ließ Omrah endlich seine Entscheidung treffen und reagieren. Er sah wieder hoch und blickte in die Gesichter seiner Freunde. Omrah war entschlossen zu tun, was getan werden musste. Sie mussten kämpfen und durften sich nicht verstecken.
"Wir können nicht alle Leute sicher durch die Stadt bringen. Die Untoten würden auf uns aufmerksam werden und uns folgen. Wir würden die Reststadt in Gefahr bringen, selbst wenn wir bis dahin überleben." So sehr ihn die nächsten Worte schmerzten, er sprach sie trotzdem aus. "Ich komme mit, wenn ihr die Belagerungswaffen in Brand steckt. Ich... ich muss. Ich muss es tun." Omrah senkte seinen Blick wieder und sprach leise weiter. "Wir können nicht ewig wegrennen. Irgendwann werden sie uns kriegen. Und wenn nicht die Untoten, dann der Nebel. Da helfen uns auch die Mauern nicht weiter. Wir müssen kämpfen und uns gegen die Untoten wehren. Nicht abwarten."
Omrah sah wieder auf und suchte den Blick Ryffas. "Ryffa... " Wie sollte er ihr das alles nur erklären? "Komm, ich will dir etwas zeigen." Er konnte es nicht erklären aber er konnte ihr vielleicht zeigen, dass er sich verändert hatte. Nichts war ihm in diesem wichtiger, als das sie verstand, dass er kämpfen musste und das es ihn selbst schmerzte, sein Versprechen nicht einhalten zu können.
Allerdings wollte Omrah noch damit warten, dem Rest der Gruppe zu erzählen, was mit ihm passiert war. Es war einfach noch nicht soweit. Er wollte es erst selbst verstehen, bevor er ihnen diese Veränderung offenbarte.