"Danke... Quintus" rief er dem Tullier halblaut hinterher, als dieser Caesar in dem maroden Haus allein ließ. Stille kehrte ein, nur dumpf und schwach kam das Lärmen der riesigen Stadt von Draußen herein.
"Eine Verschwörung... mal wieder. Eine Monat ohne solcherlei wäre mal ein Novum." Doch Gaius fühlte recht schnell, dass er nicht so ruhig war, wie er hätte sein sollen. Gewiss, Verschwörungen gegen ihn oder auch andere waren hier in Rom an der Tagesordnung. Man konnte fast meinen es gehöre zum guten Ton mindestens einmal eine organisiert oder zumindest an einer teilgenommen zu haben. Aus den meisten wurde sowieso nicht viel mehr als ein wichtigtuerisches Treffen von ängstlichen Männern an einem verlassenen Ort. Auch Gaius hatte schon an genügend Verschwörungen teilgenommen, um auf einen gewissen Fundus an Erfahrungen zurückgreifen zu können.
Wenn ihn jemand nach einem Rat gefragt hätte würde er wohl immer darauf beharren, dass das wichtigste an einer Verschwörung war, zu wissen wann man sich von ihr lösen sollte. Immer -früher oder später - gelangt man im Verlaufe einer Verschwörung an diesen einen kritischen Punkt an, der Punkt an dem man sich endgültig dafür oder dagegen entscheiden musste. Wenn man an diesem Punkt bleiben wollte, durfte es nur aus einem Grund geschehen: Weil man vollends vom Erfolg der Unternehmung überzeugt war. Dass man an eine Sache glaubt, sie als gerecht ansieht oder zum Handeln genötigt sieht wird immer ein Grund sein sich einer Verschwörung anzuschließen aber es darf niemals der Grund sein zu bleiben. Was auch immer man selber denken oder glauben mag, das Opfer der Verschwörung wird es sicherlich anders sehen. Diese Gründe sind als schlicht und einfach beliebig, für den Verschwörer darf es also nur um den Sieg gehen und sobald er diesen gefährdet sieht, weiß er, dass er der Sache seinen Rücken kehren muss. Wer diesen Augenblick verpasste oder ignorierte, der würde fortan Blut an seinen Händen tragen, egal ob es tatsächlich um einen Mord oder etwas weniger Gravierendes ging. Caesar erinnerte sich an das unrühmliche Ende Catilinas
[1] und seiner Mitverschwörer
[2]. Marcus hatte sich damals redlich bemüht Gaius zum Kreis der Verschwörer zu schieben, doch all seine Anschuldigung glitten an dem jungen Politiker ab, der damals noch weit hinten im Senat saß und lächelnd dem
Pater Patriae[3].
Sollte Quintus Recht behalten würde es in Caesars Falle zweifelsohne um Mord gehen und zwar an Gaius selbst. Alles andere wäre sowohl undenkbar als auch unsinnig, schließlich konnte man den größten Eroberer seit Alexander
[4] nicht einfach aus der Stadt jagen. Vor dem Bürgerkrieg hatte Pompeius behauptet er müsse nur mit dem Fuß aufstampfen und er hätte mehr Legionen als er, Gaius Caesar. Was sollte Gaius dann jetzt behaupten? Sie begannen ja schon ihn zum Gott zu erheben
[5]. O nein, würde man ihn entmachten aber am Leben lassen, wäre ein weitere Bürgerkrieg das einzig mögliche Schicksal für Rom und dies konnte keiner wollen. Doch was wäre, im Falle eines erfolgreichen Mordes das Schicksal Roms? Vermutlich würde es sich ähnlich gestalten. Der Tod des Diktators würde mehr Macht und Glanz hinterlassen als der Senat je sein Eigen nennen konnte und hinter Caesar stand eine ganze Riege junger, aufstrebender Männer bereit, die sein Erbe würden antreten wollen. Das würde niemals ohne Blutvergießen ausgehen, befand Gaius.
"Dennoch, allein die Anwesenheit Quintus' ist bedeutsam, ganz abgesehen von seinem untypischen Verhalten. Ich sollte mir einen besseren Überblick verschaffen, bevor ich irgendwelche Pläne über den Haufen werfe. Bis jetzt glauben mich die Verschwörer sicher noch unwissend, und je länger ich sie in diesem Glauben lassen kann, desto größer meine Chance sie zu überholen und die Initiative ergreifen zu können. Doch zunächst..." Caesar blickte sich noch einmal in seinem alten Haus um und atmete die kühle aber gleichsam feuchte Luft ein. Es roch nach Schimmel, altem Gemäuer und morschem Holz, aber immer noch lag eine vertraute Nuance darin,
"...sollte ich ein Zeichen setzen. Ob ich es ernst meine werde ich später entscheiden.""Herr?" einer seiner Liktoren stand mit besorgter Miene in der Tür, offensichtlich hatten sie Quintus das Haus verlassen gesehen und fragten sich nun warum Caesar noch drinnen blieb.
"Alles ist in Ordnung Occius, ich danke dir." Gemeinsam schritten sie in das helle Morgenlicht hinaus und stießen zum Rest von Caesars Gefolge. Bevor er nun Gnaeus Domitus Ahenobarbus aufsuchen würde, musste er zunächst zurück in die Via Sacra gehen, denn er wollte gewährleisten, dass seine Wege unerkannt blieben.
In der Via Sacra angekommen verschwendete er nur wenig Zeit und da Calpurnia
[6] nicht anwesend war, musste er sich auch niemandem erklären. Zuerst versetzte er den halben Haushalt in helle Aufregung als er ankündigte kurzfristig Kleopatra, die in seiner Villa außerhalb der Stadt weilte, für den Vormittag zu besuchen gedenke. Im daraufhin ausbrechenden Chaos nahm er sich einen bestimmten Diener zur Seite, Vibius. Ein junger Mann den er nur aus einem einzigen Grunde beschäftigte: Man konnte sich darauf verlassen, das er tat was man ihm auftrug, aber nicht, dass danach nicht die gesamte Stadt davon wusste - es gab nur wenige Diener, die Caesar nützlicher sein konnten.
"Bringe in Erfahrung wem momentan mein altes Haus in Subura gehört und kaufe es ihm ab. Wenn du einen guten Preis erzielen kannst, dann machst du mir eine große Freude, aber wichtiger ist, dass du es einfach kaufst. Danach suchst du jemanden der es wieder herrichtet, dass es so schön wie einstmals werden wird." Der Junge zögerte zaghaft aber gleichsam beharrlich, zwar wollte er den Mächtigsten Roms nicht reizen, hoffte aber dennoch mehr über die merkwürdige Anwandlung seines Herrn zu erfahren. Selbstverständlich spielte Caesar mit und mimte eine genervte Miene und grollte
"Deine Neugier wir irgendwann noch dein Verderben sein, Vibius. Ich werde es nicht für mich nutzen, es soll dort ein Arzt wohnen, der sich um die Alten und Kranken des Viertels kümmert und ihre Gebrechen heilt. Um diesen Arzt kannst du dich ebenfalls kümmern. Und behalte das alles für dich. Ich möchte nicht, dass man davon erfährt."Soviel zum Zeichensetzen. Auch wenn ein Stall wohl besser in seine Metapher gepasst hätte würde Quintus wohl schon wissen, wie er diese Sache deuten sollte. Nun konnte er sich seiner zweiten List des Tages zuwenden. Er wies vier Diener, die vertrauenswürdiger als Vibius war an, die Sänfte zu tragen, in welcher ein fünfter Diener nun einen entspannten Vormittag verleben durfte. Während der unerwartete Aufbruch immer noch für ein gewisses Durcheinander sorgte, zog Caesar sich zurück, bis seine Diener und Liktoren aufgebrochen waren, zum großen Teil unwissend, dass ihr Herr nicht unter ihnen weilte.
Caesar wusste nicht, ob man ihn schon beobachtete, aber wenn doch, dann würde er nun eine gute Chance haben, sich unerkannt in der Stadt zu bewegen. Jeder von ihnen in eine einfache Paenula
[7] gehüllt und die Kapuze ins Gesicht gezogen brach er gemeinsam mit drei Veteranen, Männern den er besonders vertraute, auf. Auf Umwegen bewegten sie sich zum Haus von Gnaeus Domitius und stoppten in einer nahen Gasse, die sich vor allem dadurch auszeichnete, dass sie eng, dunkel und so gut wie ausgestorben war. Zwei seiner Männer an den Enden der Gasse positionierten, so dass niemand sie passieren könnte, wenngleich dies an sich schon eher unwahrscheinlich war, während der Dritte zu Gnaeus' Haus ging, um diesen um ein Gespräch mit seinem Herrn zu bitten, das aus Diskretionsgründen außerhalb des Hauses stattfinden müsse. Selbstverständlich wurde Caesars Name dabei nicht erwähnt. Die Chance war zu groß, dass Ahenobarbus sich weigern würde. Dass Caesar sich lieber in dieser Gasse mit seinem Widersacher traf, dürfte hingegen genauso in seinem eigenen wie auch in Ahenobarbus' Interesse liegen. So würde es unwahrscheinlich sein, dass es Gerüchte gab, die einen von ihnen beiden zu einer Rechtfertigung nötigen könnten.
Und tatsächlich erschien sein Mann alsbald mit Gnaeus Domitius Ahenobarbus im Schlepptau. Bedacht auf einen eindrucksvollen Auftritt hatte Caesar sich in einen Erker in der Hauswand gestellt so, dass man ihn nicht erkennen konnte. Und so trat er keine zwei Schritt vor Ahenobarbus in die Gasse, die gerade mal breit genug war, dass zwei Männer nebeneinander in ihr stehen konnten.
"Salve, Gnaeus Domitius und Danke für dein Erscheinen. Bitte verzeihe mir was für einen Ort ich dir zumuten muss" begrüßte Caesar sein Gegenüber und nahm für einen Augenblick seine Kapuze zurück, sodass man sein lächelndes Gesicht erkennen konnte
"Und verzeihe mir die unangenehme Gesellschaft die ich dir ebenfalls zumuten muss. Und in Anbetracht dessen, denke ich, dass dir der Ort unseres Treffens sicherlich doch zusagen wird."Caesar gab seinem dritten Mann, der noch immer an der Seite Domitius' stand ein Zeichen, so dass dieser sich ein paar Schritte von den beiden Politikern entfernte.
"Wir sprechen mehr als nur selten miteinander und ich wage zu behaupten, dass wir beide, ganz aus dem Impuls heraus, sagen würden, dass auch diese mehr als seltenen Gelegenheiten sich immer noch viel zu oft ereignen. Aber ich glaube, dass dies ein Fehler ist, Gnaeus. Ein Fehler den ich zu lange zu bereitwillig begangen habe."Caesar machte eine Pause in der er sich nachdenklich ans Kinn fasste.
"Hippokrates lehrt uns, dass Gesundheit und Physiologie unseres Körpers durch das Zusammenspiel von vier Säften[8], die essentieller Bestandteil eben dieses Körpers sind, bedingt wird. Gibt es ein Ungleichgewicht zwischen diesen Säften, so prägt sich dies in einem Gebrechen aus. Und solch ein Gebrechen wird behandelt in dem man sich bemüht dem Ungleichgewicht der Körpersäfte entgegenzuwirken. Und das ist hier das Entscheidende, es geht um Harmonie und nicht darum etwas aus dem Körper heraus zuschneiden, etwas zu entfernen. Man sich dieser Säfte entledigen, doch ich kenne niemanden der ohne Blut zu Leben vermag, wenn du verstehst. Der Arzt muss die weitere Entwicklung also in die richtige Bahn lenken, so dass sich wieder ein Säfte-Gleichgewicht einstellen kann, dass der veränderten Lebenssituation angemessen ist. Was hältst du davon, Gnaeus?"