Bei Dans Worten setzte Tanya ein skeptisches Grinsen auf. "
Ich denke, dieses Geheimnis muss nicht schon heute gelüftet werden, Dan. Für Sie bleibt dann neben den 50 Wechseln ein weiterer Anreiz, uns noch einmal zu besuchen."
Ein paar weitere Minuten vergingen im eher belanglosen Gespräch, bis sich die Hellvetikerin schließlich aufmachte, die Stube zu verlassen. Tanya zog den Reißverschluss ihres Anzugs bis zum Kragen hoch und band die Haare mit einem Lederband zu einem Zopf zusammen. "
Lassen Sie Termoskanne und -tassen einfach stehen, wenn Sie morgen früh aufbrechen. Ich hole sie dann ab. Wir sehen uns am Ausgang Tiss."
Sie machte ein paar Schritte auf die Tür zu und legte die Hand auf die Klinke. Die Tür noch geschlossen, wandte sie sich noch einmal an den Schrotter. "
Ach Dan - nur ein gutgemeinter Rat. Wenn Sie das nächste Mal nach einem langen Marsch bei uns absteigen, benutzen Sie unbedingt die Dusche am Ende des Gangs. Für den Fall, dass ich dann vorbeikomme und nicht bluffe."
Mit einem neckischen Lächeln auf den Lippen und ohne auf eine Antwort zu warten drückte die Hellvetikerin die Klinke herunter und entschwand aus dem Raum.
[1]_______________________________________________________________________________________
Null-Sechshundert. Die Beleuchtung des Gangs sprang gerade von Nacht- auf Tagesbetrieb. Die altersschwachen Röhren flackerten auf, manche stabilisierten sich schnell, andere flimmerten weiter kränklich. Das Ausgangstor des Tunnels TR1 - Q4 - IV, unter den Männern und Frauen der Festung auch bekannt als Ausgang Tiss, bestand aus zwei zwei unterarmdicken Eisenflügeln. Der rechte Torflügel war in der oberen Hälfte knapp einen Metter breiter, als unten. Auf Mitte der Höhe des Flügels verjüngte er sich horizontal. Der linke Torflügel war entsprechend passen in seiner unteren Hälfte breiter als oben. So passten beide Seiten perfekt ineinander und verschlossen den Ausgang hermetisch. Entsprechende hydraulische Hebel an beiden Türen zeigten an, dass man diese zur Not uch von Hand bedienen konnte, doch im Allgemeinen griff man wohl auf den Kontrollkasten an der rechten Wand zurück.
Neben dem Kontrollkasten stand Hauptfeldwebel Contini, flankiert von Soldat Baur. Tanya nickte Dan kurz zu, als sie ihn sah, gab aber sonst in keinter Weise zu erkennen, dass sie den Schrotter am Tag zuvor noch einmal getroffen hatte. Die Zusatzausrüstung für den Einsatz - Waffen und Munition der Hellvetiker, sowie ein verpacktes Termozelt
[2] - lag ordentlich gestapelt an der Wand. Zwei voll ausgerüstete Soldaten in Harnisch und mit Wegbereiter in der Rechten flankierten das Tor.
"
Guten Morgen", begann Contini. "
Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Nacht und sind bereit. Es ist der 25.10. - Feldwebel Wagner, gemäß unsere Standardvorschriften erwarte ich ihre erste Meldung aus dem Cluster in Galle innerhalb der nächsten 5 Tage. Danach alle 14 Tage."
Contini wandte sich kurz an Baur "
Aufmachen" Tanya nickte, drehte sich zum Tor um und gab eine sechsstellige Kombination ein. Ein grünes, rechteckiges Feld leuchtete auf dem Kontrollkasten auf. Tanya hielt eine Karte an das Feld und drückte den großen, roten Knopf an der rechten, unteren Ecke.
Zwei gelbe Alarmleuchten sprangen über den Torflügeln an und ein Alarmgong erscholl. Dann hörte man das zischen sich entriegelnder Hadraulikverschlüsse und das Rattern von Riemen. Zunächst schrill, dann weniger hoch, dafür mit umso mehr Wucht, erhob sich das Pfeifen des Windes. Kälte und weißes Licht erfüllten den Korridor und ließen die Anwesenden ihre Köpfe unwillkürlich tiefer unter Kapuzen und Helme ziehen. Die beiden Tore glitten unter lautem Knattern weiter in die Wände hinein. Schließlich verschwanden sie vollständig im Stein der Festung und Ausgang Tiss stand offen. Ein Tor voller Weiß: unten erstreckte sich ein endloser Teppich aus frischem Schnee nach unten zur Ebene und blendete jeden Betrachter durch das gespiegelte Sonnenlicht. das Licht einer Sonne, die selbst im tosenden Schneegestöber nicht auszumachen war - wo der weiße Teppich der Erde endete, begann das weiß-graue Flirren der Flocken, die die Sicht auf maximal zehn Meter begrenzten. Und der Wind sang sein Lied.
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Die Temperatur beträgt -7 Grad Celsius." Contini schrie nun, um sich im tosenden Wind verständlich zu machen. "
Nicht das beste Wetter für einen Spaziergang, aber wir haben keine Zeit zu verlieren. Sie sollten innerhalb von 5-6 Stunden im Tal ankommen. Gemäß unseren Wetterstationen ist das Wetter unten deutlich besser und sie haben freie Sicht."
Der Hauptfeldwebel und Baur reichten nacheinander allen vier Teilnehmern der Mission die Hand. Zuletzt salutierten sie vor den Kameraden Wagner und Kyburg. "
Gute Jagd", sagte der Hauptfeldwebel zum Abschied. Es war Zeit zum Aufbruch.