Heißt das Zeug nun Quaki- oder Quiki-Seide? Die beiden Damen scheinen sich uneins. Warum haben die ganzen Frauensachen auch immer so ulkige Namen, die sich keiner merken kann?"Und du könntest mir genug davon besorgen, dass es für ein Kleid reicht? Aber hm, die Farbe müsste auch stimmen, Frauen haben da ja immer so schrecklich genaue Vorstellungen. Also, Amell mag's eher dunkler, oder jedenfalls kräftig, bloß nichts blasses! Also dunkelgrün, dunkelblau, so'n dunkles, eh, wie soll ich sagen, erdgelb... 'Wenn's dir stehen würd', steht's auch mir' hat sie mir mal gesagt, als sei damit alles erklärt. Also na ja, ich meine, wir sehen uns schon recht ähnlich, so vonwegen Haar-, Haut- und Augenfarbe, aber ich kann mir dann irgendwie doch immer nicht vorstellen, dass ihr stehen würd', was mir steht. Ich täte mich da ganz auf dich verlassen müssen, Jemma! Wie teuer käme das denn so ungefähr?"Jemma nennt ihm eine Summe. Er lässt sich nichts anmerken, sondern schlägt kräftig ein, als sie ihm die Hand hinstreckt. Ha, eine Sorge weniger! Das Problem des leeren Beutels—ein Gold und vier Silberlinge befinden sich zurzeit darinnen und eine vernachlässigbare Anzahl Kupferstücke—würde er bis dahin schon irgendwie lösen.
Dann ist auch der letzte ihrer Tafelrunde satt und man begibt sich in das Nebengebäude, in welchem sich tatsächlich niemand um die dreckige Kleidung zu kümmern anschickt. Bereits handtuchumschlungen schlüpft Basilio noch einmal hinaus, beide Arme voll Wäsche, auf der Suche nach einer guten Seele. Normalerweise ist er ja weder eitel noch allzu empfindlich in dieser Hinsicht, aber wenn er sich vorstellt, in diesem Aufzug—nur nochmals um drei Tage reifer—Maru wiederzusehen...
Er muss nicht lange suchen, da erblickt er schon einige Mägde und steuert zielstrebig eine grauhaarige Matrone an, in der er mütterliche Gefühle zu erwecken gedenkt. Seine Miene arrangiert er sorgfältig zu jenem Ausdruck, den seine Schwester sein "verirrte-Welpe-Gesicht" nennt und der seine Wirkung bei Frauen über vierzig eigentlich noch nie verfehlt hat.
Doch bevor er die Alte erreicht—die ihm umso grießgrämiger erscheint, je weiter er sich ihr nähert, weswegen sein Schritt schon zögerlich werden will—tritt ein junges blondes Ding an ihn heran, deren wogend dralle Oberweite sich genau auf seiner Augenhöhe präsentiert.
"Kann ich etwas für Euch tun, mein Herr?" fragt sie mit klingender Stimme.
Alarmiert blickt Basilio zu Boden und erkennt, dass sie auf einer Treppenstufe steht. Als sie davon herunter- und ihm einen weiteren Schritt entgegentritt, überragt sie ihn immerhin nur noch um einen halben Kopf.
"Äh", sagt er.
Das Mädchen lächelt aufmunternd.
"Ihr braucht Hilfe mit Eurer Wäsche, nicht wahr?""Ja", sagt Basilio, eifrig nickend.
"Wir müssen nämlich morgen früh schon wieder los und das Hemd hier müsste zudem dringend mal wieder eine Nadel sehen, schau den Riss hier, und dort ging der Pfeil hindurch, und an der Hose da, siehst du, da hat mir eine Hyäne hinterhergeschnappt. Würdest du... wärst du wirklich so freundlich... also, das fände ich ganz schrecklich reizend von dir!"[1]"So reizend, dass Ihr mich hinterher mit Küssen bedeckt?" fragt das Mädchen kokett.
Hinter ihr schnaubt die Alte spöttisch und sagt etwas in der Sprache, die Sanjan immer spricht; eigentlich ist es mehr ein Spucken als ein Sprechen. Basilio aber, der sich mit Frauen so gar nicht auskennt, bleibt trotz diesem und den folgenden Anzeichen völlig ahnungslos.
"Oh, du, äh, warst vorhin bei Tisch dabei, richtig? Also, ich mach gern mal einen Spaß, das muss man nicht so ernst nehmen."Das Mädchen zuckt eine gleichgültige Schulter in Richtung der Alten, bevor sie einladend die Arme nach Basilio ausstreckt—oder vielmehr nach seiner Wäsche.
"Wann könnte ich meine Sachen denn wieder abholen? Und wo?" fragt er, als er ihr seine gesamte Last aufdrückt.
"Und wie heißt du überhaupt? Ach, du kannst mich übrigens Basilio nennen und du sagen, ja? So ganz ein feiner Herr bin ich dann auch wieder nicht."Den Namen will er schon allein zur Sicherheit wissen, damit er sich notfalls zu ihr durchfragen kann. Das muss ihm nicht passieren, dass er am Morgen noch nackt durch die Gegend hüpft, wenn die anderen schon aufbrechen wollen, auf der Suche nach seiner Wäsche!
Seltsamerweise strahlt das Mädchen bei seinen letzten Worten über das ganze Gesicht.
"Mirtel", sagt sie, und dann erklärt sie ihm den Weg zu der Kammer, wo er seine Sachen abholen kann, aber vor Einbruch der Nacht schafft sie es nicht und es muss ja auch noch alles trocknen, da wird auf dem Hof gewiss schon jeder im Bett sein, aber er solle sich nur ja keine Gedanken machen, es mache ihr wirklich nichts aus, etwas länger wach zu bleiben und einem Helden wie ihm zur Hand zu gehen.
Balsam für Basilios Seele! Endlich wird er einmal nicht mit Schimpf oder Spott überschüttet, sondern mit Lob und Bewunderung! Gerade will er etwas ähnlich nettes erwidern, da tritt plötzlich Flannait heran und häuft ihre Dreckwäsche gleich zu Basilios dazu, dass die arme Magd unter der Last schwankt.
"He!" sagt Basilio.
"Nicht so ruppig! Überhaupt, das heißt Bitte und Danke, liebe Mirtel."Flannait, welche sich längst wieder auf dem Rückzug befindet, wirft ihm nur einen langen Blick über die Schulter zu.
"Schon in Ordnung", sagt Mirtel.
"Deine Freundin?""Kamerad", sagt Basilio.
"Wir kennen uns von der Front. Tut mir leid, dass du wegen mir jetzt noch mehr Arbeit hast.""Oh, wenn's dir nur leid tut, macht's mir gar nichts aus, dann wirst du es nachher ja wiedergutmachen wollen. Ich wüsst' auch schon wie."Oh, mein armer Beutel. Da muss wohl mein letztes Goldstück dran glauben. Oder vielleicht reichen die vier Silber?"Keine Sorge", verspricht er tapfer.
"Du sollst auf deine Kosten kommen."Glucksend rückt Mirtel sich die Last zurecht und verschwindet damit hüftschwingend im Haus.
Basilio eilt Flannait nach zum Badhaus hinüber.
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Das ist schon ein sehr seltsames Badhaus, denkt Basilio bei sich, was ihn nicht daran hindert, sich bald schon unter wohligsten Seufzern auf einer der Bänke auszustrecken und zu räkeln und, kaum dass er die Augen schließt, aufs Angenehmste vor sich hinzuträumen.
Den peitschenden Birkenbesen schlägt er aus. Ha, das fehlt gerade noch! Sich freiwillig hauen zu lassen. Wie kann der Kerl so wonnevoll dabei gucken? Das muss doch wehtun! Nun ja, jedem das Seine.
Als sie dann aber das Becken mit kaltem Wasser umstehen und der alte Dejy etwas von "abhärten" erzählt, fühlt Basilio sich dann doch an seiner Männlichkeit gepackt. Abhärten, ja, das will er ja gern! Also, hart wäre er gern, am liebsten ohne voriges Abhärten, aber das wäre wohl zu viel verlangt. Also tritt er beherzt an das Becken heran und steckt einen Zeh ins Wasser.
Und springt mit einem ungläubigen Aufschrei wieder zurück. Dabei entgleitet ihm der Zipfel, an welchem er das umgeschlungene Handtuch festhält, und selbiges beginnt von seiner Blöße zu rutschen, gerät ihm alsdann, bei seinem hektischen Versuch, es rechtzeitig aufzufangen, zwischen die Beine, der glitschige Boden tut sein übriges und Basilio stürzt. Ihm gelingt noch eine halbwegs elegante Pirouette, dass er nicht mit dem Kopf auf dem harten Steinboden aufschlägt, sondern mit allen Körperteilen—und einem gewaltigen Platscher—im eiskalten Wasser landet.
"Pah!" ruft er, als er prustend wieder auftaucht.
"Pah! Das soll abhärten? Das kann ja gar nichts!"[2]~~~
Einige Zeit später lehnt Basilio mit nassem Haar und trockenem Handtuch an der Stallwand und denkt über Flannaits Worte nach. Er hat nicht erwartet, dass sie mit Ja antwortet, aber zumindest zögert sie und klingt verunsichert, wo sie früher nicht lange gefackelt hätte, sondern lieber der nächsten Grünhaut die Kehle durchschnitten.
"Angst ist ein schlechter Ratgeber.[3] Was schlägst du denn als Alternative zu der von dir phantasierten Szene vor: präventiven Genozid? Mal abgesehen davon, dass euch das womöglich die Seele kosten wird: glaubst du, dann wärt ihr sicher? Sag, ihr vertreibt die Ukhtark aus Kezhdal, was dann? Dann steht ihr völlig allein da. Die Menschen in Dorwida, so wenig Sympathie sie für Kezhdal haben, werden auf eine solche Tat mit Entsetzen reagieren. Und Norga-Krangel? Werden sie ihre verlorenen Vettern rächen? An wem? Wenn ihr Glück habt, nur am nächsten korakischen Dorf, schließlich schmeißen sie uns Menschen gern alle in einen Topf, und wer weiß, ob sie unsere Beteuerungen, das seien aber nicht unsere Freunde in Ek'Gakel sondern die Elfen gewesen, glauben würden. Ich könnte jetzt noch ein Dutzend weiterer Szenarien heraufbeschwören, eins düsterer wie das andere.
Du darfst dir nicht vom Schreckgespenst einer möglichen Zukunft den Blick auf das verstellen lassen, was hier und jetzt das richtige wäre. Mehr können wir nicht tun: hier und jetzt so handeln, wie Gewissen und Vernunft uns gebieten. Und, notgedrungenerweise, die Tagespolitik unserer Völker."Er macht eine Pause, ordnet seine Gedanken. Ein wenig muss er schmunzeln. Da schau einer ihn an, was für ein Friedensbote aus ihm geworden ist! Dabei ist er nun so gar nicht mit diesem Gedanken nach Ek'Gakel gereist, doch da die Idee ihn nun einmal gepackt hat—nebst einem gewissen Ehrgeiz, zu beweisen oder zumindest für sich selbst herauszufinden, ob es
möglich wäre—hat er sich selbst schon halb davon überzeugt, dass er sein Lebtag nicht anders gedacht hätte. Obwohl Flannaits Gegenwart ihm nur allzu bildhaft die Erinnerung ins Gedächtnis ruft, dass dem nicht so ist. Aber was soll's. Die besten Lügner glauben ihre Lügen selbst.
"Alles, was du über die Kargi weißt, weißt du von deinen Leuten. Oder von meinen. Stolz und Ehre lassen sich aber auch an anderen Orten beweisen als auf dem Schlachtfeld: auf der Jagd, im sportlichen Wettkampf, beim Turnier. Das allein ist kein Grund für einen Krieg. Genausowenig wie die Grünhäute ein Monopol auf den Krieg haben, dem Hurra-Geschrei auf der Suche nach Ruhm und Ehre.
Ich sag jetzt gar nicht, dass du meinem Frieden glauben sollst. Aber ich bitte dich, flehe dich an: geh mit offenen Augen und offenem Herzen an die Sache heran und schaue selbst. Lass dir nicht deine Meinung vom Hass der Vorväter vorgeben, lass dir von ihnen nicht verbieten, für die Zukunft zu hoffen.
Dein Vater fiel in der Schlacht. Im Kampf Mann gegen Mann. Hätte sein Gegner ihn nicht erschlagen, läge dieser nun selbst tot unter der Erde. Du sprichst von Gerechtigkeit für deinen Vater: es ist an ihm keine Ungerechtigkeit begangen worden, nach keinem Gesetz der Welt, geschrieben oder ungeschrieben. Trauer um ihn, Flannait, schreie deinen Zorn über die Ungerechtigkeit, dass ein Kind ohne den Vater aufwachsen musste, in die Welt hinaus, aber verlange keine Gerechtigkeit in seinem Namen. Er würde es nicht wollen.
Du fragtest, was ich mit Aisling noch besprach. Ich habe ihr wiedergegeben, was Mago mir erzählt hat von jener Schlacht. Es war sein Olivenzweig an sie. Sein Angebot der Versöhnung. Wenn du glaubst, es dir ruhig anhören zu können, werde ich es auch dir erzählen."Wenn Flannait ihm dies verspricht—glaubwürdig—so wird Basilio ihr dasselbe erzählen, was er Aisling erzählt hat, nebst seinen Schlussfolgerungen, diese als solche deutlich ausgewiesen.
[4]Danach schweigt Basilio etwas länger und Flannait, wenn sie nicht in Gedanken völlig bei ihrem Vater verweilt, mag wohl schon denken, er habe ihre zweite Frage vergessen oder wolle sie stillschweigend übergehen. Weder noch.
"Ich kenne Nola nicht. Von den Elfen im Elninawald hatte ich vorher noch nie gehört, über Elfen im allgemeinen weiß ich kaum etwas, und diese ganze Sache mit der Erbfolge ist mir unverständlich und suspekt. Was ich jetzt sage, begründet sich einzig auf einer Sache, die mir gewiss scheint: kein Treueschwur seinem Fürsten oder General gegenüber kann einen Mann binden, diesem auch dann noch zu gehorchen, wenn dessen geistige Fähigkeiten offensichtlich beim Teufel sind und er auf fatalste Weise gegen die Interessen seines Volkes agiert, es gar an den Rand des Untergangs bringt, weil's ihn einen Dreck interessiert, was nach ihm sein wird. Im Gegenteil: sein Schwur gebietet dem loyalen Gefolgsmann in diesem Fall sogar, seinem Herrn den Befehl zu verweigern und ihn daran zu hindern, dem Volk zu schaden, das sie gemeinsam so lange beschützt haben, denn wäre der Fürst noch bei Verstand, so würde er dies gewiss wollen.
Daraus schließe ich, dass Nola eigene Pläne hat."Diesen Satz lässt Basilio erst einmal wirken.
"Du wirst ein besseres Bild von seinem Charakter haben als ich", sagt er schließlich.
"Aber du hast mich gefragt und deshalb antworte ich: nein, ich glaube nicht, dass er Aisling in ihren Friedensplänen unterstützen wird. Das beste, was ich mir von ihm erhoffen will, ist, dass er andererseits auch dem Wahn deines Großvaters nicht bis in die letzte Konsequenz folgen wird: sobald er den Augenblick für gekommen sieht, wird er versuchen, die Macht an sich zu reißen. Und wenn ich das mit der Erbfolge richtig verstanden habe—und seinen Auftritt als der Krone ultraloyal richtig deute—so wird er keine eigene Dynastie gründen wollen, denn dafür wäre es weitaus schwerer, die nötigen Mithelfer zu finden, sondern sich als Regent inszenieren. In anderen Worten, er wird Torin und Fearchara nicht umbringen lassen, aber er wird sie für seine Zwecke benutzen. Wird sich als Statthalter für den Thronfolger ausgeben, als Vormund der beiden, eben als Regent. Aisling wäre dabei natürlich im Weg, ebenso Onkel Liam, aber dafür wird er schon eine Lösung finden.
Das sind alles nur Vermutungen, von denen ich mir wünsche, dass ich damit falsch liege. Dennoch möchte ich dich noch einmal bitten: schau nicht zwanzig Jahre in die Zukunft. Die Gegenwart ist kompliziert genug und verlangt unsere volle Aufmerksamkeit und all unser Können."Damit ist Basilio nun aber wirklich am Ende seiner Rede angelangt. Oder doch nicht? Eine Sache will er eigentlich nicht ansprechen. Es wäre schrecklich dumm, sie anzusprechen. Noch dümmer allerdings, wenn Flannait es anders erfährt als von ihm. Dann sähe die Sache erst recht schlecht aus.
"Wenn du das alles, was ich gerade gesagt habe, aber nicht hören und bedenken willst, so kann ich dir einen Ausweg anbieten, der mir mit einem einzigen Tritt unter die Gürtellinie alle Glaubwürdigkeit aberkennt. Tarqetik sagt es mir bereits nach, und Protest hilft da wenig, doch vor dir will ich es vorneweg und rundheraus leugnen und du magst selbst entscheiden, ob du mir glaubst. Einzig deiner Diskretion möchte ich vorab versichert sein." An dieser Stelle hält er inne, bis Flannait ihm verspricht, die nächsten Worte so vertraulich zu behandeln wie ein Priester die Beichte.
"So lass mich dir versichern: Zum Denken gebrauche ich meinen Kopf und nichts anderes. Alles, was ich dir gerade erzählt habe, alle Meinungen, die ich vertreten habe, sind meinem Verstand entsprungen und reiflicher Überlegung. Nichts davon hat das geringste damit zu tun, dass ich mich Hals über Kopf in die Dariba der Ukhtark verliebt habe.
Und wer etwas anderes behauptet, der kennt mich schlecht", fügt er noch trotzig hinzu, bevor er die Flucht ergreift—oder es zumindest versucht.