~~~ Drei Wochen später, an Bord der Sazari, acht Meilen von der Küste von Prompeldia ~~~
"
Als würde sie brennen", sagt Tarqetik gedankenverloren.
Bostar prustet zu Antwort: "
Ha!" Er legt dem Mann die Hand über die Schulter und beugt sich zu ihm hinüber. "
Weißt du was, Tarqetik? Ich bereise die Meere um Tellene seit mehr als zwei Jahrzehnten. Ich habe die Kupferbeschlagenen Türme von Bet Kalamar in der Sonne blitzen sehen, bin durch die Mewzhana-Bucht gesegelt in den legendären Hafen von Monam-ahnozh, ich bin durch die Zinnentore der Kriegshäfen von Dalen und Cosolen gedriftet, wo man sich fühlt, als würde man freiwillig in den Bauch eines Riesenhais einfahren... Aber Prompeldia in der Abenddämmerung - es gibt nichts vergleichbares..."
Der brandobinische Kämpe und der altgediente Steuermann der
Sazari stehen am Bug der zweimastigen Karavelle an der Reling gelehnt und schauen hinaus auf das beeindruckende Schauspiel. Hinter ihnen - hinter dem Schiff, hinter dem Horizont - geht die lodernd rote Sonnenscheibe in einem zunehmend unwirklich scheinenden Himmel unter. Das Wasser scheint wie lebendes Metall, ein Grau und Grün, dass an den Schaumkuppen der Wellen fast schon silbern leuchtet. Möwen ziehen über den orangenen Himmel, und werfen lange, verzerrte Schatten über das Wellengeflecht.
Vor ihnen dann die Küste. Und Prompeldia. Kothon - der natürliche Hafen, nun ausgebaut und befestigt - die Stadtmauern, unten aus dem massiven Granit der Elenonberge, ab Mannshöhe aus rotem Sandstein und Ziegeln, dahinter das massive Geflecht von Häusern, Terassen, Flachdächern, Türmen und Zwischenmauern, einer Stadt von Hunderttausend, die sich von der Küste nach oben in die Steinhänge frisst. "Die Stadt zwischen den zwei Meeren", weil hinter Prompeldia noch ein anderes Meer liegt. Das große Sandmeer der Elos-Wüste.
Und das alles blitzt nun auf - die Turmdächer schimmern golden und rot, wie geschmolzenes Kupfer, der Sandstein scheint wie im Glutofen zu brennen. Violette blitzer durchziehen die Landschaft, wo jedes Stück Metall und jedes Fenster das Sonnenlicht bricht und zurückwirft. Die ganze Stadt scheint im Feuer zu stehen - einem Feuer, das nichts beschädigt und doch allgegenwärtig ist. Eine passende Metapher für diese Stadt, den vor allen anderen Dingen ist Prompeldia eben das: ein Glutofen, in dem seine Bewohner und Besucher täglich auf's Neue Glück und Unglück schmieden.
* * *
Drei Wochen sind vergangen, seit die Gefährten auf ihrem Weg nach Korak den Kampf mit den Gnollen und Höllenhyänen überstehen mussten. Drei Wochen, in denen sie die beschwerliche Reise nach Prompeldia Schritt für Schritt bewältigt haben.
Nach dem Abschied von den korakischen Kriegern ging es weiter in Basilios Heimat. Wie verabredet, meidete der kleine Treck Korem, schlug sich nach Süden entlang des Banader durch und versuchte schließlich, in einem der Dörfer entlang des Flusses sein Glück, eine Fahrtgelegenheit runter zur Elosbucht zu finden.
Was sie stattdessen fanden, war verstörender wie verständlicher Fremdenhass. El'ssas Herkunft ließ sich spätestens im Gasthaus nicht mehr geheimhalten und der Besitzer setzte sie nur aufgrund der misslichen Lage und der Aussicht auf seltene Einnahmen nicht vor die Tür. Auf der Straße musste die Gruppe mehrmals Beschimpfungen über sich ergehen lassen und zweimal gab es sogar Steinwürfe in ihre Richtung. Der Hass auf den Feind aus dem Süden ist groß nach so vielen Jahrzehnten Krieg.
Mit einem der schmalbäuchigen Frachter ging es weiter den Banander hinab nach Baneta. Eine beschwerliche Überfahrt, vor der sie die Pferde und den von Jaresh geliehenen Wagen zurückließen. Besonders für Siola, die die Schiffsfahrten nicht gewöhnt war, war dies abermals eine große Umstellung. Die Tage dienten jedoch auch dazu, dass sich die Gefährten besser kennenlernten. Auch wenn die Atmosphäre angespannt war - die Geheimhaltung, ständige Raumknappheit auf der kleinen Kogge und die zum Teil hitzigen Charaktere der Gruppe ließen gar nichts anderes zu - fand die Gruppe doch zu einem praktischen Miteinander zusammen.
In Baneta waren die Gefährten dann endlich am offenen Meer angekommen. Nach den beiden entbehrlichen Wochen war die Versuchung groß, einige Tage in den Annehmlichkeiten der hellen und lebendigen Küstenstadt zu verbringen. Siola strahlte über das ganze Gesicht beim Blick aus dem Hafen. Basilio fand sogar Zeit, mit Flannait den Markt nach Geschenken für zu Hause abzusuchen. Nur Sanjan und Grimnir schienen sich in dieser Menschenansammlung weniger wohl zu fühlen, als zuvor im Dickicht des Waldes, durch den die Fahrt sie geführt hatte. Für Amaara war es eine neue Erfahrung - eine weitere Großstadt neben Prompeldia; so anders, und doch in vielem so gleich. Tarqetik dagegen wanderte den ganzen Abend Gedankenversunken durch die Straßen und ließ sich nicht anmerken, was ihn genau treibt. Dennoch schien er mit jeder Meile, die sie Prompeldia näher kamen, immer in sich gekehrter. Insbesondere Amaara fiel das auf, die den Kämpen immer wieder beobachtete, aber auch den anderen Gefährten entging die Veränderung nicht.
Am nächsten Tag nach der Ankunft bestiegen sie dann die
Sazari. Es war wieder einmal nicht einfach, ein Schiff zu finden, welches gleich vier Frauen, darunter zwei Halbelfen und eine Sil-Karg, aufnehmen wollte. Doch Mezhego, der svimohzische Kapitän der Karavelle, nahm sie mit knappen Worten, aber einem ehrlichen Lächeln gegen die übliche Gebühr für die Überfahrt an Bord. Damit begann die letzte Etappe der Fahrt. Die Mannschaft - Mezhego selbst, sein Steuermann Bostar und ein knappes Dutzend an Matrosen - nahm die Gefährten gut auf. Natürlich bestaunten die Männer die illustre Gesellschaft die ersten Tage und selbstverständlich versuchten sich alle Männer bis auf Kapitän und Steuermann irgendwann an den Frauen an Bord. Mit Ausnahme von El'ssa, an die sich nur zwei der tapfersten herantrauten. Siola lächelte die Avancen weg und hier und da musste auch mal Grimnir böse knurren. Doch Mezhego hatte die Männer gut ausgewählt. Niemand wurde zu aufdrunglich oder gar handgreiflich. Es war ein beeindruckend guter Haufen geprägt von Einfachheit, Ehrlichkeit und Kameradschaft.
Bostar und Tarqetik fanden überraschenderweise zueinander. Sicherlich halfen auch zwei durchgebecherte Nächte am Bug des Schiffes, aber die Männer hatten eindeutig neben dem hochprozentigem Gebräu sich auch viel zu erzählen.
Vier Tage - dann Prompeldia.
* * *
"
Segel auf Halbmast!", ruft Mezhego. Die Männer führen aus. Die
Sazari drosselt die Geschwindigkeit und hält auf den Kothon zu. Alle Mann sind nun oben versammelt.
"
In einer halben Stunde sind wir drinnen" murmelt Bostar. "
Dann heißt es Prompeldia."
"
Prompeldia, Prompeldia" Furiz - der kleingewachsene Ausguck, ein junger Mann von vielleicht siebzehn Sommern - summt eine Melodie und zupft an seiner Kithara. Dann beginnt er zu spielen und stimmt ein unter den Seemännern der Gegend wohlbekanntes Liedchen an.
"
Die Mädchen von Prompeldia,
die tun es für ein Goldstück - ja.
Und in Shrogar-Provaaz, das ist kein Stuss,
da treiben sie's für einen feuchten Kuss.
Doch zieht dich wahres Feuer an,
Dann nimm ein Weib von Mielenon!"
Die Männer brechen in fröhliches Gelächter aus, bis schließlich Mezhego herantritt und Furiz mit einem vernichtenden Blick aburteilt. Der kleine Ausguck schaut dann verlegen zu den weiblichen Besuchern an Bord und nuschelt eine Entschuldigung. Dabei errötet er so sehr, dass die anderen Männer abermals lachen müssen.