Es sind noch zwei Fragen offen geblieben, die ich noch beantworten möchte:
Sehr interessant ist sicherlich zuerst einmal, dass über dem Charakter das Bild Martin Bubers steht. Wird der Charakter auch bewusst mehrere Züge Bubers tragen oder erschien dir vor allem das Bild passend für deinen Charakter?
Ich habe das Bild im ersten Moment nur genommen, weil das Bild dem Äußeren Pauls, wie ihn mir vorgestellt habe, sehr nahe kommt. Ich kenne von Buber nur ein paar Fakten aber keine inhaltlichen Linien. Zu seinen bekanntesten Werken zählt "Ich und Du" und der Titel stellt etwas in Aussicht, was mich sehr neugierig macht. Ich bin leider bisher nicht dazu gekommen, mich intensiv mit Buber auseinanderzusetzen. Die Uni hält mich derzeit vom Lernen ab.
Ich gehe davon aus, dass du bei den Aufzeichnungen zum zweiten Aspekt das sola gratia bewusst auslässt. Das würde für mich nach der Komposition des Charakters durchaus Sinn machen. Für das Verständnis Pauls würde mich die Antwort aus deinen Finger dennoch interessieren. Eigentlich scheint mir diese Frage durch deine zusammengefasste Aufzeichnung für die beiden Aspekte (Pauls Dogmatik) und den Wanderer zwischen den Welten nachvollziehbar, aber da möchte ich auf Nummer sicher gehen.
Sola Gratia spielt für Paul durchaus eine gewichtige Rolle. Auch er würde betonen, dass der Mensch allein aus Gnade gerechtfertigt wird. Die drängende Frage für Paul ist, ob der Mensch aus der Gnade jedoch wieder heraus fallen kann und er würde diese Frage mit 'ja' beantworten. Nämlich durch die menschliche Ignoranz der von Gott unbedingt geschenkten Gottesgemeinschaft. Er würde argumentieren, dass allein aus der menschlichen Existenzweise sich der Mensch von Gott abwendet. Er leitet dies aus dem paulinischen Antagonismus von 'Leben im Fleisch' und 'Leben im Geist' ab und übersetzt diese Begriffe in 'Existenz' und 'Essenz'. Demnach partizipiert der Mensch von Anbeginn an an der Essenz, aber durch die Existenz verliert er den Kontakt zur Essenz und handelt wider seines Wesens. Der paulinische Impertaiv zu einer ethischen Lebensweise bedeutet für Paul, dass der Mensch sich für 'ein Leben im Geiste' entscheiden muss und dies ist nur im ethischen Handeln möglich. 'Glauben' ist für Paul also ein Handeln. Allein aus sich selbst könnte er dies aber nicht. Daher bedarf es dem Glauben an Christus und der Partizipation des Geistes.
Ich denke, dass dies etwas schwierig zu verstehen sein könnte. Vielleicht hilft da ein Blick in Röm 7+8.
Röm 7 (Anzeigen)Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist; ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft.
15 Denn ich weiß nicht, was ich tue. Denn ich tue nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich.
16 Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, so gebe ich zu, dass das Gesetz gut ist.
17 So tue nun nicht ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt.
18 Denn ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt. Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht.
19 Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.
20 Wenn ich aber tue, was ich nicht will, so tue nicht ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt.
21 So finde ich nun das Gesetz, dass mir, der ich das Gute tun will, das Böse anhängt.
22 Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen.
23 Ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüt und hält mich gefangen im Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist.
24 Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem todverfallenen Leibe?
25 Dank sei Gott durch Jesus Christus, unsern Herrn! So diene ich nun mit dem Gemüt dem Gesetz Gottes, aber mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde.
Hier heißt es, dass der Mensch für sich das Gute im Gesetz erkennt, es aber nicht halten kann. Es gibt in ihm etwas, dem halten des Gesetzes widerstrebt – 'das Fleisch'. Das Fleisch ist in der jüdischen Tradition verstanden als ein Begriff für Vergänglichkeit. Wernn Paulus sagt, er wolle das Gesetz erfüllen und tut doch das, was er hasse, dann spricht er ein grundsätzliches, anthropologisches Dilemma an. Die Lösung ist in den Versen 24+25 angedeutet. Der Glaube an Christus erlöst. Die Lösung wird dann in Kap 8 ausgeführt.
Röm 8 (Anzeigen)1 So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.
2 Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.
3 Denn was dem Gesetz unmöglich war, weil es durch das Fleisch geschwächt war, das tat Gott: Er sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündigen Fleisches und um der Sünde willen und verdammte die Sünde im Fleisch,
4 damit die Gerechtigkeit, vom Gesetz gefordert, in uns erfüllt würde, die wir nun nicht nach dem Fleisch leben, sondern nach dem Geist.
5 Denn die da fleischlich sind, die sind fleischlich gesinnt; die aber geistlich sind, die sind geistlich gesinnt.
6 Aber fleischlich gesinnt sein ist der Tod, und geistlich gesinnt sein ist Leben und Friede.
7 Denn fleischlich gesinnt sein ist Feindschaft gegen Gott, weil das Fleisch dem Gesetz Gottes nicht untertan ist; denn es vermag's auch nicht.
8 Die aber fleischlich sind, können Gott nicht gefallen.
9 Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, wenn denn Gottes Geist in euch wohnt. Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.
10 Wenn aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen.
11 Wenn nun der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt.
12 So sind wir nun, liebe Brüder, nicht dem Fleisch schuldig, dass wir nach dem Fleisch leben.
13 Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches tötet, so werdet ihr leben.
14 Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.
[...]
25 Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld.
26 Desgleichen hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich's gebührt; sondern der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen.
Hier wird der gekreuzigte und auferstandene Christus und die Gabe des Geistes betont. Der göttliche Geist tritt zum menschlichen Geiste hinzu und ermöglicht das 'Leben im Geiste'. Wenn man die vielen Mahnungen und Imperative Paulus' ansieht, dann wird einem aber bewusst, dass der Gegensatz zwischen (menschlichen) Geist und Fleisch nicht aufgehoben wird. Es bedarf noch immer der Entscheidung des Menschen zum 'Leben im Geiste' (das ist für Lutheraner etwas schwierig).
Paulus antwortet in seinen Briefen immer auf konkrete Probleme der Gemeinden, die die Gemeinschaft bedrohen. Er ruft immer wieder, z.T. mit sehr harschen Worten und Bildern, sowohl zum Glauben als auch ethischem Handeln auf. Für Paul ist ersteres die Hoffnung und zweiteres der Ausdruck von Glauben. Man muss auch verstehen, dass für Paul Hoffung und Handeln in einem dynamischen Verhältnis stehen. Das eine bedingt das andere
[1]. Es braucht das Handeln, um hoffen zu können, und das Hoffen begründet das Handeln.
Was ich jetzt recht ausführlich dargelegt habe, ist, dass Paul keine Werkgerechtigkeit anstrebt, wenn er Entscheidung und Handeln so in den Vordergrund stellt. Vielmehr sieht er im Handeln das 'Sein in Christus', welches hilft, dem 'Leben im Fleische' (in Paulus' Terminologie) bzw. dem 'Leben der Existenz nach' (in Pauls Terminologie) zu begegnen.
Oje, jetzt habe ich eine Bibelauslegung angestrengt. Auch das ist ein Wagnis