Nach einer kurzen Diskussion und Jelenas Beobachtungen entschied die Gruppe sich dafür, lieber den Weg durch die Katakomben der Burg zu nehmen. Ingrid übernahm daher die Führung der Gruppe, während man die Pferde ein Stück von der Burg entfernt zurückließ. Da die Gruppe nun doch etwas verkleinert war, wurde entschieden, dass niemand bei den Tieren zurückblieb. Zwar gab es kurze Überlegungen, dass Leon bei ihnen warten könnte, doch dieser lehnte sofort vehement ab und versprach, den anderen auf jeden Fall folgen zu wollen, notfalls auch allein. Also kam auch er mit.
Der Eingang zu dem Verlies, den Ingrid versprochen hatte, befand sich außerhalb der Burgmauern im Wald und war dermaßen zugewuchert, dass er offenbar seit Jahren nicht benutzt wurde. Ingrid erzählte ihnen, wie sie ihn als junges Mädchen beim Spielen fand, und schon damals musste sie sich durch Dickicht schlängeln, durch das kein Erwachsener gepasst hätte. Weit war sie danach nicht gegangen, denn es war düster und staubig gewesen, und sie hatte schnell Angst bekommen.
Mit dem Dickicht, das jetzt den Eingang blockierte, machte Erich kurzen Prozess, auch wenn Louis mit rollenden Augen anmerkte, dass man auch filigraner an die Sache herangehen hätte können - womöglich wäre der Eingang dann noch eine Weile ihr Geheimnis geblieben. So jedoch lag schnell ein Haufen zerkleinerte Äste und Zweige auf dem Boden und gab den Blick frei auf eine verwitterte Steintreppe, die in ein dunkles Loch führte.
Die Abenteurer konnten schnell nachvollziehen, wie sich die junge Ingrid damals gefühlt haben musste, denn es war alles andere als gemütlich hier unten. Wer vorne ging, hatte alle Hände damit voll, die endlosen Spinnweben aus dem Weg zu räumen, die in den Jahrzehnten ungestört hatten geknüpft werden können, und auch der Blick nach vorne war von dichten Spinnweben und dem aufgewirbelten Staub blockiert, so dass sie sich fast blind nach vorne tasten mussten, stets in der Ungewissheit, was sie nur wenige Schritt vor sich erwarten konnten.
Nach einer Weile ließen die Spinnweben nach und die Gänge sahen nun auch eher wie ein Burgverlies aus - Jelena schätzte, dass sie sich nun unterhalb der Burg befanden. Sie mussten also einen Weg nach oben finden. Ab und an kamen sie an früheren Gittertüren vorbei, deren Stäbe nun aber komplett durchgerostet waren und kein Hindernis mehr darstellten. Auch verrottete Holzstücke lagen hie und da auf dem Boden. Es war offensichtlich, dass auch dieser Bereich lange nicht mehr von Menschen betreten worden war.
Immer noch waren sie auf der Suche nach einer Treppe oder einem Durchgang nach oben, als sie plötzlich eine Art schleifendes Geräusch hörten. Es fiel ihnen nicht leicht, die Richtung zu orten, aus der das Geräusch kam - es schien mal rechts, mal links von ihnen zu sein, doch spielte ihnen vielleicht auch ein akustisches Phänomen in diesen Gängen einen Streich.
Als sie sich gerade wieder etwas beruhigt hatten, schoss jedoch plötzlich eine riesige, weiße Schlange aus einem Nebengang direkt vor die Gruppe und stieß einen schrillen Schrei in deren Richtung aus. Der Kopf des Biestes befand sich gut und gerne auf Erichs Höhe, und der Torso hatte sicher den Durchmesser einer Elle.
Es schien unvermeidlich, dass das Biest sich auf sie stürzte, und eines war sicher: Niemand wollte von dieser Schlange gebissen werden.