Cauniarma hatte sich noch ein ganzes Weilchen mit Farsay unterhalten und war dabei so ehrlich, wie immer. Er sagte nämlich einfach, was er dachte, meist, ohne großartig zu überlegen ob und wem er möglicherweise damit auf die Füsse trat.
Dich folgenden Tage beteiligte er sich nur selten an Gesprächen mit der gesamten Gruppe, er hörte meist nur zu, nur bei den Verhandlung über den Einsatz der Schätze, die zu dem Schluss führten, dass Rhodin einen magischen Gegenstand bekommen sollte, weil er im Echsentempel leer ausgegangen war - auch für Cauniarma eine nachvollziehbare Entscheidung - hatte er sich zu Wort gemeldet. Als diese Verhandlung anstand, sorgte er dafür, dass auch wirklich jeder der Gruppe anwesend war.
Die meiste Zeit über verbrachte Cauniarma, wie auch Turandil, auf dem Oberdeck, weil er sich in seiner Kabine wie gefangen fühlte. Er hatte dabei mehrfach versucht Turandil in ein Gespräch über die Ahnen zu verwickeln, doch Nimmermehr, wollte nimmermehr darüber reden und blockte meist sehr schnell ab, spätestens wenn er merkte, mit welcher Intention ihn der Kleriker ansprach - bekehren wollte er sich nicht lassen. Cauniarma hielt dies jedoch nicht davon ab, es immer wieder, auf neue Weise zu versuchen.
Turandil zum rechten Glauben zurückzuführen, darum drehten sich viele Gedanken, nachdem er die ersten zwei Tage noch damit zu kämpfen hatte, sich mit der Situation abzufinden, in der er nun war - das Gespräch mit Farsay, war dabei unglaublich hilfreich, wie Cauniarma ungern zugeben musste.
Doch wenn Hotaru und Yorihisa auf dem Oberdeck auftauchten, waren alle Gedanken über Turandil und sein neues Schicksal, deren Zeichen, dass Drachenmal am rechten Unterarm, er irgendwann unter einem Verband versteckte, wie weggewischt. Wenn das Pärchen über das Deck wandelte, schaute ihnen der Valenar aus seiner Ecke immer hinterher, von Neid geplagt.
Neid war lange Jahre ein nur ein Wort für Cauniarma gewesen, doch nun bekam es auch wieder seine rechte Bedeutung, jetzt, wo er das Glück der Zweisamkeit jeden Tag vorgeführt bekam. Das Bild der beiden berührte in dem Valenar einen Teil im Kopf, der so alt war, wie das Volk der Valenar (und wie alle anderen Völker auch). Es ist jener Teil, der einem sagt, dass zum Glück eine Familie gehört - auch wenn Cauniarma dem sofort widersprechen würde.
Doch nicht nur an Familie dachte er, sondern einfach auch nur an Sex. Dabei dachte er auch daran, wann er das letzte Mal, so etwas wie Sex hatte und wollte es schnell wieder vergessen. Es zeigte ihm ein Bild, mit ihm, fast 100 Jahre jünger, umgeben von seinen Kampfgefährten, in einem Menschendorf, irgendwo auf Khorvaire - er wusste nicht mehr wo. Die Alten, Männer und Kinder hatten er und seine Mitstreiter schon längst getötet, nur ein paar Frauen hatten sie übrig gelassen, um sie zu vergewaltigen und dann zu töten. Cauniarma gefiel die Praxis nicht, wie die meisten zu Anfangs, doch auch er ließ sich dazu überreden es einmal auszuprobieren. Doch für ihn war es kein befriedigendes Erlebnis, er fand es abartig. Eine Frau, noch dazu keine Valenar, gefesselt, die sich krampfhaft wand und versuchte zu schreien, war nichts für Cauniarma, es ekelte ihn an, besonders, nachdem er das Weib danach noch einen Kopf kürzer machen musste. Das bisschen Rumgeschiebe, befand er war es nicht wert. Er hatte, und hat, noch zwei gesunde Hände und normalerweise reichte auch eine.
Davor gab es auch schönere Erinnerungen, doch dies waren längst von den Jahren verwaschen. Er hatte damals eine Freundin, als er zum Kleriker ausgebildet wurde. Doch im Krieg ging diese Liebe verloren und vergessen und Liebe wurde zu Sex und wurde zu Vergewaltigung und verlor jeden Grund, sich an sie erinnern zu müssen und zu wollen.
Nun aber spürte er Neid, jedes Mal, wenn er Hotaru und Yorihisa sah und er fragte sich, ob er vielleicht sowas nochmal erleben würde, es schien etwas schönes zu sein und seine schwachen Erinnerungen versuchten diese Ansicht zu bestätigen.
Dementsprechend erwischte sich Cauniarma, gegen Ende der ersten Woche an Bord des Schiffes, dass er seine Augen nur schwer vom weiblichen Teil der Besatzung lassen konnte, auch wenn keine einzige Valenar unter ihnen war oder auch nur sein konnte. Er stellte den Halbelfinnen nicht nach, doch wenn ihm eine über den Weg lief, die nur ansatzweise seinem Ideal von Schönheit entsprach, schaute er ihnen vorsichtig nach. Manchmal begann er dabei die Frauen mit den Augen auszuziehen, wenn er sich nicht beobachtet fühlte.
Für den Rest der Gruppe interessierte sich Cauniarma weniger, auch wenn er manchmal anflüge hatte, vielleicht zu versuchen, nochmal mit Farsay zu sprechen und ihn näher kennenzulernen. Bei dem Karrn, auch wenn er durch Hotaru inzwischen stakre Konkurrenz bekommen hat, mied er dagegen weiterhin, genauso wie den wirren Mindarath, der die ganze Zeit mit seinem läppischen Armbrust unterwegs war und so tat, als würde ihn die ganze Welt verfolgen - nicht, dass viel fehlen würde, dass er Recht hätte.
Doch auch wenn er Rhodin mied, am neunten Tag, beschäftigten ihn die Worte des Karrns über die Familie. Rhodin hatter recht, sie waren eine Familie, doch in den Augen von Cauniarma nicht nur, weil sie den selben Namen trugen, sondern auch, weil er sich Freunde und Feind aussuchen konnte, aber nicht die Familie. Gegen seine eigene, seine leibliche Familie, würde er nie das Wort erheben, es waren schöne Zeiten, soweit er sich erinnern kann - und weit her ist es mit den Erinnerungen nicht -, doch von seiner Familie, von seinem Volk, war er, wenn er ganz ehrlich war, mehr als einmal enttäuscht - es waren nicht nur die Vergewaltigungen, die er ablehnte, weil er allein den Gedanken gräßlich fand, dass dort vielleicht Mischblüter gezeugt werden könnten, würde eine der Frau überleben - und seine neue Familie, war für ihn ebenfalls kein Segen. Doch Hotaru und Yorihisa erinnerten ihn daran, dass es doch anders sein musste.
Wie sehr wünschte sich der Valenar, wie in manchen Momenten schon zuvor, dass diese Liebe der beiden Argonessen zerbrechen würde.
Als Cauniarma die Nachricht hört, sitzt er in einer Ecke des Oberdeckes und versucht sich krampfhaft davon abzuhalten, den Verband am Unterarm abzureissen und zu kratzen. Doch seitdem der Verband, der so dick ist, dass er nicht einfach an das Drachenmal herankommt, hielt er es mehr oder weniger durch. Er regte sich in solchen Momenten nur auf, manchmal auch recht lautstark in der Sprache seiner Vorfahren.
Schnell erhebt sich Cauniarma und macht sich auf die Suche nach seinen Gefährten.