Wochen und Monate streifen durchs Land, etwas, das die Sterblichen wohl "Zeit" zu nennen pflegen, die jedoch keine Besserung zu bringen scheint.
Ganz im Gegenteil, alles scheint sich zum Schlechteren zu wenden. Die Sperrstunde wird nun mit aller Gewalt duchgesetzt und ein jeder, der nach Einbruch der Dunkelheit noch auf den Straßen oder in den Gassen Prags aufgegriffen wird, dem blühen Kerker und Folter, sollte er in den Augen der Inquisitoren ein Mal des Teufels tragen.
Immer mehr drängt die Inquisition die Vampire in den Schatten und bedroht das Unleben aller Kainiten in Prag und sogar darüber hinaus.
Das jedoch ist nicht die einzige Sorge. All die Sterblichen, die noch als Verbündete oder zumindest Marionetten zählten, jedoch nicht durch das Blutsband oder die unheiligen Kräfte der Kainiten gefesselt waren, entziehen sich dem untoten Einfluss. Und es wäre mehr als töricht, diesen Kontakt wiederherzustellen, denn die Scheiterhaufen der Inquisition lecken begierig nach dem Blut unheiliger Kreaturen.
Für wen dies bereits schlimme Nachrichten sind, der soll erfahren, dass es noch schlimmer kommen kann. Die letzte Botschaft, die Vater Johannes den anderen Kainiten überbrachte, wohl in einem seiner seltenen Momente geistiger Klarheit, verspricht das Ende der Kainiten in Prag.
Der Großinquisitor hat nach Hagen, dem Jäger gerufen. Dieser, selbst in Kreisen der Kainiten, berüchtigten Geißel aller Untoten und anderer Wesen des Übernatürlichen. Er, der er mit unfehlbarem Gespür die Nachfahren Kains aufzuspüren vermag und sie mit seinen Mannen schrecklicher Folter und letztendlich dem Endgültigen Tod überantwortet.
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Eines dunklen Abends, es ist der März des Jahres 1263, klopft es dumpf aber nachdringlich an den Türen der Zufluchten von Bruder William, Larciel, Octavian und Stefan. Beim Öffnen der Türe muss man selbst als Vampir die Nase vor dem unglaublichen Gestank rümpfen. Bernhard, nur schwer in seiner Verkleidung als Leprakranker zu erkennen, steht nur in Kumpen gehüllt vor der Türschwelle. Mit rauher, leicht krächzender Stimme beginnt er sofort an, im Flüsterton auf jeden einzureden.
"Ich überbringe eine Nachricht von Severus. Briefe sind zu unsicher geworden..."
Unheilvoll und fast schon paranoid blickt sich der Nosferatu um, doch nur ein Windstoß hatte ein paar frühe Blätter zum Rauschen gebracht...
"Ihr solltet euch zur mitternächtlichen Stunde bei seiner Zuflucht einfinden. Nicht beim Saal, sondern beim Kellergewölbe daneben. Er zwingt niemanden, auch wirklich zu erscheinen, doch die Nachrichten, die er zu verkünden hat, scheinen wohl für alle von äußerstem Interesse zu sein. Wer fehlt, bestraft sich nur selbst. Das ist alles."
Verstohlend um sich blickend, wartet Bernhard nur kurz auf eine Reaktion...