Nachdem sie einige Zeit lang bewegungslos auf dem Boden lag und nichts weiter passierte, erhob sich Kyra langsam und vorsichtig wieder. In einiger Entfernung sah sie wie sich Galian und Selamin stritten. Verwirrt versuchte sie zu verstehen, was zwischen ihnen vorgefallen war - es hatte vermutlich etwas mit Galians merkwürdigem Verhalten zu tun - während sie wieder zurück zu ihrem Zelt lief und unterwegs ihre fallengelassene Decke aufhob. Sie hatte sich nun doch entschieden ihr Kleid direkt mitzunehmen. Kurz überlegte sie noch Galian oder Selamin nach der Richtung zu fragen, verwarf diesen Gedanken aber schnell wieder, die beiden schienen gerade zu stark in ihren Streit vertieft.
Also schlug sie einfach die Richtung ein, in der sie den Fluß vermutete. Innerhalb einiger Minuten erreichte sie den Fluß und suchte sich eine Stelle, an der die Büsche etwas Schutz vor dem Wind und unerwünschten Blicken boten. Dort angekommen legte sie ihre Decke, ihr Kleid und ihren Umhang auf einen Haufen und lies sich langsam ins Wasser gleiten. Obwohl das Wasser recht kalt war, nutze sie die Gelegenheit sich ausführlich zu waschen und ein wenig zu erfrischen, ihre Gedanken zu ordnen.
Sie würde etwas gegen diese Träume tun müssen, oder sie würde früher oder später an ihnen zu Grunde gehen. Wenn sie nur wüsste was... Es gab einige Mittel, Tränke oder Kräuter um für einen traumlosen Schlaf zu sorgen, aber dazu müssten sie wohl in eine größere Stadt kommen und nun waren sie mitten im Nirgendwo. Auch die Stimmung innerhalb der Gruppe schien nicht die beste zu sein, was durch den Streit vorhin nur bewiesen wurde. Waren sie doch zu unterschiedlich? Konnten sie nicht auf Dauer miteinander auskommen? War sie die einzige, die gerne mit allen anderen unterwegs war, auch wenn jeder von ihnen seine Eigenheiten hatte? Vielleicht hatte sie sich etwas zu stark zurück gezogen, sie hatte ja trotz allem nur wenig Kontakt mit den anderen. Das würde sie ändern müssen.
Nachdem sie noch eine Weile einfach so ihm Wasser lag, stieg sie aus dem Fluss, ging zu der Stelle, an der ihre Sachen lagen und trocknete sich mit der Decke ab. Als sie gerade ihr Kleid anziehen wollte, hielt sie inne. Warum trug sie immernoch ihr Kleid, hier mitten in der Wildnis? Ja, es gefiel ihr und sie mochte die Art, auf die es ihren Körper präsentierte, aber sie war nicht mehr in der Stadt, nicht mehr unter vielen Menschen und hier war es wahrscheinlich nur hinderlich. Sie aktivierte die Magie der Kleidung, veränderte ihr Kleid und passte ihr restliches Erscheinungsbild daran an.
Bei ihrer Rückkehr ins Lager bot sie ein stark verändertes Bild. Anstelle ihres Kleides trug sie nun eine weiße Leinenbluse mit einer schwarzen Reiterhose, die von einem hellbraunen Ledergürtel gehalten wurde und dazu wadenhohe schwarze Wildlederstiefel. Ihr Haar hatte sie zu einem kunstvollen Knoten gebunden, ihre Ohrringe abgenommen und ihre Kette unter der Bluse verborgen.
Als sie bei den Zelten ankam und Galian neben den Überresten des Feuers sitzen sah, beschloss sie ihren gefassten Entschluss in die Tat umzusetzen. Die Angst, die sie gehabt hatte, als Galian sie zu Boden geworfen hatte, erschien ihr geradezu lächerlich und ein Produkt ihres übermüdeten Zustandes. Er würde ihr gewiss nichts tun und er sah aus als ob er etwas Zuneigung gebrauchen könnte, er erhielt sonst wohl recht wenig. Sie setzte sich neben ihn, legte ihren Arm um seine Hüfte und ihren Kopf an seine Schulter. Mit sanfter Stimme fragte sie "Was ist den passiert?"